Kandel/Rhein-Neckar, 18. Juni 2018. (red/pro) Der Mord von Kandel an der 15-jährigen Mia ist längst ein Politikum. Bundesweit. Sogar im Ausland wird der Fall betrachtet. Es ist aber trotzdem kein politischer Prozess und es darf aus Sicht des Rechtsstaats auch keiner werden. Vor Gericht muss sich ein Angeklagter nach Beweislage verantworten – nicht mehr und nicht weniger. Das sollten Bürger, Medien und auch die Politik dringend beachten.
Kommentar: Hardy Prothmann
Als gesellschaftspolitischer Berichterstatter ist das Leid von Menschen Teil meines Berufslebens – und der Spagat zwischen Anteilnahme und professioneller Distanz ist und bleibt sehr schwierig. Dieses Schicksal teile ich mit Polizeibeamten, mit Sanitätern, mit Ärzten, mit Staatsanwälten, mit Verteidigern, mit Gutachtern, mit Richtern und anderen.
Niemand außer den Betroffenen selbst kennt das Gefühl der Hilflosigkeit, die diese empfinden. Dieser Schmerz. Diese Verzweiflung. Diese Trauer. Vielleicht auch diese Wut.
Und niemand hat das Recht, diese persönlichen und privaten Gefühle für sich oder eine Sache zu instrumentalisieren. Deshalb ist die “Initiative”, die sich “Kandel ist überall” nennt, auch so abgeschmackt und widerlich. Denn sie nimmt für sich in Anspruch, die Gefühle der Betroffenen nicht nur zu kennen, sondern auch zu vertreten, ohne dass die Betroffenen jemals gefragt worden sind.
Gleiches gilt übrigens auch für “Wir sind Kandel” – denn niemand in Kandel ist sicherlich für ein “wir”, was den Mord angeht. Und wer sich gegen “die” einsetzt, ist immer gegen alle im eigenen Ort, die nicht “wir” sind.
Das ist intellektuell gar nicht mal so schwierig zu verstehen – wenn man will.
Doch um verstehen wollen geht es gar nicht mehr.
Kandel ist nicht überall
Wenn dann hinzukommt, dass Verfahrensbeteiligte – wir nennen aus naheliegenden Gründen keine Namen – massive Drohungen, unter anderem Morddrohungen, erhalten, dann muss man fragen dürfen, welche Verantwortung eine AfD-Abgeordnete Christina Baum oder ein selbsternannter “Islam-Kritiker” Imad Karim übernehmen wollen? Sicherlich keine – damit werden sie so gar nichts zu tun haben wollen. Sie wollen nur – und das tun sie – ihre Meinung äußern. Extrem, aber ohne jegliche Verantwortlichkeit.
Kandel ist nämlich nicht überall, sondern Kandel ist Kandel und bleibt Kandel. Eine kleine, beschauliche Gemeinde in der Südpfalz, in der – leider – ein fürchterliches Verbrechen stattfand.
Man kann Verbrechen nicht miteinander vergleichen – man kann sie immer nur rechtsstaatlich verfolgen und im Wortsinn verurteilen. Nach zweifelsfreier Beweislage und sonst nichts. Das ist das Prinzip des Rechtsstaats, der für alle Menschen, egal ob Deutsche oder Nicht-Deutsche in Deutschland gleich gilt. Wer das nicht verstanden hat oder verstehen will, hat nichts verstanden und outet sich als Dummkopf, der sicherlich nicht für den Rechtsstaat eintritt.
Dementsprechend positioniert sich das Landgericht Landau folgerichtig, indem es feststellt, dass dieser Mordfall einer ist wie jeder andere – damit ist nicht ein Vergleich des Mordfalls gemeint, sondern die klare Haltung, dass es eine ordentliche Verhandlung vor einem ordentlichen deutschen Gericht gibt, die nach ordentlichen Regeln verhandelt wird. Punkt.
Die gerechte Strafe bestimmen Gesetze, nicht Hetzer
Der Strafverteidiger Maximilian Endler hat – wie alle Strafverteidiger – in diesem System eine außerordentlich wichtige Rolle. Er wird darauf achten, dass der Prozess ordentlich läuft, dass die Beweise eindeutig sind und immer, wenn er Zweifel hat, wird er “in dubio pro reo” anbringen. Vollkommen zu Recht.
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Wer Schwanz ab, an den Eiern aufhängen, Todesstrafe und was weiß ich fordert, äußert sich menschenverachtend, brutal und – mit Verlaub – scheißt auf den Rechtsstaat, sondern fordert Auge um Auge, Zahn um Zahn und will außerstaatliche Gewalt und Willkür. Da gewinnt nicht das starke Recht, sondern da hat der Stärkere Recht. Der, der besser bewaffnet und brutaler ist.
Der Angeklagte Abdul D. wird einer gerechten Bestrafung entgegensehen müssen. Da habe ich keine Zweifel – wenn ordentliche Beweise vorgelegt und bewertet werden, wovon auszugehen ist. Man kann und muss das in Zweifel ziehen – das ist Aufgabe aller Beteiligten. Die Anklagebehörde Staatsanwaltschaft muss ich über die Beweislast sicher sein, die Verteidigung muss dies prüfen und die Strafkammer ebenfalls.
(Hinweis der Verlagsleitung: Teile unserer Informationen stellen wir nur gegen Gebühr zur Nutzung. Es gibt technische Mittel, die Bezahlschranke unseres Dienstleisters Steady zu überwinden. Das ist illegal und wer das tut, betrügt uns und unsere Leistung. Wir gehen rechtlich gegen jeden Missbrauch vor. Sie müssen unsere Angebote nicht nutzen, wenn Sie diese nutzen wollen, dann zu unseren Bedingungen und nicht durch illegales Handeln. Und ein Hinweis an “Kollegen”: Der journalistische Anstand gebietet, Quellen ordentlich zu zitieren. Wer klaut, “legitimiert” andere Diebe durch “allgemeine Übung” – alles klar?)
Die politische Dimension ist von der juristischen absolut zu trennen.
Politische Fragen sind notwendig
Man kann selbstverständlich über diesen Einzelfall hinaus politische Fragen und auch politische Forderungen stellen. Was wäre wenn? Wäre der Mord geschehen, wenn Abdul D. nie nach Deutschland gekommen wäre? Wenn er nach Ablehnung seines Asylantrags ausgewiesen worden wäre? Wenn man Anzeigen erkannt hätte, die den Mord vielleicht verhindert hätten?
Das sind zulässige Fragen. Aber erstmal müssen das Fragen sein und nicht nur pro forma, weil man die Antworten schon kennt.
In diesem Land gilt Meinungsfreiheit – man kann also meinen, dass es “Horden” von “Messermännern” gibt, die alle oder viele “abschlachten” wollen. Eine solche Meinung muss man noch nicht einmal beweisen, solange diese Meinung keine Tatsachenbehauptung ist, an der sich jemand substanziell stört und er/sie ein materielles Recht hat, sich selbst angegriffen zu fühlen und sich dagegen juristisch will.
Man kann diese Meinung auch grundsätzlich zurückweisen und meinen, dass ganz viele Menschen, die mit Messern andere Menschen umbringen, ja irgendwie zu verstehen seien, wegen ihrer Traumatisierung und wegen kulturell unterschiedlicher “Auffassungen” über den Wert von Menschenleben, insbesondere dem von Frauen. Auch dieser Meinung kann man sein.
Man kann noch vieler anderer Meinungen sein und alle sind erlaubt, sofern sie keine anderen Rechtsgüter verletzen.
Wer der Meinung ist, andere Menschen bedrohen zu müssen, sogar mit Mord, der hat keine Meinung mehr, sondern begeht eine Straftat. Und andere, die dazu aufstacheln, sind mindestens moralisch mitschuldig.
Der Mord – so dieser Vorwurf festgestellt wird – an der 15-jährigen Mia V. in Kandel, mutmaßlich begangen durch den Angeklagten Abdul D., vermutlich zur Tatzeit mindestens 17,5 Jahre alt ist erschütternd, war grausam gegen das Opfer und bleibt es gegenüber den Verbliebenen, denen man nur wünschen kann, für sich Frieden zu finden.
Der Angeklagte, sofern die Tat nachgewiesen wird, wird keine “harte” und auch keine “sanfte” Strafe erhalten, sondern eine angemessene.
Er könnte sogar auf Freispruch hoffen, doch dafür sind die Indizien nicht geeignet. Abdul D. wird als junger Mann in seinen besten Jahren hinter Gittern verschwinden. Keine Familie gründen, keine Parties feiern, keinen Spaß haben.
Mit Abdul D. muss man kein Mitleid haben. Niemand zwingt einen, auf eine Ex-Freundin sieben Mal mit einem sehr langen Messer brutal und entschlossen einzustechen. Jeder könnte verstehen, wenn man sein Leben verteidigt, niemand muss verstehen, dass jemand aus niederen Beweggründen und heimtückisch ein Leben nimmt.
Es sind Einzelfälle, weil es kein System gibt
Fest steht, dass Mordfälle wie Kandel oder Wiesbaden und andere jeweils Einzelfälle sind, weil es weder ein kriminelles noch ein politisch oder religiös abgestimmtes Verhalten für diese Straftaten gibt – sie sind nicht koordiniert. Siehe die Mordtat von Viersen – ein 17-jähriger Bulgare ist tatverdächtig seine 15-jährige Ex-Freundin aus Rumänien mit einem Messer ermordet zu haben. Er ist sein zehn Jahren in Deutschland, also kein Flüchtling, sondern Zugewanderter. Opfer ist keine Deutsche, sondern ein ausländisches Mädchen.
Fest steht aber auch, dass es viele dieser Straftaten gibt, aber diese nicht alltäglich sind – schon gar nicht innerhalb einer Gemeinde. Sie kommen überall vor. Ebenso wie feststeht, dass bei gewalttätigen Tötungsdelikten meistens Männer und darunter meistens jüngere die Täter sind.
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Fest steht weiterhin, dass der Anteil solcher Straftaten durch Ausländer im Vergleich zu Deutschen, gemessen an der Gesamtbevölkerung, eklatant hoch ist. Damit steht fest, dass es hier ein gesellschaftliches und politisches Problem gibt, das man lösen muss – nicht durch Willkür, nicht durch Selbstjustiz, sondern durch rechtsstaatliches Handeln unter Mitwirkung der Gesellschaft.
Denn eine freie Gesellschaft braucht einen funktionierenden Rechtsstaat, um frei bleiben zu können. Und ein Rechtsstaat braucht eine freie Gesellschaft, die den Rechtsstaat achtet und unterstützt. Fällt das eine oder das andere aus, funktioniert weder der Rechtsstaat, noch gibt es eine freie Gesellschaft.
Niemand muss Kriminalität akzeptieren
Klar ist, dass die Menschen in Deutschland, egal ob Deutsche oder Ausländer, nicht akzeptieren müssen, von Zugewanderten irgendwie drangsaliert oder sogar um Leib und Leben gebracht zu werden. Klar ist aber auch, dass Menschen, die hier Schutz suchen, weder von Deutschen noch Ausländern, irgendwie bedroht oder angegangen werden dürfen.
Was nicht klar ist, ist, wie man denen, die sich über alle unsere Normen einfach so hinwegsetzen, Herr werden kann, wenn diese auch nicht den geringsten Respekt vor der Gesellschaft, vor dem Rechtsstaat und schon gar nicht vor dem einzelnen Leben haben.
Das ist die entscheidende Frage: Wie geht man damit um? Gesellschaftlich und rechtsstaatlich? Diese einfache Frage ist noch längst nicht Teil des öffentlichen Diskurses, aber sie ist drängend und wird immer drängender.
Alle Menschen, die einigermaßen an unserer Rechtsstaatlichkeit teilnehmen wollen, fügen sich in dieses System. Niemand, der ein normales Leben führen will, setzt sich massiv über die gegebenen Grenzen hinweg.
Unser Rechtsstaat ist alles andere als eine Diktatur, wie manche das gerne behaupten. Bevor man die Freiheit entzogen bekommt, muss schon viel passieren. Es gibt keine Folter und keine Verfolgung.
Doch es gibt Straftäter, die aus “Kulturen” kommen, in denen sie ganz andere Umstände gewohnt sind. Wo hier im Lande eine erkennungsdienstliche Behandlung erfolgt und danach “freier Fuß”, gibt es woanders Prügel und stinkende Rattenzelle.
In diesem Rechtsstaat gibt es Strafverteidiger wie Herrn Endler, den sich jeder wünscht, der keine Freunde mehr hat. Jemand, der sich trotzdem für ein gerechtes Verfahren einsetzt, wenn man öffentlich als der böseste aller Menschen gilt.
Deutschland als “Paradies” für Kriminelle – da ist was dran
So betrachtet, ist Deutschland ein Paradies für Kriminelle – sie müssen hier nicht wirklich viel fürchten. Selbst im Knast geht es ihnen vergleichsweise gut. Und eben mal jemanden “um die Ecke bringen”, findet in Deutschland durch Behörden nicht statt.
Wer dieses System grundsätzlich in Frage stellt und ändern will, der will keinen Rechtsstaat mehr, sondern das Gegenteil.
Hier wird nicht gefoltert und gewillkürt – jeder, der das will, kann morgen selbst dran sein. Aus Willkür.
Verschiedene Kriminelle stellen dieses System grundsätzlich in Frage – ob als Drogenhändler aus Gambia, Fahrradkorbdiebe aus dem Maghreb oder Frauenmörder aus frauenverachtenden “Kulturen” oder Terroristen aus aller Herren Länder, die angeblich Allahs Willen vollstrecken.
Diese Kriminellen erzeugen sehr viel Leid – bei den Opfern und deren Angehörigen. Und die Zahl ist nicht gering, sondern nimmt zu. Der Täter wie der Opfer.
Der Gesetzgeber steht vor sehr, sehr schweren Herausforderungen – er kann nur Gesetze für alle machen.
Im Ergebnis – und das ist schon festzustellen – verschärft er die Gesetze. Für alle. So werden die Zugriffsmöglichkeiten unter dem Begriff “Terrorabwehr” immer erheblicher – im Kern geht es um wenige Kriminelle, betroffen sind aber alle unbescholtenen Bürger.
Es werden “schärfere” Regelungen für Asylbewerber gefordert, gemeint sind nur die, die kriminell sind oder keinen Asylanspruch haben – betroffen sind damit alle, die zu Recht Schutz suchen.
Unterm Strich wird politisch wie gesellschaftlich viel zu wenig differenziert und die Willkommenskultur steht einer Wutkultur gegenüber. Beide Positionen sind qua Extrem falsch.