Mannheim, 18. August 2016. (red/pro) Aktualisiert. Über einen Hinweisgeber wurden wir informiert, dass nach einem Überfall auf eine junge Frau am 22. Juli das Opfer gut eine halbe Stunde auf den Krankenwagen warten musste. Die Polizei sei gar nicht erst erschienen. Und: Der Täter habe sich noch gut eine Viertelstunde vor Ort aufgehalten. Wenn dies tatsächlich zuträfe, wäre das ein riesiger Skandal. Wir haben den Ablauf nachrecherchiert.
Von Hardy Prothmann
Der Täter überfiel die 26-jährige Frau irgendwann nach 6 Uhr morgens und schleifte sie von ihrer Wohnungstür zur Neckarpromenade. Er schlägt die Frau brutal zusammen. Es besteht zudem der Verdacht, dass der Täter sexuelle Handlungen an seinem Opfer vorgenommen hatte. Ein Frühsportler entdeckt die Tat, stört den Täter, der verschwindet. Der Sportler alarmiert den Rettungsdienst.
Rettung und Ermittlung
Um 06:54 Uhr ging der Notruf bei der Integrierten Leitstelle Rhein-Neckar ein. Die verständigte in derselben Minute die Polizei. Um 07:03 Uhr traf der Rettungswagen des DRK vor Ort ein. Die Behauptung, der Rettungsdienst habe eine halbe Stunde gebraucht, ist eindeutig widerlegt. Es vergingen neun Minuten zwischen Alarmierung und Eintreffen vor Ort.
Die Polizei ging zunächst von einer „Körperverletzung“ aus. Hier gehen täglich mehrere tausend Alarmierungen ein. Um 07:17 Uhr setzte sich ein dann verfügbarer Streifenwagen in Bewegung und traf um 07:23 Uhr vor Ort ein. Die Polizei und nicht der Rettungsdienst war also erst eine gute halbe Stunde nach der Alarmierung vor Ort. Dass die Polizei überhaupt nicht vor Ort war, ist eindeutig widerlegt.
Wir müssen unsere Kräfte disponieren und zwar nach Art und Zahl der Vorfälle. Wären wir von einem versuchten Tötungsdelikt ausgegangen, wären innerhalb von Minuten Beamte vor Ort gewesen. Als die Kollegen dann erkannt haben, dass es sich nicht um eine einfache Körperverletzung handelt, wurden sofort weitere Maßnahmen eingeleitet,
sagt Polizeisprecher Norbert Schätzle auf Nachfrage.
Ab 08:15 Uhr bis 14:00 Uhr untersuchten mehrere Polizeibeamte den Tatort und die Umgebung und stellten Spuren sicher. Dabei wurde unter anderem der Schlüpfer der Frau in einem Mülleimer entdeckt. Die Polizei richtete eine zehnköpfige Sonderkommission ein.
Tatverdächtiger wird sechs Tage später in Norddeutschland verhaftet
Nur vier Tage später konnte der Tatverdächtige identifiziert werden. Ein 23-jähriger Asylbewerber aus Nordafrika. Am 26. Juli ergeht auf Antrag der Staatsanwaltschaft Mannheim Haftbefehl gegen den Tatverdächtigen. Zwei Tage später konnten die Ermittlungsbehörden den Mann in Norddeutschland festnehmen. Er wurde dann nach Mannheim verbracht und in eine Justizvollzugsanstalt eingeliefert.
Fazit: Die Gerüchteküche kocht man wieder und was sich nach einem Skandal anhört, ist keiner. Der Rettungsdienst war schnell vor Ort und hat die verletzte Frau versorgt. Die Polizei kam später, aber es trifft nicht zu, dass sie gar nicht vor Ort war. Auch hier stimmt das Gegenteil – die Polizei hat angesichts der schwere der Tat durch überzeugende Ermittlungsarbeit und entsprechenden Einsatz den mutmaßliche Täter schnell fassen können.
Ungeklärt bleibt, ob der Täter tatsächlich noch einige Zeit vor Ort war. Hier stellt sich die Frage, wenn dem so gewesen wäre, warum nicht erneut die Polizei gerufen worden ist, mit dem Hinweis, dass der Täter sich am Tatort befindet? Es waren mehrere Personen vor Ort, warum wurde nicht versucht, den unbewaffneten Mann festzuhalten oder zu verfolgen? Möglicherweise war ein Nordafrikaner vor Ort – aber war das der Täter? Ist es glaubwürdig, dass Zeugen den Täter klar identifizieren konnten und nichts unternommen haben? Selbst wenn dem so wäre, wäre das nicht der eigentliche Skandal? Was müsste man über solche Leute denken?
Gerüchteküche sorgt für Verunsicherung
Wie so oft zeigt sich, dass die Gerüchteküche einen Brei zusammenrührt, der möglicherweise zutreffende Tatsachen beinhaltet, die aber in falsche Bezüge gesetzt werden – ob mit oder ohne Vorsatz. Für unsere Recherchen gilt wie für die Ermittlungen der Polizei: Wir nehmen erstmal alle Hinweise entgegen, prüfen diese und teilen erst dann mit, was wir als gesichert oder nur als möglich erachten. Die Quelle, die uns aktuell informiert hat, meinte, dass ihre Quelle wiederum absolut zuverlässig sei und auch bereit, uns gegenüber die Behauptungen zu bestätigen. Wir haben um Kontaktaufnahme gebeten – bis heute warten wir darauf.
Solche Gerüchte verunsichern unnötigerweise die Bevölkerung und sind geeignet, das Vertrauen in Polizei und Rettungsdienste massiv zu erschüttern. Auch in Medien, denen immer wieder vorgeworfen wird, die Bevölkerung nicht wahrhaftig zu unterrichten. Glauben Sie also nicht irgendwelchen Erzählungen, die aus „absolut sicherer Quelle“ stammen, sondern versehen Sie solche „Informationen“ immer mit einem Fragezeichen.
Informieren Sie die Polizei und Medien Ihres Vertrauens darüber – möglicherweise sind wichtige Informationen dabei. Möglicherweise ist tatsächlich ein Einsatz nicht optimal gelaufen. Möglicherweise liegt gar ein Skandal vor. Aber das sollte man nur behaupten, wenn die Fakten gesichert sind und die Gerüchteküche verifiziert nie Fakten. Sie rührt immer nur zusammen, um möglichst aufregende Geschichten zu erfinden.
Aktualisierung, 14:56 Uhr:
Kaum war unser Artikel erschienen, hat sich die Quelle der Quelle bei uns gemeldet. Diese behauptet weiterhin, dass die Polizei nicht vor Ort war: „Als ich da war, war die Polizei nicht da.“ Die Frau verließ kurz vor 07 Uhr den Tatort. Auf unseren Hinweis, dass die Polizei selbstverständlich am Tatort war, antwortete die Quelle: „Als ich da war, war sie jedenfalls nicht da.“
Auf unseren Hinweis, dass das ihre Wahrnehmung ist, die aber nicht mit der Realität übereinstimmt, sagte sie: „Ich kann nur sagen, was ich selbst beobachtet habe.“ Nach Angaben dieser Quelle geschah die Tat um 06:31 Uhr, weil sie zu diesem Zeitpunkt vor Ort war.
Warum der Notruf erst 06:54 Uhr einging, beantwortet die Quelle so: „Da hat der Mann mit dem Handy wohl zu lange gebraucht.“
Über 20 Minuten um die 112 zu wählen? Auf unsere Frage, ob die Quelle keine Bedenken hat, dass die Bevölkerung durch falsche Behauptungen verunsichert wird, erhielten wir als Antwort: „Das bin ja nicht nur ich. Andere erzählen das auch.“
Wir haben dann aufgegeben und das Gespräch beendet.
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