Stuttgart/Mannheim, 19. Juni 2019. (red/pro) Durch einen gezielten Geheimnisverrat wurde bekannt, dass im eigentlich geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium Anfang Mai das Innenministerium zur Person Rüdiger Klos Auskunft erteilte. Dieser soll zum „Flügel“ gehören, einer als „völkisch und nationalistisch“ eingestuften losen Gruppierung innerhalb der AfD. Diese Informationen können nur durch eine gezielte Beobachtung zusammengetragen worden sein. Auskünfte werden keine erteilt und bislang spricht nichts dafür, dass der Geheimnisverrat Folgen haben könnte.
Er habe seine politischen Vorstellungen „jederzeit … öffentlich dargelegt und vertreten“, der Staat dagegen verschaffe sich angebliche „Erkenntnisse“ auf Wegen, die „weder durchschaubar noch kontrollierbar“ seien. „Darüber möchte ich mein äußerstes Befremden ausdrücken“,
zitiert die Stuttgarter Zeitung 2014 aus einer Ermittlungsakte des Verfassungsschutzes. Allerdings nicht den AfD-Landtagsabgeordneten Rüdiger Klos, sondern den amtierenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Dieser betätigte sich im kommunistischen Lager, wollte Lehrer werden, woran das Oberschulamt allerdings Zweifel hatte und ihn zunächst nicht für ein Referendariat zulassen wollte. Als er dieses doch ablegen konnte, wurde erneut geprüft, als er Lehrer werden wollte. Letztlich sagte er sich vom Kommunismus los und wurde Lehrer – seine grundsätzlichen Überzeugungen behielt er bei.
Nachdem bekannt wurde, dass das Innenministerium im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) Informationen zur Person Rüdiger Klos vorgetragen hat, wollte das RNB vom Innenministerium, von der Landtagsverwaltung und vom PKG-Vorsitzenden Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) wissen, ob dies inhaltlich zutrifft, welche Maßnahmen wegen des offensichtlichen Geheimnisverrats getroffen werden und ob der Landtag staatsanwaltliche Ermittlungen zulässt, nachdem Herr Klos Strafanfzeige erstattet hat.
Die Antworten waren ähnlich – weil das PKG geheim tage, könne man sich nicht äußern. Die
Landtagsverwaltung teilte mit, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart noch nicht auf den Landtag zugekommen sei und das Innenministerium meinte:
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Sammlung und Speicherung von Erkenntnissen über Abgeordnete grundsätzlich zulässig und von den Eingriffsbefugnissen der Verfassungsschutzgesetze gedeckt. Ein solcher Eingriff in das freie Mandat unterliegt freilich besonders strengen Anforderungen. Beim Parlamentarischen Kontrollgremium handelt es sich um ein Gremium des baden-württembergischen Landtags. Das Innenministerium trägt für seinen Bereich fortlaufend Sorge dafür, die Geheimhaltung von Verschlusssachen zu gewährleisten.
Übersetzt: Ja, es könnte sein, dass der Abgeordnete überwacht wird – freilich unter besonders strengen Anforderungen -, ansonsten habe man mit dem Verrat nichts zu tun, denn das PKG liegt nicht im Bereich des Innenministeriums, das berichtet dort nur. Damit liegt der Ball wieder bei der Landtagsverwaltung und der Präsidentin Muthterem Aras (Grüne) – dass aus dem geheimen Gremium Inhalte nach außen getragen wurden, scheint diese nicht weiter zu stören.
Es wäre Frau Aras unbenommen, selbst Strafanzeige zu stellen, um herauszufinden, wer das Geheimnisverräter ist. Herr Klos vermutet, dass es Herr Sckerl persönlich ist. Der antwortet auf RNB-Anfrage:
Mit Blick auf die Geheimhaltungspflicht für die Angelegenheiten des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 16 Landesverfassungsschutzgesetz) bitte ich um Verständnis, dass mir eine Beantwortung nicht möglich ist.
Auch Herr Sckerl hätte Strafanzeige erstatten können – sitzt er doch immerhin einem geheim tagenden Gremium vor, aus dem sensible Inhalte an die Öffentlichkeit getragen werden.
Was bislang an Informationen über eine Zugehörigkeit des Abgeordneten Klos zum „Flügel“ bekannt ist, scheint mehr als dürftig zu sein. Der Besuch einer Veranstaltung und die Unterzeichnung von Erklärungen rechtfertigen dies aus RNB-Sicht nicht – was nicht heißt, dass es auch andere Informationen gibt, die eine Beobachtung möglich machen.
Problematisch ist die Angelegenheit, weil der „Flügel“ erst seit Anfang des Jahres durch den Verfassungsschutz beobachtet wird – der neue Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte die AfD als „Prüffall“ bezeichnet, wogegen sich die Partei umgehend juristisch erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht Köln gewehrt hatte. Der Verfassungsschutz darf diese Einschätzung nicht wiederholen, weil sie stigmatisierend sei. Prüfen dürfen die Verfassungsschutzbehörden weiter. Und dass so zügig nach der Einschätzung Mitte Januar 2019 bereits Anfang Mai vorgetragen wird, was umgehend auch noch öffentlich wird, könnte den Verdacht nahelegen, dass es eben um Stigmatisierung geht. Das sieht auch Herr Klos so und das ist von außen betrachtet nicht abwegig.
Die Behörden sind deshalb sehr gut beraten, hier schnell für Aufklärung zu sorgen, um nicht wie so oft in der Vergangenheit bereits den Eindruck zu hinterlassen, dass man es mit Recht und Ordnung bei der AfD nicht so genau nimmt – denn das bestätigt die AfD nur und hat in der Vergangenheit regelmäßig zu deren Erfolgen beigetragen.
Herr Klos hat das entsprechend aufgenommen und spricht von „parteipolitischer Stimmungsmache“. Da sich wegen der Geheimhaltung niemand äußern will und auch das Aufklärungsinteresse offenbar nicht vorhanden ist, macht am Ende er den Punkt, insbesondere dann, wenn er juristisch gegen eine Überwachung vorgehen sollte und Recht bekommt.
Rüdiger Klos hatte 2016 im Wahlkreis Mannheim-Nord ein Direktmandat für die AfD gewonnen.