Viernheim, 11. Mai 2016. (red/cr) Wenn Formeln in Schulaufgaben stehen, geht man meist davon aus, dass sie richtig sind, ohne sie selbst zu überprüfen. Drei Abiturienten der Albertus-Magnus-Schule wollten es jedoch genauer wissen: Sie haben eine Behauptung zur Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen geprüft und damit den zweiten Platz beim Regionalentscheid des Schülerwettbewerbs „Jugend forscht“ gewonnen. Wie sie ohne Anleitung eine Wellenwanne gebaut haben, wo ihre Pläne für die Zukunft sie hinführen und was ihre Forschung im heimischen Keller mit Tsunamis zu tun hat, verraten die Tüftler im Interview.
Interview: Christin Rudolph
Leif Seute, Tobias Weber und Peter Lippmann, Abiturienten an der Albertus-Magnus-Schule, haben den zweiten Platz beim Regionalentscheid des Schülerwettbewerbs „Jugend forscht“ errungen. In ihrem Projekt haben Sie überprüft, ob die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen abhängig von der Wassertiefe sind. Dazu haben sie eine Wellenwanne gebaut und Messungen durchgeführt. Im Interview berichten sie von ihrer Motivation, Rückschlägen und Plänen für die Zukunft.

Die Wellenwanne der Abiturienten: Der Akkuschrauber links bewegt die Platte im Inneren der Plastikbox und erzeugt so Wellen. Foto: privat
Wie funktioniert Eure Wellenwanne und wie kamt Ihr auf die Idee?
Leif Seute: Mit unserer Wellenwanne erzeugt ein Erreger mit einer gleichmäßigen Frequenz Wellen im Wasser, ähnlich wie in einem Wellenbad. In der Box, die wir verwendet haben, wurden die Wellen von den Wänden reflektiert. Die Wassertiefe haben wir durch unterschiedliche Wassermengen variiert. Durch das Messen der Frequenz konnten wir auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen schließen. Auf die Idee kamen wir durch eine Aufgabe in der Abivorbereitung vor einem Jahr etwa. Dort hieß es, die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen sei proportional zur Wassertiefe. Das wollten wir genauer wissen.
Peter Lippmann: Da haben wir direkt angefangen, also noch bevor wir von „Jugend forscht“ wussten. Wir haben beim erstbesten Discounter eine Plastikwanne gekauft und einen Tennisball eingetunkt, um einen Impuls zu erzeugen. Anhand der Zeit, die die Wellen gebraucht haben, um die Wanne zu durchqueren, konnten wir auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit schließen. Allerdings haben wir festgestellt, dass bei zehn Zentimetern Wassertiefe immer näherungsweise das selbe herauskommt.
Seute: Dieser Versuch war eine Enttäuschung. Unser Lehrer hatte inzwischen gehört, dass wir uns damit beschäftigen. Er bot uns an, an „Jugend forscht“ teilzunehmen, denn auch wenn es nicht so gut klappt, sei es eine wertvolle Erfahrung. Da haben wir Mut gefasst und angefangen unsere richtige Wellenwanne zu bauen.
Lippmann: Wir dachten schon das ist für die Tonne.
Ihr hattet also zuerst die Idee für das Projekt und kamen dann zum Wettbewerb?
Seute: Genau, „Jugend forscht“ war nur Mittel zum Zweck. Unsere richtige Wellenwanne haben wir ein halbes Jahr später gebaut. In der Schule haben wir immer Computersimulationen benutzt. Aber die gehen ja auch von Formeln aus. Daher haben wir sozusagen Grundlagenforschung betrieben.
Hattet Ihr beim Bau der Wellenwanne eine Anleitung oder eine Vorlage?
Lippmann: Wir wollten uns nicht informieren und nach einer Anleitung bauen – und da kamen dann auch die Probleme.
Seute: Zuerst haben wir den Motor einer Modellbaueisenbahn benutzt, um den Erreger anzutreiben. Der war aber viel zu schwach, das ging gar nicht. Jetzt verwenden wir einen Akkuschrauber, der ist viel besser. Bei dem kann man unterschiedliche Drehfrequenzen einstellen. Um die zu messen, haben wir einen Fahrradtacho angebracht, der die Geschwindigkeit misst. Von der Geschwindigkeit konnten wir zurückrechnen auf die Frequenz. Dann war natürlich noch die Frage: Wann findet Resonanz statt? Das war immer, wenn eine Welle die Wanne durchquert hatte, an der Wand zurückgeworfen wurde und genau zu dem Zeitpunkt, als die nächste Welle gerade erzeugt wurde, wieder am Ausgangspunkt war.
In welchem Zeitraum habt Ihr die Messungen durchgeführt?
Lippmann: Die entscheidenden Messungen haben wir erst einen Abend vor dem Wettbewerbstag gemacht. Vorher hatten wir es nicht geschafft, geeignete Wellen zu erzeugen.
Das war bestimmt eine lange Nacht.
Seute: Das war ein schöner Abend…
Und was haben Sie mit den Messwerten gemacht?
Seute: Unser Traum war es, eine Formel zu finden. Wir haben zumindest eine, die für unseren Versuchsaufbau gilt, sie ist nicht komplett repräsentativ.
Lippmann: Man kann sagen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen ist ungefähr proportional zur Wurzel der Wassertiefe, also je tiefer das Wasser desto schneller breiten sich die Wellen aus. Das kann man am Strand beobachten: Je näher die Welle dem Strand kommt, desto flacher wird das Wasser. Daher türmt sich die Welle immer weiter auf, je näher sie dem Strand kommt. Schließlich überholt der schnellere Teil der Welle den langsamen an der Oberfläche und die Welle bricht.
Seute: Je tiefer das Wasser, desto geringer ist der Unterschied der Ausbreitungsgeschwindigkeit. Das liegt an der Proportionalität zur Wurzel der Tiefe. Von 300 Metern auf 301 Meter merkt man den Unterschied kaum, von einem halben Meter auf einen Meter ist er recht groß. Daher bricht ein Tsunami erst an Land.
Lippmann: Wenn man also das Oberflächenprofil vom Meeresboden kennt, dann kann man voraussagen, wann die Welle ankommt.
Seute: Die Ausbreitungsgeschwindigkeit verändert sich je nach Bodenprofil, mit dieser Methode wären die Berechnungen also genauer. Das wäre ein Ausblick, das müsste man aber dann professionell machen.
Lippmann: Alles, was mit Hydrodynamik zu tun hat, ist komplex.
Was war das größte Problem bei den Messungen?
Seute: Wen man nur etwas ins Wasser taucht, dann entstehen Verwirbelungen und so weiter aber keine guten Wellen.
Lippmann: Wir haben die Apparatur eingeschaltet und keine Wellen gesehen.
War es das erste Mal, dass Ihr an „Jugend forscht“ teilgenommen haben?
Lippmann: Ja, aber nicht unser erstes Projekt.
Seute: Bei „Explore Science“ haben wir eine Abschussrampe für ein Flugzeug aus Styropor gebaut.
Wie waren die Reaktionen von Euren Eltern? Haben die gesagt, Ihr solltet besser für die bevorstehenden Abiturprüfungen lernen? Wie haben die Lehrer und Freunde reagiert?
Seute: Unsere Eltern haben uns eigentlich machen lassen, nur unser Physiklehrer meinte, wir sollten lieber lernen und uns nicht überarbeiten. Speziell unsere Freundinnen haben sich immer darüber lustig gemacht, weil so viel schief gelaufen ist. Aber auf eine nette Art.
Was habt Ihr von diesem Projekt und der Teilnahme am Wettbewerb mitgenommen?
Seute: Auf jeden Fall Arbeiten im Team und das Wertschätzen von Forschungsergebnissen.
Lippmann: Wir haben auch gelernt, zu hinterfragen, was in Büchern steht.
Wie sehen Eure Pläne für die Zukunft aus?
Seute: Wenn wir noch irgendetwas in der Richtung machen, dann mit einer anderen Wellenwanne – die hat ihren Dienst erfüllt. Die ist beim Fototermin bei der Preisverleihung kaputtgegangen. An „Jugend forscht“ könnten wir noch ein Jahr lang teilnehmen…, aber dann nicht mehr mit dem Thema. Ich habe keine Lust mehr auf Wasser. Aber wir würden sehr gerne teilnehmen, es hat Spaß gemacht. Ich will auf jeden Fall Physik studieren.
Lippmann: Ich auch.
Tobias Weber: Ich Informatik.
Seute: Tobis kann dann die Daten auswerten, die bei unseren Experimenten von Peter und mir entstehen!

Tobias Weber, Leif Seute und Peter Lippmann vor ihrer Schule (von links nach rechts)