Rhein-Neckar, 17. November 2017. (red/pro) In der Berichterstattung zum Prozess gegen heranwachsende Angeklagte, die einen Mann brutal zusammengeschlagen haben, läuft einiges schief. Vor allem, dass schon lange vor dem Urteil klar ist, wer wie schuldig sein könnte. Ein Geschmäkle besonderer Art kommt auf, wenn bekannt wird, dass eine aktive Berichterstatterin die Ehefrau eines Strafverteidigers ist. Um den Popanz abzurunden, werden immer gleiche Muster ausgeliefert, die nichts mit Recherche und Journalismus zu tun haben. Wenn dann mutmaßlich noch Befangenheit dazu kommt, wird es ganz übel. Eine Anklageschrift.
Von Hardy Prothmann
Sehr geehrte Frau Kollegin Sarah Hinney. Sie müssen ab sofort raus sein aus dem Geschäft um die Berichterstattung zu diesem Prozess. Sofort. Ohne jeden Kompromiss. Sie sind mit einem der Strafverteidiger verheiratet. Das geht so gerade mal gar nicht.
Wir kennen uns vom Namen und auf Sicht, aber eigentlich gar nicht. Ich habe Sie heute auf den Konflikt angesprochen.
Sie haben sehr aggressiv reagiert. Selbstverständlich.
Das ehrt Sie sogar – denn Sie wissen offenbar, dass Sie eigentlich wegen Befangenheit nicht für den Mannheimer Morgen und die Weinheimer Nachrichten berichten dürften. Sie haben also so etwas wie Restgewissen.
Sie tun es aber trotzdem. Warum? Diese Frage konnten Sie mir leider nicht beantworten. Ich konnte Sie nicht stellen, weil Sie am Donnerstag einer Diskussion durch räumliche Entfernung kurz nach meiner Kontaktaufnahme aus dem Weg gingen.
Befangenheiten? Fehlanzeige
Die Debatte gilt aber nicht zuvörderst Ihnen, sondern der redaktionellen Leitung der Medien, für die Sie arbeiten.
Sie meinten, „jeder weiß, wie Strafverteidiger Hinney und ich verbunden sind“.
Sorry, ich wusste das nicht, weil ich mich grundsätzlich nicht für private Verhältnisse interessiere. Erst dann, wenn diese öffentlich relevant sind.
Und eine Journalistin, die über einen sehr prominenten Prozess berichtet, an dem deren Mann inhaltlich qua Funktion beteiligt ist, ist für mich nicht mehr „privat“, sondern öffentlich relevant. Deshalb habe ich Sie angesprochen.
Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich persönlich zutiefst irritiert bin, dass Sie das ausweislich unseres kurzen Gesprächs, das vor allem durch Sie sehr aggressiv geführt worden ist, nicht verstehen.
Massiver Schaden
Sie haben in diesem Gerichtssaal als Berichterstatterin nichts, aber auch gar nichts verloren.
Denn Sie beschädigen allein durch einen möglichen Verdacht nicht nur den Journalismus, sondern auch die Justiz.
Ich mag Ihnen Verantwortung abnehmen, denn Sie entscheiden nicht alleine. Eigentlich verantwortlich sind die Redaktionsleiter und am Ende Herr Chefredakteur Dirk Lübke.
Nehmen wir an, Sie seien als Gerichtsreporterin „das beste Pferd im Stall“ – was Sie ausweislich Ihrer Expertise nicht sind, aber mal angenommen -, dann gäbe es trotzdem einen klaren Konflikt, den man nur durch eine hohe Transparenz und klare Abgrenzung lösen könnte.
Tatsächlich muss man ausweislich Ihrer Berichte den Eindruck haben, dass Sie Internas wissen, die andere Journalisten nicht wissen können.
Wir stellen Transparenz beispielsweise immer durch Hinweise der Redaktion her.
Journalismus braucht Unabhängigkeit
An dieser Stelle beende ich das. Der gesamte MM liest bei uns mit. Die WNOZ auch. Wir haben das schon so oft durchgekaut. Beide Redaktionsleitungen wollen nicht verstehen und reagieren wie Sie negativ-aggressiv auf gebotene Kritik.
Es geht mir in dieser Zuschrift aber vor allem um inhaltliche Qualität.
Sie schreiben – verzeihen Sie, dass ich das als Schwachsinn bezeichne – von „kaum zehn verhängnisvollen Minuten“. Auch andere Medien verbreiten „traditionell“ solchen Blödsinn. Die allermeisten Körperverletzungen, ob einfach, schwer oder bis hin zum Mord, dauern oft nur wenige Sekunden.
Sie und andere Journalisten haben leider grundsätzlich kein bis ein eingeschränktes Wissen um Gewaltdelikte. Schauen Sie bitte weniger Actionfilme. Besser wäre eine Arbeit, die recherchebasiert ist.
Qualen können in Sekunden passieren oder über Jahre. Man kann da kein Schema anlegen. Man muss immer differenzieren. Was in diesem „Fall“ von Ihnen wie von anderen nicht geleistet wird.
Abstand halten
Sie, Frau Hinney, leisten schlechte Arbeit, obwohl Sie mit Expertenwissen verheiratet sind. Andere, die sich Expertenwissen verschaffen könnten, ohne damit verheiratet zu sein, leisten schlechte Arbeit, weil sie halt nicht gut arbeiten. Sie wären durch Abstand halten gut beraten.
Unser journalistischer Auftrag ist eine möglichst neutrale, objektive und umfassende Information der Öffentlichkeit. Subjektive Sichten und Konflikte sind häufig unausweichlich. Das ist solange kein Problem, solange man das transparent macht.
Das machen Sie nicht, Frau Hinney, ihr Mann nicht und auch nicht der Mannheimer Morgen und die Weinheimer Nachridchten und auch nicht der Bergsträßer Anzeiger.
Und das ist schlecht.
Alle Betroffenen sollten darüber mal nachdenken.
Damit meine ich auch explizit Leser/innen dieser Medien.