Mannheim, 17. Dezember 2014. (red/ek) Lange wurde um ihn gerungen und gestritten. Der bundes- und brancheneinheitliche Mindestlohn in Höhe von 8,50 pro Stunde kommt ab dem 01. Januar. Gestern informierte die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband Spedition und Logistik Baden-Württemberg e.V. Unternehmer aus dem Transportgewerbe über die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Nicht der Mindestlohn sei für das Gewerbe problematisch, sondern die dann geltende neue Haftungsregelung und der hohe bürokratische Aufwand.
Von Enrico Kober
Der am 01. Januar in Kraft tretende Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro gilt für alle Arbeitnernehmer, auch geringfügig Beschäftigte in Deutschland und Arbeitnehmer, die für ein deutsches Unternehmen im Ausland tätig sind. Dabei gilt nicht die vertraglich vereinbarte sondern die tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Eine pauschale Entlohnung, die saisonbedingte Mehr- oder Minderarbeit beinhaltet ist somit nicht mehr zulässig, da die tatsächlich geleistete Arbeitszeit im jeweiligen Monat maßgeblich ist.
Keinen Anspruch auf Mindestlohn haben nach § 22 Mindestlohngesetz (MiLoG) Praktikanten im Rahmen eines Pflichtpraktikums. Ebenfalls ausgenommen sind Praktikanten, deren Praktikum nicht länger als drei Monate dauert und der Berufsorientierung dient. Auch Einstiegsqualifikationen und Berufsausbildungsvorbereitungen bleiben vom Mindestlohn unberührt. Für ungelernte Arbeitskräfte unter 18 Jahren gilt der Mindestlohn generell nicht. Langzeitarbeitslose haben in den ersten sechs Monaten einer Neubeschäftigung ebenfalls keinen Anspruch auf 8,50 Euro.
Mindestlohn auch für Ausländer
Die Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar (IHK) führte am Dienstag in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeberverband Spedition und Logistik Baden-Württemberg e.V. (AVSL) eine Informationsveranstaltung durch, um ihre Mitglieder über die neuen gesetzlichen Regelungen zu informieren.
Wie problematisch die neue Rechtslage werde erläuterte die Rechtsanwältin Elisabeth Schwartländer-Brand vom ASVL den rund 100 Gästen in ihrem Vortrag „Neue rechtliche Herausforderungen für Spedition und Logistik“.
Mit dem Mindestlohn scheint sich der Branchenverband weitgehend abgefunden zu haben. Als „problematisch“ bezeichnete Frau Schwartländer-Brand dagegen die Situation bei ausländischen Unternehmen, die in Deutschland tätig sind. Für diese gilt der Mindestlohn genauso wie für Arbeitnehmer deutscher Unternehmen. Auch für den Fall, dass Deutschland nur Transitland ist.
Fährt ein polnischer LKW beispielsweise von Warschau nach Paris, müsse der polnische Fahrer für die Arbeitszeit auf deutschem Hoheitsgebiet nach dem MiLoG bezahlt werden. Nicht die Bezahlung als solche stelle ein Problem dar, sondern die sich aus § 13 des MiLoG ergebende Haftung des Auftraggebers bringe unkalkulierbare Risiken mit sich, sagte Frau Schwartländer-Brand.
Spediteur und Subunternehmer haften
So verweist das MiLoG bei der Haftung des Auftraggebers auf § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG). Dort heißt es:
Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen …
Laut Frau Schwartländer-Brand ist es im Transportgewerbe üblich, dass der Spediteur selbst kaum Fahrzeuge unterhält und die Transportaufträge an Nachunternehmer, sogenannte Subunternehmer weitervergibt. Unter Umständen gibt auch dieser den Auftrag an einen weiteren Subunternehmer weiter, die Liste ließe sich beliebig erweitern.
Genau hier beginne das Haftungsproblem. Der Spediteur müsse sich nicht nur auf das gesetzeskonforme Verhalten seines Subunternehmers verlassen. Sondern auch auf das möglicher weiterer Subunternehmer, mit denen er in keinerlei Geschäftsbeziehung stehe und von deren Existenz er oftmals auch gar keine Kenntnis habe.
Auftraggeber immer in der Haftung
Insbesondere wenn der Subunternehmer aus einem Land mit einem geringeren Lohnniveau komme, sei es nach Schwartländer-Brand für die deutschen Auftraggeber unmöglich, die Einhaltung des Mindestlohngesetzes nachzuvollziehen. Auch wenn der Auftraggeber sich vom Subunternehmer die Einhaltung des Mindestlohns schriftlich bestätigen lasse, sei er nicht aus der Haftung entlassen.
Erhalte der Fahrer des schlussendlich tatsächlich leistenden Subunternehmens weniger als den Mindestlohn, könne er klagen, sagte sie. Er könne nach eigenem Ermessen ein Unternehmen seiner Wahl aus der Kette von Speditionen und Nachunternehmern auf Zahlung der Lohndifferenz verklagen. Die Rechtsanwältin erklärte den anwesenden Unternehmern:
Das gilt rückwirkend für die Dauer von drei Jahren. Sie können in so einem Fall das Geld von demjenigen zurückfordern, der die zu geringe Entlohnung zu verantworten hat. Sollte das Unternehmen zwischenzeitlichen insolvent oder aufgelöst worden sein, bleiben Sie allerdings auf den Kosten sitzen.
Nur der ursprüngliche Auftraggeber – der Verlader – könne sich der Haftung entziehen, wenn der Transport nicht zu seiner eigentlichen Geschäftstätigkeit gehöre. So stehe beispielsweise ein Produktionsbetrieb nicht in der Haftung, ein Versandhändler wie zum Beispiel Amazon allerdings schon, sagte die Rechtsanwältin.
Hoher bürokratischer Aufwand
Weiterhin ging Frau Schwartländer-Brand auf den sich aus § 17 MiLoG ergebenden hohen bürokratischen Aufwand ein. So sei der Unternehmer ab kommenden Jahr verpflichtet, für jeden seiner Arbeitnehmer/innen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit zu dokumentieren und für zwei Jahre aufzubewahren. Durch die im Fahrzeug eingebauten Fahrtenschreiber sei dies nach der Referentin im Bereich der Fahrer weitgehend unproblematisch.
Anders sehe dies jedoch bei kaufmännischen Angestellten aus. Hier seien oft Wochenstunden oder eine Vertrauensarbeitszeit im Arbeitsvertrag vereinbart. Ab dem 01. Januar müssten die Unternehmen auch für diese Mitarbeiter die Arbeitszeiten aufzeichnen und dokumentieren. Ansonsten drohe ein Bußgeld.
Nach § 16 MiLoG müssen ausländische Firmen, die Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen diese zuvor bei der Zollverwaltung anmelden. Hierfür muss der Name des Arbeitnehmers, das Geburtsdatum, Beginn und Dauer der Beschäftigung und der Beschäftigungsort angegeben werden. Zudem muss der Ort an dem die erforderlichen Unterlagen liegen und eine verantwortliche Person in Deutschland angegeben werden. In einer Branche wie dem Transportgewerbe sei dies nur schwer umsetzbar, sagte die Rechtsanwältin. Durch die teilweise sehr kurzfristige Auftragsvergabe von einem Subunternehmer zum nächsten stünde das Gewerbe hier vor einer großen Herausforderung.
Vereinfachungen möglich – Ablauf unklar
Zwar gebe es Vereinfachungen, die eine Vorausanmeldung für sechs Monate möglich mache, aber wie das Verfahren ablaufen soll, sei bisher völlig unklar. Weder gäbe es Formulare für die Anmeldung, noch eine E-Mailadresse oder eine Internetseite über die man die gewünschten Daten angeben könnte. Wie groß das Problem sei verdeutlichen nach Frau Schwartländer-Brand die Daten aus der Autobahnmaut. Rund 40 Prozent der in Deutschland gefahren LKW-Kilometer würden durch ausländische Unternehmen erbracht.
Nicht der Mindestlohn sei das Problem. Dieser sei von einem Großteil der Unternehmen bereits umgesetzt worden, sagte uns der IHK Leiter für Handel, Verkehr und Dienstleistungsgewerbe, Artin Adjemian, am Rande der Veranstaltung. Die Branche mache sich viel mehr Sorgen um den – aus seiner Sicht – ausufernden Verwaltungsaufwand. Besondere Unsicherheit herrsche in Bezug auf die neuen Haftungsregelungen. Das sich daraus ergebene Risiko sei für den Unternehmer unkalkulierbar.