Rhein-Neckar, 18. November 2019. (red/pro) Aktualisiert. Vor einigen Tagen ging die Meldung rund: „11.000 Wissenschaftler warnen vor weltweitem Klimanotstand“. Egal ob öffentlich-rechtliche Sender, Online-Portale oder Tageszeitungen, allesamt brachten sie mehr oder weniger dieselbe Meldung, die vermutlich auf Pressemitteilungen und Agenturberichten beruhte. Die Botschaft: Der Welt droht unermessliches Leid. Keinem Medium tut es allerdings unermesslich leid, sich mal inhaltlich mit der Sache beschäftigt zu haben. Dabei ist das eigentlich ganz einfach, aber halt schlecht für die knallige Schlagzeile.
Von Hardy Prothmann
Ich bin zwar kein Naturwissenschaftler, hatte aber in Bio, Erdkunde und Mathe je eine sehr gute Note am Gymnasium. Später habe ich Germanistik und Politische Wissenschaften (Abschluss MA in der Regelstudienzeit) studiert und war mehrere Jahre für das Institut ZUMA (Zentrum für Umfragen, Methoden, Analysen) als wissenschaftliche Hilfskraft tätig. Hier ging es um die Auswertung soziodemografischer Daten.
Wer gelernt hat, wissenschaftlich zu arbeiten – was die friday-for-future-kids nicht können -, weiß, wie penibel man mit Daten umgehen muss, um nicht falsche Ergebnisse zu erhalten. Und weiß ebenfalls, wie wichtig eine ausreichende Menge der Daten ist, aber noch viel mehr die Methodik der Datenerhebung. Wer das alles im Kern wirklich begreift, weiß, dass man jeder „Studie“ misstrauen muss, bei der fünf (5!) Autoren sich anmaßen, sehr komplexe Themen auch nur annähernd bewerten zu können. Und das weltweite Klima ist wohl eines der komplexesten Themen überhaupt.
Genau hinschauen ist immer besser, als blind was zu glauben
Weil 5 „Experten“ selbst für Laien doch sehr wenig klingt, haben diese fünf Autoren ihren Artikel zum „subscribe“ ins Internet gestellt. Und so werden dann 11.000 „Wissenschaftler“ draus, „die diese Studie unterstützen“.
Die Veröffentlichung der „Studie“ beginnt so:
Scientists have a moral obligation to clearly warn humanity of any catastrophic threat and to “tell it like it is.” On the basis of this obligation and the graphical indicators presented below, we declare, with more than 11,000 scientist signatories from around the world, clearly and unequivocally that planet Earth is facing a climate emergency.
Übersetzt:
Wissenschaftler haben die moralische Verpflichtung , die Menschheit eindeutig vor einer katastrophalen Bedrohung zu warnen und zu „sagen, wie sie ist“. Auf der Grundlage dieser Verpflichtung und der unten dargestellten grafischen Indikatoren erklären wir mit mehr als 11.000 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, klar und eindeutig, dass der Planet Erde einem Klimanotfall gegenübersteht.
Ich finde, Journalisten haben die handwerkliche Verpflichtung, die Menschen, die sie erreichen, ordentlich zu informieren. Um das zu gewährleisten, braucht es solide Recherche, viel Wissen und die Prüfung von Quellen. Und damit erkläre ich hiermit ganz alleine, dass diese Studie eben nichts „klar und eindeutig“ belegt.
Die „Studie“ ist eine Ansammlung von Behauptungen, die man freundlich als pseudowissenschaftlich bezeichnen kann. Dahinter können komplexe Daten stehen – aber keiner der 11.000 subscriber hat diese geprüft oder prüfen müssen – es reichte, zu subscriben. Wer sich die Mühe macht – was nicht wirklich mühevoll ist -, mal zu schauen, wer da so alles subscriber ist, stellt per einfacher Suche fest, dass unter den 11.000 „Wissenschaftlern“ insgesamt 972 Studenten sind und 196 Pensionäre.
Die internationale wissenschaftliche Subscriberschaft weist 24 Personen aus China auf, 99 aus Indien, 17 aus der Türkei, 22 aus Indonesien und 9 aus Russland – gegenüber 879 aus Deutschland und 1759 aus den USA. Unter den deutschen sind grob überschlagen keine zehn „Klimaforscher“. Und ob das „Bioscience Journal“, in dem die „Studie“ am 05. November 2019 erschienen ist, die fachliche Qualifikation der subscriber geprüft hat, wage ich zu bezweifeln.
Klima hat viel mit Religion zu tun
Das Thema „Klima“ eignet sich wie die Religionen deshalb so gut für alle möglichen „Überzeugungen“, weil es letztlich niemanden gibt, der echte Beweise führen kann.
Ein Beispiel aus der kommunalen Praxis: In Ladenburg tobte ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Anwohnern und der Stadt wegen einer zu hohen Lärmbelästigung während des Altstadtfestes. Es wurden zig Gutachten in Auftrag gegeben, vor Gericht gestritten und letztlich musste die Stadt dafür sorgen, dass ein gewisser Lärmpegel nicht überschritten wird. Konkret kann dieser aber überschritten werden, wenn er in Summe dem geforderten Höchstwert entspricht. Es ist also mal lauter, mal leiser.
Ein anderes Beispiel: Ich bin jetzt 53 Jahre alt und war in Erdkunde einer der besten Schüler meines Jahrgangs. Ich habe damals gelernt, dass die fossilen Energiereserven ab 2020 rapide abnehmen und damit eklatante Engpässe drohen. Das war der Stand der Forschung aus den 70-iger Jahren. Neue Vorkommen waren noch nicht entdeckt oder es gab keine Technik, diese zu erschließen. Große Teile Afrikas hungerten, überall gab es humanitäre Katastrophen. Heute ist die Kinder- und Müttersterblichkeit weltweit massiv zurückgegangen, ebenso der Hunger wie auch die Opfer von Naturkatastrophen und Kriegen – die Folge ist eine Bevölkerungsexplosion.
Dazu die „Studie“:
Es gibt bewährte und wirksame Strategien, die die Menschenrechte stärken, gleichzeitig die Geburtenraten senken und die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums auf die Treibhausgasemissionen und den Verlust der biologischen Vielfalt verringern. Diese Richtlinien stellen Familienplanungsdienste für alle Menschen zur Verfügung, beseitigen Zugangsbarrieren und ermöglichen eine vollständige Gleichstellung der Geschlechter, einschließlich der Grundschul- und Sekundarschulbildung als globale Norm für alle, insbesondere für Mädchen und junge Frauen.
Wer sich ein wenig mit Bildungs- und Gleichstellungspolitik auskennt, reibt sich die Augen vor soviel Utopismus. Bis in Deutschland eine inklusive Schule gebaut ist, dauert es Jahre – wie macht man das am Hindukusch oder im Sudan?
In den 80-iger Jahren hatten alle Angst vor dem Ozonloch – das soll, so die neuste Forschung bis 2050 keine Rolle mehr spielen.
Es gibt ein sich wandelndes Klima
Bevor jetzt irgendjemand „Klimawandelleugner“ ruft – ich gehe, wie alle vernünftigen Menschen davon aus, dass es selbstverständlich einen erheblichen anthropogenen Einfluss auf das Klima gibt.
Nicht nur durch die Industrialisierung, sondern auch durch eine Bevölkerungsexplosion. Klimaschutz und Umwelttechnologien, Energieverbrauch und Ernährung sind wie Umweltverschmutzung und Flächenverbrauch absolut wichtige Themen, die man mit großem Verstand und vor allem Vernunft statt der Panik einer 16-jährigen Schwedin, die sich die Zeit mit Segeln auf High-Tech-Schiffen vertreibt, begegnen muss.
Klar ist, dass wie in der Vergangenheit auch, die Zukunft Herausforderungen bereitstellt, die man nur in Teilen überblicken kann. Ein gewaltiger Ausbruch eines Vulkans, beispielsweise des Vesuvs, kann sofort gravierendste Auswirkungen haben – auf die man sich so gut wie nicht vorbereiten kann. Müssen jetzt alle Menschen, die am Golf von Neapel leben, in Panik ausbrechen und natürlich der Rest Europas auch?
Erinnern Sie sich an den hungernden Eisbären Ende 2017? (Aktualisierung: Wir hatten zunächst „vergangenes Jahr“ geschrieben, richtig ist 2017.) Wir haben als eines von ganz wenigen Medienangeboten dazu recherchiert – der arme hungernde Eisbär war im August 2017 aufgezeichnet worden und im Dezember 2017 ging das Video „viral“, heißt, es erreichte eine enorme Verbreitung.
Ob der Eisbär hungerte oder einfach nur krank oder verletzt oder alt war, weiß bis heute kein Mensch. Und nur die, die das Machwerk angefertigt hatten, wissen, wie hoch die Summe der Spenden war.
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Und jetzt raten Sie mal, wie wir herausgefunden haben, dass mit der Botschaft war faul ist? Ganz einfach: Recherche. Erste Frage: Woran erkennt man einen hungernden Eisbären? Und weiter: Wo ist das Video gedreht? Wann? Von wem? Hat jemand den Eisbären obduziert? Und heraus kam, wie unsere Recherche aufzeigte, dass es sich um eine geschickt verpackte PR-Story handelte, um Spenden einzusammeln. Dafür gab sogar die renommierte Zeitschrift National Geographic ihren Namen her – immerhin hat man sich zaghaft korrigiert.
Dass auch die Autoren dieser Studie gerne ein „donate“ annehmen, ist nicht weiter überraschend, ebenso wenig der Zeitpunkt der Veröffentlichung in der Vorweihnachtszeit.
Links
Hier finden Sie den Text der Studie:
https://academic.oup.com/bioscience/advance-article/doi/10.1093/biosci/biz088/5610806
Hier die Liste der subscriber:
Und bei der Eingabe von „11.000 Wissenschaftler warnen vor weltweitem Klimanotstand“ in eine Suchmaschine finden Sie jede Menge „Qualitätsjournalismus“, der vollständig frei von Recherche ist.
Immerhin – offenbar gab es auch andere, die sich die „Liste“ kritisch angeschaut haben, denn auf der Kampagnenseite der Klimaaktivisten (Wissenschaftler), ist nun folgender Hinweis zu finden:
During our original signature screening process, we attempted to remove all signatures that appeared to be invalid. Although, a few invalid ones were missed. We are thoroughly reviewing the full list at the moment and will make further updates if required.
Wenn diese „Wissenschaftler“ also noch nicht mal fehlerfrei eine Namensliste prüfen können – wer glaubt da wirklich, dass diese tragkräftige Aussagen zum Klimawandel treffen können?