Mannheim/Mainz, 18. September 2018. (red/pro) “Ein Reporter, ein Kameramann, vier Wochen: Ein ZDF-Team ist zurzeit in Mannheim. Ziel ist, mit den Menschen ins Gespräch kommen”, benennt das Zweite Deutsche Fernsehen eine Filmreihe über Mannheim. Es sind bereits einige Filme über Mannheim gesendet worden. Erfüllt das “ZDF-Team” den vorgegebenen Anspruch, also die Frage “wie tickt Mannheim” zu beantworten? Schreiben Sie ans RNB.
Von Hardy Prothmann
Das ZDF nennt diese Sendeform mal “Projekt”, mal “Bürgerprojekt” – was genau ein Projekt daran ist und was genau ein “Bürgerprojekt”, erfährt man nicht.
Klar ist, ein Reporter und jemand hinter der Kamera machen Filme über Mannheim.
Mal heißt es: “Wie tickt Mannheim?” Mal: “Was bewegt Mannheim?” Mal: “Ein VJ und ein Multi vier Wochen in Mannheim. Welche Probleme hat die Stadt, was denken die Leute, wie kann man die Probleme lösen? Eine Spurensuche.”
Ein “VJ” ist ein “Videojournalist”, also einer, der Reporter und Kameramann in Person ist. Was ein “Multi” ist, weiß das RNB nicht.
Interessant ist der Ansatz: “Welche Probleme…?” Das ZDF kommt also nach Mannheim, um Probleme zu finden. Und geht auf, huhu, “Spurensuche”. Und fängt am Marktplatz an. Muss man nicht so machen, kann man aber so machen, wenn man ZDF ist.
Bürgerbeteiligung ist in Mannheim derzeit bei vielen Projekten gefragt. Welche Themen die Menschen in der Industrie-, Handels- und Universitätsstadt aktuell besonders umtreiben, das erkundet ab Montag, 3. September 2018, ZDF-Reporter Sven Class. Vier Wochen lang berichtet er zusammen mit Kameramann Michael Grum für das Bürgerprojekt “ZDF in …” aus der drittgrößten Stadt Baden-Württembergs. Zugleich ist das ZDF-Team auch Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort und sucht mit ihnen das Gespräch. Reporter Sven Class wohnt in der Stadt, nimmt am Leben teil, sammelt Eindrücke und ist bei öffentlichen Terminen präsent,
teilt das ZDF mit. Die Einschätzung “derzeit?” ist kurios – Bürgerbeteiligung ist schon seit vielen Jahren ein Top-Thema in Mannheim. Das ZDF hat das nun offensichtlich “aktuell” entdeckt. Kurios ist auch die Vorstellung, dass man in vier Wochen “erkunden” will, was hier seit Jahren Alltag ist. Nun gut. Was das ZDF unter “wohnen in der Stadt” meint, erklärt es nicht weiter. Wer sich vier Wochen hier oder anderswo aufhält, ist Gast – “wohnen” ist was anderes.
“Wir suchen noch stärker den direkten Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort und wollen jetzt in Mannheim über vier Wochen intensiv schauen, ob und wie die Politik beim Bürger ankommt”, sagt Renate Lintz, Leiterin der ZDF-Redaktion Tagesmagazine Mainz und Projektverantwortliche für “ZDF in …”. “Schon beim Pilotprojekt in Cottbus haben wir erleben können, wie unser Team vor Ort näher an die Bürger und deren Themen herankam: Die Vor-Ort-Präsenz ermöglichte ein genaueres Bild über das Geschehen in der Stadt.
Auch das ist kurios. Da mietet sich ein Sven Class irgendwo ein, nennt es “wohnen” und ist ab sofort der ZDF-Ansprechpartner für Mannheim und erfährt im “Bürgergespräch” alles über die Stadt, befragt natürlich alle 320.000 Bürgerinnen.
30 Tage vor Ort ermöglichen also “ein genaueres Bild über das Geschehen in der Stadt”.
Ich sage das mal ganz deutlich: Ich bin seit fast 30 Jahren Journalist, spezialisiert auf Reportage, Porträt und Investigation. Ich kann den Job und habe ein solides Selbstvertrauen. Ich kann mir noch nicht mal in meinen kühnsten Träumen vorstellen, wie das ZDF es mit einem Reporter und einem Kameramann hinbekommen will, in 30 Tagen die Seele einer Stadt mit 320.000 Einwohnern, davon über 40 Prozent mit Migrationshintergrund, mit ein paar Filmen zu erfassen. Was unvorstellbar ist, ist für das ZDF kein Problem.
Ich lebe seit 1990 in dieser Stadt (bis auf ein paar Jahre in der unmittelbaren Umgebung) und erlebe seither einen enormen Wandel. Ich bin Teil dieser Stadt und durch meinen Job auch immer auf Abstand zu ihr. Sie ist mir deshalb nah und fern. Ich gehöre dazu und auch nicht. Das gehört zu meinem Job – professionelle Distanz.
Auf die Idee, mich 30 Tage nur dieser Stadt zu widmen und mit rund einem Dutzend Beiträgen zu “erzählen”, wie “diese Stadt tickt” oder “was sie bewegt”, bin ich echt noch nicht gekommen.
Ich erlebe seit 2011 (21 Jahre ausgeklammert) mit dem Start von RNB eine pulsierende Stadt Mannheim, die eine “kleine Großstadt” ist, aber eine mit Metropolfunktion. Hier geht es mächtig ab – in allen möglichen Perspektiven. Im Januar 2019 werde ich 96 Monate aus und über Mannheim berichtet haben und kenne mich vermutlich ganz gut aus.
Das ZDF und Sven Class nehmen sich 30 Tage Zeit, um mit erheblicher Reichweite, bezahlt durch Gebührengelder, deutschlandweit zu versenden, “wie Mannheim tickt”. Chapeau. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich das leisten kann, hätte ich Zweifel. Aber ich bin ja auch nur ein Provinzjournalist und nicht das ZDF.
Was fällt Ihnen zu dieser Chuzpe ein?
Wir sind als Regionalmedium kein “Bürgerprojekt”. Das RNB macht Journalismus, mit Bürgern, mit Politikern, mit allen, die am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Diese Arbeit nehmen wir ernst und wir sind sicher kein Wanderzirkus der Sensationen, der ohne Sinn und Verstand sich mal dem Bürger ganz nah fühlen will. Unser Job ist es, ordentliche Informationen zu liefern. Ob und wie die jemand nah gehen oder nicht, spielt keine Rolle.
Der Kontakt zu Bürgern ist vor Ort Alltag. Für das ZDF ist das natürlich ein Experiment, mal in die “Niederungen” des Lokalen und Regionalen zu gehen. Wow, was für ein Abenteuer. Vermutlich gibt es dafür irgendwann irgendeinen Preis für diesen mutigen Reporter vom Maidan in Mannheim und das “innovative” Format des ZDF, das außerhalb des Sendekomplexes in Mainz vollständig entschlossen ist, das echte Leben vor Ort zu “rädscherdschieren”.
Kontakt zu uns gab es nicht – Zugriffe aus Mainz viele. 😉
Sven Class in Mannheim finden Sie im Angebot des ZDF.
Was denken Sie dazu – als Bürger in Mannheim?
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