Heidelberg, 18. Dezember 2015. (red/ms) Hoher Besuch im Patrick Henry Village (PHV): Heute waren Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Frank-Jürgen Weise, der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BaMF) und Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, vor Ort, um sich ein Bild von dem “Pilotprojekt mit Vorbildcharakter für ganz Deutschland” zu machen: Im PHV sollen ab Januar eindeutige Asylverfahren innerhalb von 24 bis 48 Stunden abgewickelt werden.
Die Abwicklung von Asylverfahren in Deutschland erfolgt teils sehr chaotisch, seitdem die Zahl der Flüchtlinge drastisch angestiegen ist. Durch ungeschickte Abläufe wurden und werden viel Geld, Zeit und Ressourcen verschwendet. Um die Zahl der Ankommenden irgendwie zu verwalten, sind einige Notlösungen unvermeidbar. Die Strukturen, die aktuell im Heidelberger Patrick Henry Village geschaffen werden, sollen helfen, die Effizienz der Verfahrensabwicklung deutlich zu erhöhen.
Frank-Jürgen Weise, Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BaMF), sagte dazu heute auf einem Pressetermin:
Unser Ziel ist es, Anträge mit geringer Komplexität innerhalb von 24 bis 48 Stunden abschließend zu bearbeiten.
Eine “geringe Komplexität” heißt in diesem Fall: Anträge von Menschen aus eindeutig sicheren, beziehungsweise unsicheren Herkunftsländern. Nach Angaben von Herrn Weise wolle man ab Januar daran arbeiten, bis zu 1.000 Antragstellungen pro Tag abzuwickeln und dabei möglichst viele “unmittelbar entscheiden”.
Das ist mit den gegenwärtigen Kapazitäten allerdings noch nicht zu bewerkstelligen.
Erst muss hierfür massiv Personal aufgestockt werden – Herr Weise wünscht sich “mindestens eine Verdopplung” der BaMF-Mitarbeiter. Aktuell arbeiten 50 Personen für die BaMF im Patrick Henry Village.
“Übergangslösung” ist jetzt “Vorzeigeprojekt”
Durch die Zentralisierung könne man eine enorme Beschleunigung der Verfahren erreichen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann heute auf dem Vor-Ort-Termin. Gemeinsam mit einem Pulk von gut 70 Menschen – Journalisten, Kamerateams, Politiker, Soldaten, Sicherheitskräfte und Mitarbeiter – machten sich Herr Kretschmann, Herr Weise und Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, einen Eindruck von den Abläufen vor Ort. Herr Kretschmann sagt dazu:
Baden-Württemberg hat auch in Sachen Integration und Flüchtlinge den Anspruch, Musterländle zu sein. Das Patrick Henry Village ist ein Vorzeigeprojekt, an dem sich ganz Deutschland orientieren kann.
Seit sechs Wochen sind die ehemaligen Militärkasernen nicht nur die zentrale Registrierungsstelle des Landes, sondern auch eine Außenstelle des BaMFs. Bislang erfassen Landeserstaufnahmestellen und das BaMF viele Daten doppelt, da die Erfassungssysteme nicht kompatibel sind.
Syrer sollen noch am selben Tag Bescheid erhalten
Durch die Zentralisierung und Kooperation an einem gemeinsamen Standort sollen effizientere Abläufe ermöglicht werden. Im Patrick Henry Village erfolgen nun alle Schritte des Asylverfahrens auf engstem Raum: Registrierung, erkennungsdienstliche Erfassung, medizinische Erstuntersuchung, Röntgen, Prüfung von amtlichen Dokumenten und Anhörung. Bei einem syrischen Flüchtling mit gültigem Pass soll in der Regel noch am selben Tag ein positiver Bescheid vergeben werden.
Wie Ministerpräsident Kretschmann auf der Pressekonferenz erwähnte, sei das Land nach wie vor darauf angewiesen, das PHV als Puffer bei Zugangsspitzen zu verwenden. Laut einer Pressemitteilung des Landes sind im PHV derzeit “rund 5.000 Flüchtlinge” untergebracht – nach Informationen der Redaktion sind es 6.300. Wie lange das PHV noch zur Unterbringung von Flüchtlingen verwendet wird, ist völlig offen. Von einer “Übergangslösung”, von der noch vor einem Jahr die Rede war, spricht heute niemand mehr. Das Gegenteil wirkt wahrscheinlich: Auch langfristig scheinen Land und Bund nicht mehr auf das PHV verzichten zu können. Eine ausführliche Analyse folgt.