Mannheim, 18. Oktober 2015. (red) Unser Artikel „Spinelli ist eine Schande für Mannheim“ hat deutliche Auswirkungen gehabt – abgesehen von den enormen Zugriffen, wurden nach unseren Recherchen einige beschriebene „Missstände“ behoben. Leider müssen wir auch feststellen, dass unsere Berichterstattung angegriffen wird und gewisse politische Vertreter sich „Vorteile“ verschaffen wollen. Das war nicht das Ziel unseres Berichts. Es geht nach wie vor um eine würdige Unterbringung von Menschen und darum, was in Mannheim zugelassen wird und was nicht.
Von Hardy Prothmann
Zu den Fakten:
Uns wurde mitgeteilt, dass es nur „sechs“ Duschen für „3.000“ Menschen gebe. Nach Erkenntnissen der FDP-Stadträte Dr. Birgit Reinemund und Volker Beisel gibt es 6 Duschcontainer mit jeweils 6 Duschen für „Herren“. Dass mehrere Duschcontainer nicht angeschlossen auf dem Gelände stehen, wurde durch die Stadträte via Facebook-Postings bestätigt.
In unserem Bericht haben wir eindeutig kommuniziert, dass uns die Möglichkeit einer „Verifizierung“ fehlte. Wir haben „kolportiert“, es gebe nur 6 Duschen – es gibt wohl 36 für „Herren“ und „ein paar“ für Frauen.

Frau Dr. Reinemund behauptet falsche Tatsachen. Wir schützen unsere Quelle und werden sicherlich keine Informationen liefern. Die Behauptung der FDP-Stadträtin ist falsch. Unsere Quelle ist weder „islamistisch agitierend“, noch „festgenommen“. Und ebenfalls Nein: Diese Quelle war nicht die „einzige Basis“ für unseren Text. Wir beherrschen unser Handwerk – Frau Dr. Reinemund versucht aktiv unsere Arbeit zu diskretieren. Das ist äußerst bedauerlich. Screenshot: Facebook-Kommentar.
Wir haben von bis zu 3.000 Menschen berichtet – unter Vorbehalt. Am Freitag waren es nach unseren jetzigen Erkenntnissen 2.200 Menschen, am Samstag rund 2.000. Damit teilen sich rund 50 Menschen eine Dusche, aus der nach unseren Informationen nicht immer „warmes“ Wasser kommt.
FDP auf Freizeitausflug
Die FPD-Stadträte Dr. Birgit Reinemund und Volker Beisel behaupten, es sei vollkommen „einfach“, auf das Gelände zu kommen, man sei „herumgeführt“ worden und „alle Fragen“ seien beantwortet worden.
Was wie ein „Freizeitausflug“ klingt und was die FDP-Stadträte nicht mitteilen und nicht einbeziehen: Unser Bericht hat für jede Menge Aufmerksamkeit gesorgt, die die FDP-Stadträte für sich genutzt haben. Offenbar waren am Samstag mehrere „offizielle“ Personen vor Ort. Was auch nicht mitgeteilt worden ist: Die Sicherheitsstandards sind sehr hoch. Alle Personen werden kontrolliert, ebenso Taschen und Fahrzeuge.
Gleichermaßen erzeugen die FDP-Stadträte den Eindruck, es sei überhaupt kein Problem, sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen. Dies ist falsch und grob irreführend. Unser Bericht hat dazu geführt, dass die beiden FDP-Stadträte sich für Spinelli interessiert haben und wie und unter welchen Umständen sie auf das Gelände durften – darüber gibt es keine transparente Information. Tatsache ist, dass auch Stadträte nicht einfach auf das Gelände dürfen. Ebensowenig Medienvertreter – außer, sie sind „angemeldet“ – von „jetzt auf nachher“ ist der Zugang so gut wie nie möglich. Auch hier behauptet die FDP nicht zutreffende Umstände.
Grundsätzlich bestätigt
Was Frau Dr. Reinemund nicht verstanden hat – wir sind nicht an „embedded journalism“ interessiert. „Geführte Touren“ mögen für eine FDP-Stadträtin „super“ sein – unabhängiger Journalismus lässt sich nicht führen.
Tatsache ist, dass wir aufgrund unserer Berichterstattung Möglichkeiten der „Verifikation“ erhalten haben.
Tatsache ist auch, dass unser Bericht dazu geführt hat, dass insbesondere hochschwangere Frauen und Mütter mit sehr kleinen Kindern verlegt worden sind und verlegt werden. Tatsache ist auch, dass oft niemand weiß, wer „angeliefert“ wird.

Frau Dr. Reinemund zeigt sich reichlich verwirrt. Irgendwie „ist es nicht so drastisch, wie von Ihnen beschrieben“. Oha. Rund 40-50 Duschen für über 2.000 Menschen sind nicht „drastisch“? Hey – beheizte Hallen, was will man mehr? „Müllbeutel an allen denkbaren Stellen“? Klingt supi. „Waschgelegenheiten“ hört sich auch gut an. Trennwände für Familien – wie diese dort „leben“ – kein Wort, aber wohl für „Ok“ von der FDP-Politikerin befunden. Danke für den Tipp mit dem „offiziellen“ Anmelden. Wir machen dann doch lieber Journalismus. Screenshot: Facebook-Kommentar
Unsere weiteren Recherchen haben ergeben, dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird, dass insbesondere „sensible“ Fälle nicht die „suboptimalen“ Bedingungen auf Spinelli ertragen müssen.
Tatsache ist ebenfalls, dass durch unseren Bericht sofort beschriebene Missstände angegangen worden sind – was gut und richtig ist.
Inszenierung
Tatsache ist auch, dass Frau Dr. Reinemund aus unserer Sicht eine populistische Inszenierung betreibt, die wir nicht gut heißen.
Tatsache ist, dass wir alle verantwortlichen Amtsträger aufgefordert haben, sich ein Bild vor Ort zu machen und Stellung zu beziehen. Wir haben niemanden aufgefordert, sich selbst zu inszenieren.
Nach unserer Erkenntnis waren neben den FDP-Stadträten auf Stipp-Visite nur der Landtagsabgeordnete Dr. Stefan Fulst-Blei (SPD) und sein Herausforderer Chris Rihm (CDU) vor Ort (beide kämpfen um den Wahlkreis Mannheim-Nord), wobei bei beiden nicht klar, ist, ob sie „offiziell“ oder als „ASBler“ auftreten.
Tatsache ist auch, dass wir nicht erwartet haben, dass die FDP diese Aufforderung missbraucht, um unseren Artikel eindeutig als „Verdachtsberichterstattung“ einerseits zu bestätigen und andererseits zu „beschädigen“ versucht.
Tatsache ist, dass nach unserer Auffassung insbesondere Frau Dr. Reinemund offenbar nicht im Ansatz verstanden hat, welchen Sinn unsere Berichterstattung hat, obwohl Sie diese für ihre Zwecke zu nutzen versucht.
Wir haben auf massive Probleme aufmerksam gemacht.
Tränen in den Augen
Frau Dr. Reinemund schreibt dann irgendwas auf Facebook von „Tränen in den Augen“ und gleichzeitig, dass sie unsere „Darstellung nicht bestätigen kann“. Wie passt das zusammen?
Unser Bericht hat dafür gesorgt, dass aktuelle Missstände umgehend beseitigt worden sind – was gut ist. Was nicht gut ist, ist, wenn eine FDP-Politikerin dann meint, unsere Berichterstattung beschädigen zu müssen, indem sinngemäß behauptet wird: „Hey, so schlimm ist es jetzt auch nicht.“ Das ist dummdreist und populistisch.
Spinelli ist und wird ein „hochproblematisches“ Notlager bleiben, das hohe Aufmerksamkeit benötigt. Bedauerlich ist, dass offenbar der größte Teil des Mannheimer Gemeinderats dies noch nicht erkannt hat und nicht vor Ort war. Ebensowenig „offizielle“ Vertreter der Stadt.
Bedauerlich ist leider auch, dass die FDP-Stadträte in erster Linie einen Angriff auf unsere Berichterstattung versucht haben und in zweiter, sich zu inszenieren. Auch das ist unwürdig für Mannheim. Und vor allem für die Flüchtlinge.
Unabhängiger Journalismus kaum möglich
Nach unseren Informationen wird es kommende Woche einen „offiziellen“ Pressetermin vor Ort geben. Wir werden Sie wie immer zutreffend, kritisch, hintergründig unterrichten.
Wir haben unseren Bericht korrigiert – „jeder Zugang“ wird nicht durch die zuständigen Behörden verweigert. Diese Aussage ist nicht zutreffend und hier korrigieren wir uns selbst.
Tatsache ist: Ein generell freier und unabhängiger Zugang wird fachlich versierten Journalisten bislang entschieden verweigert. Und dies bedeutet eine massive Einschränkung der „Medien- und Meinungsfreiheit“.