Heidelberg/Rhein-Neckar, 17. Mai 2013. (red/pol) Ermittlungserfolg für die Polizei: Am Mittwochnachmittag wurde ein 32 Jahre alter Mann festgenommen. Der mutmaßliche Sextäter schweigt bislang. Die Polizei geht von mindestens vier sexuellen Übergriffen auf Frauen in betagtem Alter zwischen 69 und 99 Jahren aus – möglicherweise gibt es weitere Opfer.
Von Hardy Prothmann
Nach unseren Informationen ist die Indizienlage sehr „dicht“. In der Nacht vom vergangenen Samstag verschaffte sich der mutmaßtliche Sexualstraftäter Zutritt in ein Altenheim im Stadtteil Kirchheim ein. Insgesamt vier Mal soll er sich an Frauen im Alter zwischen 69 und 99 Jahren vergangen haben. Drei Vergewaltigungen stehen fest – das vierte Opfer ist dement, weshalb die Polizei diesen Übergriff noch nicht sicher feststellen konnte. Zu den Taten macht die Polizei aus Rücksicht auf die Opfer keine näheren Angaben.
Eine Angestellte des Nachtdienstes überraschte vergangenes Wochenende den Mann auf dem Flur und sprach ihn an. Der Vergewaltiger flüchtete daraufhin. Der Eingangsbereich der Einrichtung, in der 51 Plätze vom betreuten Wohnen bis zur Pflege angeboten werden, ist kameraüberwacht und hat den mutmaßlichen Vergewaltiger aufgezeichnet.
Gibt es noch weitere Opfer?
Der Serienvergewaltiger hatte bereits Anfang Mai in der Senioreneinrichtung „Am Dorf“ eine 75-jährige Frau vergewaltigt, die den Angreifer aber irgendwann abwehren konnte und laut um Hilfe rief, woraufhin der Täter flüchtete. Nach Angaben des Opfers wurde daraufhin ein Phantombild veröffentlicht, um nach dem Mann zu fahnden: Etwa 30 Jahre alt, 1,70 groß.
Am Mittwoch erkannte eine Streifenbesatzung in der Pleikartsförster Straße in unmittelbarer Nähe des Seniorenheims einen Mann, auf den die Beschreibung passte. Der 32-jährige wurde daraufhin vorläufig festgenommen. In der Wohnung fand die Polizei dann Kleidungstücke, die mit denen auf der Videoaufnahme übereinstimmten. Die Kriminalpolizei untersucht derzeit die Kleidung auf beweisfähige Spuren. Zuvor hatte die Polizei nach vorausgegangen Taten die Streifen verstärkt und Tatorte observiert, was zunächst keinen Erfolg gebracht hatte. Umso erleichterter ist man nun, den mutmaßlichen Serienvergewaltiger geschnappt zu haben.
Beide Senioreneinrichtungen in Kirchheim liegen in unmittelbarer Nähe der Pleikartsförster Straße. Im benachbarten Heidelberg-Rohrbach befinden sich weitere Seniorenwohnheime – auch dort hat der Täter mindestens einmal zugeschlagen. Ob es noch weitere Opfer gibt, ermitteln derzeit das Dezernat für Sexualdelikte und die Staatsanwaltschaft. Bereits am 22. August 2012 hatte der Mann eine Seniorin vergewaltigt. Die Ermittlungen sind schwierig wie im Fall des dementen Opfers. Auch die Scham der Opfer sich zu äußern könnte ein Grund sein, dass weitere Strafttaten unentdeckt bleiben. Hier sind auch Familienangehörige aufgerufen, entsprechende Hinweise oder Verdachtsmomente der Polizei zu melden.
Die Geschäftsleitung eines der betroffenen Häuser hat sich uns gegenüber betroffen gezeigt: „Eigentlich haben wir uns bislang Sorgen wegen Einbrechern gemacht – aber es gibt nichts, was es nicht gibt.“
Schlimme Erinnerungen
Man könne das Seniorenheim nicht hermetisch abriegeln und 100-prozentigen Schutz gewährleisten, denn schließlich seien die Einrichtungen auch für Angehörige und Freunde zugänglich und der Kontakt zu Menschen für die Bewohner/innen wichtig. Unter den Menschen im betreuten Wohnen gebe es auch einige, die selbständig ein und aus gingen. Nachts sei die Einrichtung für Unberechtigte eigentlich nicht zugänglich – wie sich der Täter Zugang verschafft hat, sei Gegenstand der Ermittlungen.
„Wir haben den Opfern natürlich sofort eine psychologische Seelsorge angeboten, die auch angenommen worden ist.“ Die Bewohner/innen zeigten sich nach Darstellung des Geschäftsführers erstaunlich gefasst: „Klar redet man darüber, um den Schrecken zu verarbeiten.“ Bitter: Im Zusammenhang mit der aktuellen Tat seien zudem bei zwei Bewohnerinnen Erinnerungen an den Krieg und damalige Vergewaltigungen hochgekommen. Auch diese Frauen werden psychologisch betreut.
Die sexuelle Fixierung auf alte Menschen wird als Gerontophilie und bezeichnet eine Störung der Sexualpräferenz. Dem 32-jährigen Tatverdächtigen droht, sofern ihm die Taten nachgewiesen werden können, eine Haftstrafe zwischen zwei und zehn Jahren. Bislang war der Mann nach Erkenntnissen der Polizei nicht aufgefallen.