Heidelberg, 18. Januar 2015. (red/cb) Zu der neuen Produktion von Nanine Linning “Hieronymus B.” hat das Theater Heidelberg eine öffentliche Hauptprobe durchgeführt. Das Stück ist an die Kunstwerke von Hieronymus Bosch angelehnt und spiegelt viele seiner Werke und verwendete Symbole wieder. Hieronymus Boschs Werke stammen aus der Renaissance und zeigen oftmals Kritik an der herrschenden Gesellschaftsform und der Kirche. Die Uraufführung wird am Sonntag, den 18. Januar stattfinden.
Von Carolin Beez
Das Stück ist von Anfang an anders aufgebaut als klassische Theaterstücke. So ist das Stück zum Beispiel wie ein Triptychon aufgebaut, eine beliebte Form von Kunstwerken des Malers Hieronymus Bosch. Ein Triptychon ist ein Kunstwerk, das aus drei Teilen besteht. Einmal aus einem Großen Mittelteil und dann noch aus zwei schmaleren Flügeln. Oftmals waren diese Werke zum Aufklappen gedacht und durch Scharniere verbunden.
Ein Teil bleibt dem Publikum verwehrt
Dieser Aufbau aus der Malerei hat sich die Choreographin und Regisseurin zu Nutze gemacht und auf ihr Stück “Hieronymus B.” übertragen. Die Besucher erhalten beim Einlaufen in das Foyes des Theaters ein rotes oder blaues Bändchen. Je nach dem werden sie in zwei kleinere Gruppen eingeteilt, praktisch die Flügel des Stückes und zum Schluss wieder zu einem großen Werk zusammengeführt.
Dem Testpublikum blieb gestern allerdings der Teil des blauen Bändchens und auch der große zweite Teil komplett verwährt. Stattdessen wurde im Teil des roten Bändchens überprüft, wie gut das Zusammenspiel zwischen den Tänzern und dem Publikum funktioniert. Denn die Zuschauer sind in dem Stück Hieronymus B. praktisch mitten im Stück.
Keiner weiß, was auf ihn zukommt
Über die große Treppe im Foyer des Theater Heidelberg gehen die Besucher nach oben. Sie folgen einem Mann, der sie über die Empore durch verschiedene Gänge führt und irgendwann vor dem großen Lastenaufzug stehen bleibt. Jetzt bleiben auch die Besucher nacheinender in einer langen Schlange stehen. Bis zum Ende des Ganges steht die Menge und sogar noch weiter. Keiner hat eine Ahnung, was auf ihn zukommt. Die Leute schauen sich fragend um.
Die Fahrstuhltüren öffnen sich und die erste Gruppe von 20 Personen steigt ein. Die Türen schließen sich wieder. Zehn Minuten oder noch länger stehen die restlichen Menschen im Gang und warten weiter. Im Innern des Fahrstuhls steht ein Mann mit einem Ghettoblaster. Es spielt Musik, wie man sie aus Geisterbahnen oder Gruselfilmen kennt. Die Fahrt geht ein Stockwerk nach unten.
Die Türen öffnen sich. Alle steigen aus dem Aufzug.
Man kommt sich wirklich vor, wie in einer Geisterbahn,
sagt eine der Besucherinnen, als sie sieht was sie in dem Raum erwartet. Das Erste, was man sieht, ist ein Ohr, zwei Meter groß. Aus ihm heraus rekelt sich eine Tänzerin, nackt. Es ist dunkel. Einige Requisiten und Tänzer werden angestrahlt. Sie stehen in einem großen Kries in der Mitte des Raumes. Die Menschen, gehen nur einen Meter von den Schauspielern entfernt an den Szenarien vorbei.
Verschiedene Objekte, Kostüme, Grimassen. Der Besucher wird von großen, gelben Augen verfolgt, wird erschreckt oder zu Glücksspielen verleitet. Viele der Zuschauer halten einen Sicherheitsabstand, schrecken erschrocken zurück, reden aufgeregt mit ihrem Nebenmann. Besonders beeindruckend: Die Kostüme.
Oh mein Gott, das sieht ja echt krass aus,
sagt eine der Besucherinnen. Krass im Sinne von furchteinflößend oder gruselig oder erschreckend. Kreiert wurden die Kostüme und auch das Bühnenbild von dem niederländischen Künstlerduo Les Deux Garçons.
Es fühlt sich nicht an wie Theater, was Nanine Linning ihren Zuschauern in den ersten paar Minuten präsentiert. Es ist eine Darstellung der verschiedenen Kunstwerke des Malers Hieronymus Bosch. Viele Symbole, aus seinen bekannten Bildern “Die sieben Todsünden”, “Garten der Lüste” oder “Das Narrenschiff” findet man direkt wieder. Doch die Regisseurin bringt nicht nur die Kunstwerke in den ersten Teil ihres Stücks mit ein, nein sie richtet alles auf die Zeit aus zu der der Maler lebte – das Spätmittelalter und die Renaissance.
Bei Weitem nicht die endgültige Fassung
Doch man merkt schnell, dass es sich bei der gestrigen Veranstaltung nicht um eine offizielle Vorstellung handelt. Viele Helfer des Theaters rennen umher und notieren sich Verbesserungen in kleinen Büchern, sie tragen Headsets und tauschen sich darüber aus, wie die bisherige Veranstaltung funktioniert.
Die Musik kommt noch vom Band, bei der Vorstellung wird ein Orchester live spielen. Und dann gibt es hin und wieder Schwierigkeiten mit der Technik. Es sei noch lange nicht die endgültige Fassung, in diesem Teil des Stücks und auch im zweiten Teil werde sich bis zur Aufführung noch einiges zu Verändern, sagt einer der Helfer. Noch drei Tage bis zur Aufführung.
Plötzliche Wendung
Die Szenerie in dem Raum, in dem sich die Zuschauer befinden verändert sich mit einem Mal. Die Requisiten werden elegant bei Seite geschoben und in der Mitte des Raumes beginnt eine Tanzperformance. Das Publikum wird ganz an den Rand des Raumes gedrängt. Vielen Zuschauern bleibt der Mund offen stehen.
Sie recken ihre Köpfe. Und dann plötzlich. Eine Seite des Raumes öffnet sich. Die Besucher realisieren, wo sie sich befinden. Mitten auf der Bühne des Theaters. Sie werden in den Zuschauerraum geführt und schauen sich den Rest des ersten Teils von den gewohnten Sitzen des Theaters an.
Wir haben ein paar technische Schwierigkeiten, bitte haben Sie ein paar Minuten Geduld,
sagt einer der Helfer. Es ist Donnerstag, es sind nur noch drei Tage bis zur Uraufführung des Stücks, viele der Zuschauer haben sich das ein bisschen anders vorgestellt.
Ich glaube die Tänzer und Tänzerinnen haben noch ein paar sehr lange Tage und Nächte vor sich, bis das alles perfekt läuft,
sagt einer der Besucher. Zum Schluss des ersten Teils wird ein Film gezeigt, der die Umstände des Mittelalters von den sieben Todsünden bis hin zu Krankheiten und der problematischen Rolle der Kirche erklärt.
Es ist ein besonderes und absolut einzigartiges Werk, das Nanine Linning im Heidelberger Theater präsentiert, mit tollen Kostümen und interessanten, historischen Hintergründen.
Ich drücke die Daumen, dass alles klappt.