Mannheim, 17. Mai 2017. (red/pro) Eine Mannheimer Lokalzeitung zeigt Videobilder einer Überwachungskamera und stellt einen Polizeieinsatz in Frage, bei dem ein Schäferhund durch Schüsse aus zwei Dienstwaffen in der Nacht vom 08. auf den 09. Mai getötet worden ist. Durch verschiedene Türken wird auf Facebook massiv gegen die Polizei gehetzt. Die Videoaufnahmen sind nur bedingt geeignet, um die Vorgänge schlüssig zu dokumentieren. Alle bekannten Informationen lesen Sie bei uns.
Von Hardy Prothmann
Insgesamt vier Streifen fuhren in der Nacht von Montag auf Dienstag vergangener Woche ein Objekt in der Zielstraße an, weil es einen Einbruchalarm gegeben hatte. Vor Ort erkannten Beamten beim Leuchten in ein Gebäude einen Mann, der sich wegduckte. Man forderte diesen auf, herauszukommen.
Auf dem Video sieht man, wie der Mann mit erhobenen Händen das Gebäude verlässt – und mit ihm ein Schäferhund. Nach Darstellung der Polizei (wir berichteten), wurde der Mann aufgefordert, den Hund anzuleinen, was dieser nicht befolgte. Der Hund bewegt sich zunächst zwischen den Beamten.
Zwei Beamte wurden gebissen
Was sich genau hinter einem Palettenstapel abspielt, ist nicht zu erkennen. Beamte fesseln offenbar den Mann. Dann kommt es zu “Hektik”. Vermutlich geht der Hund in der Festnahmesituation auf die Beamten los – zu sehen ist das nicht. Es soll zunächst mit Pfefferspray und Schlagstock auf den Hund eingewirkt worden sein, was aber keinen Eindruck hinterließ.
Fest steht: Ein Beamter der Hundestaffel, der im Umgang mit Hunden trainiert ist, wird ins Handgelenk gebissen – vermutlich ein Schnapper, denn der Biss hinterlässt nur oberflächliche Verletzungen. Ein anderer Beamter erleidet hingegen mehrere massive Bisse, bei denen sich die Zähne des Hundes tief ins Fleisch des Armes bohren. Der Beamte kommt ins Krankenhaus, ist seitdem dienstunfähig und muss sich auf einen wochenlangen Heilungsprozess vorbereiten.
Schwierige Wunden
Hundebisse können massive und schwer heilende Wunden erzeugen – zum einen durch zerrissenes Gewebe und zum anderen durch Bakterien im Maul. Bissverletzungen werden deshalb meist nicht genäht, sondern werden offen gehalten, um die Wunden reinigen zu können. Der Heilungsprozess muss von innen nach außen stattfinden. So nach unseren Recherchen auch in diesem Fall.
Auf dem Video ist klar zu erkennen, dass die Situation sich innerhalb von Sekunden verändert. Aus der Sicherungslage wird eine Bedrohungslage. Zwei Beamte werden gebissen und der Hund ist drauf und dran, auf weitere Beamte loszugehen, die Distanz herstellen und schießen, als der Hund sich in ihre Richtung bewegt.
Gefahrenabwehr
Insgesamt sieben Schüsse aus zwei Waffen werden auf den Hund abgegeben. Vier bis fünf Schüsse in der Bedrohungssituation, ein oder zwei Nachschüsse kurz darauf und vermutlich ein letzter Schuss auf das Tier hinter dem Palettenstapel. Ob der Hund am Boden lag oder nochmals angreifen wollte, ist nicht zu erkennen. Der Hundebesitzer behauptet, er habe acht Hülsen auf dem Hof gefunden, was schwer sein kann bei sieben Schussabgaben.
Wo der Hund getroffen wurde, ist nicht bekannt, denn das tote Tier ist weiter im Besitz des Halters. Eine behördliche Sektion hat nicht stattgefunden.
Sind sieben Schüsse “unmenschlich”?
“Unmenschlich”, wie die Zeitung den Hundebesitzer, der einen Getränkehandel betreibt und zur Tatzeit nicht vor Ort war, ist an der Situation nichts. Die Beamten machen das, worauf sie für solche Situationen ausgebildet sind. Sie schießen solange durch, bis durch einen “Wirkungstreffer” von einem Angreifer keine Gefahr mehr ausgeht.
Die Frage, ob nicht ein oder zwei Schüsse “gereicht” hätten, stellt sich nicht. Das ist ein Einsatz und keine Schießstandsituation. Es ist Nacht, der angreifende Hund ist ein kleines Ziel, bewegt sich und ist damit schwer zu treffen. Sofern die Treffer nicht letal sind, kann von einem Angreifer, egal ob Mensch oder Tier, eine weitere Gefahr ausgehen. Und solange das so ist, bleiben die Beamten schussbereit und setzen die Waffe auch ein, bis keine Gefahr mehr von einem Angreifer ausgeht.
Wenn der Hundebesitzer “nicht begreifen kann”, warum der Hund erschossen werden musste, ist ihm nicht zu helfen. Nach unseren Informationen ist der Hund durch Attacken schon mehrfach auffällig gewesen. Dies ist polizeilich dokumentiert. Hätte der bissige Hund einen Maulkorb aufgehabt, hätten die Beamten nicht zur Waffe greifen müssen.
Möglicherweise nicht korrektes Verhalten im weiteren Verlauf
Auch Behauptungen durch Türken auf Facebook, es habe sich um einen fremdenfeindlichen, rassistischen Einsatz gehandelt, ist absurd. Die Beamten waren wegen des Verdachts eines Einbruchs vor Ort – dieser Verdacht hat sich nicht bestätigt, im Einsatzverlauf entstand aber die beschriebene Bedrohung, durch die zwei Beamte verletzt worden sind.
Richtig ist, dass auf den Videoaufnahmen zwei Situationen zu sehen sind, die möglicherweise ein unkorrektes Verhalten von Beamten dokumentieren. Nach der Abgabe der Schüsse ist zu sehen, wie ein Beamter der mit Schließen hinter dem Rücken gefesselten Person aus der Lagerhalle eine Art “Backpfeife” oder “Wischer” an den Hinterkopf verpasst. Später erhält der Mann noch einen Schlag in den Rücken, als er gebückt mit dem Oberkörper auf der Motorhaube eines Einsatzwagens liegt.
Behauptungen, die gefesselte Person sei durch die Beamten mit Schlagstock und Pfefferspray angegriffen worden, sind nach Auskunft der Polizei falsch. Pressesprecher Markus Winter betont, dass der Mann von einem Polizeiarzt untersucht worden sei. Dabei seien keinerlei Verletzungen der Person festgestellt worden. Bis heute Mittag lag keine Strafanzeige gegen Polizeibeamte durch die Person vor.
Kritisch kann man aus polizeitaktischer Sicht die Situation beurteilen – die Polizisten stehen teilweise dicht im Pulk, statt sich zu verteilen. Das wird polizeiintern mit Sicherheit einer kritischen Prüfung unterzogen.
Abteilung Amtsdelikte prüft
Nach unseren Informationen prüft die Abteilung “Amtsdelikte” der Kriminalpolizei Heidelberg, ob ein fehlerhaftes Verhalten vorliegt. Möglicherweise handelt es sich im ersten Fall um eine Überreaktion, weil der gefesselte Mann provoziert hat – was nicht vorkommen sollte. Beim zweiten Schlag könnte es einen Widerstand gegeben haben, der mit einem “Schmerzpunkt” beendet werden sollte. Aus den Videoaufnahmen ohne Ton ergibt sich hier keine klare Lage. Das werden die weiteren Ermittlungen versuchen zu klären.
Die Staatsanwaltschaft Mannheim steht dazu mit der Polizei im Austausch. Laut Pressesprecherin Sandra Utt warte man die aktuell laufenden Ermittlungen der Polizei ab. Der Staatsanwaltschaft läge noch keine Akte vor.
Vorwürfe gegen die Polizei
Vorwürfe gegen die Polizei gibt es immer wieder. Und immer wieder sind diese auch gerechtfertigt. Auch Beamte machen Fehler, verhalten sich falsch oder möglicherweise sogar kriminell. In vielen Fällen sind Vorwürfe allerdings haltlos und müssen im Gesamtzusammenhang gesehen werden.
Wir erinnern hier an die Vorwürfe im Fall der “H 4-Wache”. Damals wurde ein Mann vor der Wache erstochen und es wurde behauptet, ein Beamter habe nicht geholfen. Viele Medien übernahmen diese Darstellung. Später stellte sich heraus, dass der Beamte sehr wohl in die Situation gegangen war – und zwar alleine, was eigentlich gegen die Dienstvorschriften ist, da er einsatzbedingt aber alleine auf der Wache war, hatte er keine Unterstützung. Er musste sich wegen der Übermacht der streitenden Personen zurückziehen und dann erfolgte der tödliche Stich.
Vor einigen Wochen wurde Beamten vorgeworfen, sie hätten einen “Farbigen” rassistisch misshandelt. Auch diese Vorwürfe, kolportiert durch eine Regionalzeitung, erwiesen sich als haltlos.
Beim “Kurdenkrawall” auf dem Maimarkt wurde behauptet, die Polizei hätte den Angriff provoziert. Tatsächlich hatten Beamte versucht, einem zehnjährigen Jungen eine verbotene Fahne abzunehmen und danach folgte ein koordinierter Angriff von hunderten Personen mit Steinen auf die Polizei. Rund 70 Beamte wurden verletzt.
Eine weiteres Beispiel waren die Gegendemonstrationen zu einem Parteitag der NPD in Weinheim. Auch hier behaupteten Personen aus “linken Kreisen”, die Polizei habe grundlos auf friedliche Demonstranten eingeschlagen. Videoaufnahmen wurden verfälscht und machten die Runde. Wir hatten damals aufgedeckt, dass es sich um Fake News und eine linksradikale Propaganda handelte. Die Staatsanwaltschaft Mannheim gab damals Videoaufnahmen aus den Ermittlungsakten frei, die klar die Angriffe durch gewaltbereite Antifa-Aktivisten dokumentierte. Auch hier handelte es sich um gezielte und geplante Angriffe auf die Polizei.
Auch beim Fall eines durch Polizeikugeln auf dem Berliner Platz in Ludwigshafen getöteten Mannes kamen Gerüchte auf, der Schusswaffeneinsatz sei unverhältnismäßig gewesen. Tatsächlich wurde ein Beamter unmittelbar angegriffen und erheblich verletzt und der Kollege feuerte elf Schüsse ab. Der Angreifer erlitt sieben Körpertreffer, bis er von seinem Opfer abließ. Der Mann verstarb später nicht, weil ein Treffer tödlich gewesen wäre, sondern an der Vielzahl der Treffer und der dadurch ausgelösten inneren Blutungen. Es waren aber sieben Schüsse nötig, um den Mann zu stoppen und den anderen Beamten aus der lebensgefährlichen Bedrohung herauszuholen.
(Anm. . Red.: Berichte dazu finden Sie unterhalb des Artikels verlinkt.)
Gewaltmonopol der Polizei
Klar ist: Polizeiarbeit ist keine Kindergartenveranstaltung. Die Beamten müssen häufig in Sekundenbruchteilen Situationen entscheiden. Wenn diese als bedrohlich oder gefährlich eingeschätzt werden, kommt es zur Anwendung von Gewalt, ob unmittelbarer Zwang oder auch der Einsatz von Schusswaffen.
Im vorliegenden Fall haben die Beamten aus unserer Sicht sich mit Waffen gegen eine Bedrohung durch eine Waffe gewehrt. Ein ausgewachsener und bissiger Schäferhund ist nämlich kein Schosshündchen, sondern kann im Zweifel eine gefährliche, sogar tödlicher Waffe sein. Die Beamten haben sich gegen den Hund verteidigt, nachdem zwei Beamte bereits gebissen worden waren.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen schlagen sich viele Medien aber vermehrt auf die Seiten derer, die Vorwürfe gegen die Polizei richten. Auch Privatpersonen setzen nach dem Hörensagen oder rein erfundene Informationen in die Welt – was heutzutage über soziale Netzwerke sehr einfach möglich ist. Dadurch wird vollständig verantwortungslos das Vertrauen in die Beamten gestört und Staatsverdruss provoziert. Personen werden in Medien zitiert, die als “Zeugen” oder Quellen nichts taugen – beispielsweise der Hundebesitzer. Er war in der Situation nicht dabei und kann dazu keine stichhaltigen Angaben machen. Die Behauptung, der Hund sei “grundlos” erschossen worden, wie auf einem über Facebook verbreiteten Foto behauptet wird, ist falsch.
Die Einzelheiten des Ablaufs dieses Einsatzes bedürfen noch der Klärung – solange die Ermittlungen andauern, ist vieles nur Spekulation. Die grundsätzlichen Informationen stehen jedoch fest: Verdacht eines Einbruchs, Polizeieinsatz vor Ort, zwei Beamte werden gebissen, Beamte erschießen den Hund.
Vielen, ob Medienvertretern oder Privatpersonen, die sich über soziale Netzwerke äußern, fehlt offenbar jedes Vorstellungsvermögen, in welcher gefährlichen Situation sich die Beamten befunden haben und dass Polizeibeamte mit einem erheblichen Berufsrisiko leben müssen, verletzt oder sogar getötet zu werden. Gleichzeitig wird von ihnen verlangt, was richtig ist, dass sie sich jederzeit korrekt verhalten. Das wird überprüft und wenn ein Fehlverhalten gegen die gefesselte Person im Anschluss an die Schüsse auf den Hund vorliegen sollte, wird das eine dem Umfang des möglichen Fehlverhaltens entsprechende Konsequenz haben. Davon gehen wir sicher aus.
Leider ist die Testphase der Body-Cams vorbei. Wie wichtig diese Kameras sein können, zeigt dieser Einsatz. Würden Aufnahmen der Bodycam vorliegen, hätte man weitere Informationen, um den Ablauf der Lage besser beurteilen zu können.