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Rhein-Neckar, 18. März 2011. (red) Der Konzern RWE, Betreiber des Atomkraftwerks Biblis, hat mit den Vorbereitungen zur Abschaltung von Biblis A begonnen. Bis der Reaktor „kontroliert heruntergefahren“ sein wird, vergeht etwa ein Tag. Bis Sonntag soll der Reaktor „kalt und drucklos“ sein.
Von Hardy Prothmann
Die Anordnung des hessischen Umweltministeriums zur Abschaltung des ältesten deutschen Atomreaktors Biblis A muss sofort befolgt werden. Grundlage dafür ist§19, Abs.3, Satz 2, Nr. 3 des Atomgesetztes (Dokumentation am Ende des Artikels).
Guido Steffen, Sprecher von RWE Power, sagte auf Anfrage: „Wir haben die Anweisung zu befolgen und bereiten zur Zeit die Abschaltung vor.“
Ein kniffliger Prozess – zwar kann man Atomkraufwerke per „Not-aus-Schalter“ abschalten – die Folgen können aber dramatisch sein. Die Katastrophe von Tschernobyl war „handgemacht“ – man wollte eine Schnellabschaltung simulieren – die Katastrophe nahm ihren Lauf.
Kritischer Abschaltprozess
Solche Arbeiten sind immer kritisch, weil die enorme Leistung, 1.200 Megawatt, „irgendwo hinmüssen“. Die „Dampf- und Wärmeleistung“ aus der „Nachzerfallswärme“ beträgt ein Vielfaches der Stromerzeugungsleistung und muss geregelt abgeführt werden. Beträgt der Wert nur noch rund 400 Megawatt, kann das Kraftwerk ganz vom Netz genommen werden, bis es im „Fachjargon „kalt und drucklos“ ist.
Am 15. September 2006 kam es beispielsweise zu einem meldepflichtigem „Vorkommniss“: „Während Block A zur Revision abgefahren wurde, kam es zu einer fehlerhaften Abschaltung des 380-kV-Netzes mit einem Lastabwurf auf Eigenbedarf. Damit an der Turbine kein Schaden entstehen konnte, wurde eine TUSA (Turbinenschnellabschaltung) durchgeführt, die wiederum zu einer RESA (Reaktorschnellabschaltung) führte.“ (siehe wikipedia)
Zweifel an ausreichenden Sicherheitsstandards
Im AKW Biblis arbeiten rund 1.000 Menschen, etwa 750 sind eigene Angestellte von RWE, die anderen Fremdarbeiter. Einen „Arbeitsaufsall“ gibt es nicht, da sie Mitarbeiter bei den anstehenden Sicherheitsüberprüfungen ebenfalls gebraucht werden. Biblis B ist vor einiger Zeit heruntergefahren worden und dort wird bereits aktuell eine Sicherheitsprüfung („Revision“) vorgenommen.
Die Umweltorganisation Greenpeace bemängelt die Sicherheitsstandards und hat erhebliche Zweifel, ob diese einem „sicheren“ Betrieb genügen – beispielsweise gäbe es keinen Schutz gegen „Flugzeugabstürze“. (Download Studie Restrisiko)
Dem Konzern RWE entsteht durch die ungeplante Abschaltung voraussichtlich ein finanzieller Ausfall: „Über juristische Schritte zu reden, ist an dieser Stelle noch zu früh“, sagte Sprecher Guido Steffen auf Anfrage: „Selbstverständlich werden wir aber mit den politischen Entscheidern sprechen. Das Thema muss insgesamt besprochen werden.“
Folgen der Abschaltung
Die Regierungskoalition hatte erst im Herbst 2010 die Laufzeit des Reaktors um rechnerische acht Jahre verlängt – in dieser Zeit kann rund zehn Prozent mehr Strom erzeugt werden. Biblis gilt als „gewinnträchtigstes“ Kernkraftwerk Deutschlands, weil längst abgeschrieben. Der erzeugte Strom ist also als „reiner Gewinn“ zu sehen. Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass die Stromerzeuger „Entschädigungen“ einfordern werden.
Stromverbraucher werden von der Abschaltung im Netz voraussichtlich nichts bemerken: „Das Wochenende ist „lastärmer“ als unter der Woche“, sagt Guido Steffen. Das bedeutet, dass weniger Strom gebraucht wird. Sollte doch mehr Strom gebraucht werden, wird der aus Kohlekraftwerken zusätzlich eingespeist oder über Strombörsen am „Markt“ eingekauft – darunter kann auch Atomstrom aus anderen Ländern sein, beispielsweise Frankreich.
Verschiedene Anti-AKW-Bewegungen haben für den Sonntag Protestkundgebungen geplant.
Dokumentation,§96, Atomgesetz
„(3) 1. Die Aufsichtsbehörde kann anordnen, daß ein Zustand beseitigt wird, der den Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, den Bestimmungen des Bescheids über die Genehmigung oder allgemeine Zulassung oder einer nachträglich angeordneten Auflage widerspricht oder aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können. 2. Sie kann insbesondere anordnen,
1. daß und welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind,
2. daß radioaktive Stoffe bei einer von ihr bestimmten Stelle aufbewahrt oder verwahrt werden,
3. daß der Umgang mit radioaktiven Stoffen, die Errichtung und der Betrieb von Anlagen der in den§-§ 7 und 11 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Art sowie der Umgang mit Anlagen, Geräten und Vorrichtungen der in§ 11 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Art einstweilen oder, wenn eine erforderliche Genehmigung nicht erteilt oder rechtskräftig widerrufen ist, endgültig eingestellt wird.“