Ludwigshafen/Germersheim/Rhein-Neckar, 17. November 2016. (red/pro/ric) Beim Amoklauf von München setzte die Polizei auf Meldungen in mehreren Sprachen, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Ein voller Erfolg, der bundes- und weltweit Beachtung fand. Das brachte Sandra Giertzsch vom Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen auf die Idee, das Fremdsprachenpotenzial bei den Kollegen zu heben. Seit einigen Wochen twittert und facebookt die Polizei nun immer mal wieder auf Türkisch, Arabisch, Englisch oder Französisch über die sozialen Netzwerke. Auf Facebook ist daraufhin eine lebhafte Debatte über Sinn und Unsinn der neuen Methoden entbrannt.
Von Hardy Prothmann, Mitarbeit: Riccardo Ibba
Ein Post auf Facebook. In türkischer Sprache. Doch nicht von irgendwem, sondern von Nuri, einem Polizeikommisar bei der Polizeiinspektion Germersheim. Erschienen auf der Facebook-Präsenz der Polizei Rheinland-Pfalz:
Wir sprechen deutsch, aber auch türkisch, englisch, … Biz hem almanca konusuruz, hem türkçe, ingilizce,… Hi, ich heiße Nuri, bin 27 und komme aus der Südpfalz. adim Nuri ve 27 yasindayim. Rheinland-Pfalz eyaletinin güneyinde yasiyorum ve karadenizliyim,
stellt sich Nuri Uzuner vor. Er ist einer von vielen Beamten, die sich seit ein paar Wochen mit ihrer Sprachkompetenz einbringen.
Sandra Giertzsch, Polizeihauptkommissarin und Pressesprecherin Polizeipräsidium , sieht das neue Angebot ganz pragmatisch:
Wir wollen möglichst viele Menschen erreichen. Ein Beispiel: Unser deutscher Post zu einer Sicherheitsmesse in Bad Dürkheim hat rund 6000 Personen erreicht, der auf Türkisch über 20.000.
Ausschlaggebend für das Angebot waren die positiven Erfahrungen der Kollegen aus München während des Amoklaufs am 22. Juli diesen Jahres. Damals hatten die Beamten ihre Mitteilungen auf Twitter mehrsprachig angeboten, um möglichst viele Menschen zu erreichen – ob im Umfeld des Einsatzes oder auch Verwandte und Bekannte, die Informationen suchten. Das Einkaufszentrum, in dem der Amoklauf stattfand, ist ein Schmelztiegel der Nationen.
Die Amtssprache ist und bleibt deutsch
Seit dem 21. September bietet die Polizei in Rheinland-Pfalz bei größeren Einsatzlagen ihre Social Media Präsenz in mehreren Sprachen an, vornehmlich auf Türkisch:
Was wir nicht leisten können, ist ein ständiges Angebot unserer Informationen in mehreren Sprachen. Standardsprache ist und bleibt natürlich deutsch, aber bei besonderen Lagen oder Vorfällen, die möglichst viele Menschen erreichen sollen, versuchen wir, diese in anderen Sprachen anzubieten. Nicht durch staatliche Übersetzer, sondern Muttersprachler oder Kollegen, die eine Fremdsprache fließen beherrschen,
sagt Frau Giertzsch. Ein Beispiel ist eine Meldung über häusliche Gewalt vom 14. November:
Häusliche Gewalt ist ein Thema, das ich intensiv kenne und das in allen Kulturkreisen auftaucht. Häufig braucht es lange, bis Frauen sich zur Anzeige entschließen – auch deutsche Frauen, die eigentlich gut informiert sein sollten. Jetzt hatten wir einen aktuellen Fall in einer türkischen Familie und ich habe einen Kollegen gebeten, das zu übersetzen, damit wir die Chance vergrößern, auch türkische Frauen auf Hilfe aufmerksam zu machen.
Eigentlich ein vorbildliches, sinnvolles Angebot, sollte man meinen. Doch der Meinung ist nicht jeder. Im Netz ist nun eine lebhafte Debatte über Sinn und Unsinn des neuen Angebots der Polizei im Gange.
Jetzt ist die Amtssprache auch schon futsch. Armes Land,
meint ein Kommentator.
Viel Lob durch die Nutzer und Interesse auch bei anderen Präsidien
Doch die Polizei erhält auch viel Lob:
In der Tat leben wir in einem Land, das von vielen Kulturen und Sprachen bevölkert ist. Wie wundervoll, dass die Polizei die Realität erkannt hat, sich dem anpasst um einen besseren Dienst an und für die gesamte Bevölkerung leisten zu können.
Gabriel Geier ist ein Beispiel für einen nicht-native-Speaker. Er hat Verwandtschaft in Amerika und war Austauschschüler in England – sein Englisch ist fließend in Wort und Schrift.
Doch der neue Service hat auch gleich zahlreiche Tücken hervorgebracht, sagt Sandra Giertzsch, denn viele deutsche Wörter bereiten Schwierigkeiten:
Übersetzen Sie mal „einbruchshemmendes Einsteckschloss“ – da hätten Sie mal die Gesichter der Kollegen sehen sollen,
sagt sie und lacht.
Klar ist – die Beamten müssen die Sprachen nicht auf „Schul-Niveau“, sondern wirklich perfekt beherrschen. Im Präsidiumsbereich wurden alle 2.000 Beamten dazu angeschrieben. Übrig blieben rund 30 Polizisten, die bei der Pressestelle dann einige Tage geschult werden, um im Ernstfall genau zu wissen, wie sie zu kommunizieren haben. Unübersetzbare Fachbegriffe werden dann umschrieben.
Das Projekt des Polizeipräsidiums Rheinpfalz wird auch von den anderen Präsidien mit Wohlwollen betrachtet. In Zukunft werden weitere Präsidien den Service übernehmen und auf der landesweiten Facebook-Seite der Polizei Rheinland-Pfalz anbieten. Gerüchteweise hört man, dass es demnächst auch ein Angebot „uff pälzisch“ geben soll, damit auch diese Volksgruppe muttersprachlich erreicht wird… 😉
Anm. d. Red.: Wir bitten die nicht korrekten Schriftzeichen zu entschuldigen. Unser System hat damit technisch Schwierigkeiten.
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