Mannheim, 17. September 2015. (red/hmb) Die SPD ist der Meinung, dass den vier großen Kultureinrichtungen Mannheims von Seiten der Stadt zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Finanzielle Unterstützung erhalten vor allem das Nationaltheater, die Reiss-Engelhorn-Museen, die Kunsthalle und das Technoseum. Der Fokus vieler Menschen hingegen läge nicht mehr nur auf den kommunalen Einrichtungen, sondern verlagere sich immer mehr auf das Angebot der Freien Szene. Thorsten Riehle hat daher ein Positionspapier veröffentlicht, dass die neuen Forderungen der SPD verdeutlicht: In Zukunft sollen die Einrichtungen der Freien Szene mehr gefördert werden um die kulturelle Vielfalt Mannheims zu unterstützen und sich an den Bedürfnissen von zahlreichen Bürgern zu orientieren.
Interview: Hannah-Marie Beck
Guten Tag Herr Riehle! In Ihrem Positionspapier „Inspiration! Freie Szene stärken“ schreiben Sie, dass auch Großkonzerte der SAP Arena als kulturell bereicherndempfunden werden. Da stimme ich Ihnen vollkommen zu, aber braucht die SAP Arena wirklich eine finanzielle Unterstützung durch die Stadt?
Thorsten Riehle: Die SAP-Arena ist kein Teil der Freien Szene und benötigt sicher keine finanzielle Unterstützung, aber sie wird von der Stadt zu wenig anerkannt. Dabei ist die SAP Arena ein Anziehungspunkt für viele Menschen, die teilweise aus großen Entfernungen nach Mannheim reisen, um bei den Konzerten dabei zu sein. Der Fokus der städtischen Förderung liegt auf den vier großen Kultureinrichtungen Mannheims – damit wird die Vielfältigkeit an Kulturangeboten der Stadt nicht ausreichend wahrgenommen. Die Freie Szene macht schließlich auch einen großen Teil der Mannheimer Kultur aus.
Welche kulturellen Einrichtungen sind denn alles Teil der Freien Szene?
Riehle: Alle Einrichtungen, die nicht der Stadt Mannheim gehören und daher auch nicht primär gefördert werden. Sie machen nicht Hochkultur, sondern Kleinkultur.
Wo sehen Sie sich als Geschäftsführer des Capitols – als Teil der Freien Szene? Unterstützen Sie sich dann selbst, indem sie die Freie Szene unterstützen?
Riehle: Natürlich gehört auch das Capitol zur Freien Szene. Abgesehen von einigen, einmaligen Unterstützungen großer Projekte, kann es sich aber weitestgehend selbst finanzieren. Das kommt vor allem daher, dass das Capitol von Sponsoren und Unternehmern unterstützt wird. Hätten wir diese Unterstützung nicht, wären wir auch nicht in der Lage, uns selbst zu finanzieren.
„Das Eine tun, aber das Andere nicht lassen“
Haben kulturelle Einrichtungen der Freien Szene Unterstützung denn wirklich nötig? Warum können sie sich nicht aus eigenen Mitteln finanzieren?
Riehle: Kultur ist nicht primär auf finanziellen Gewinn ausgerichtet, das soll es auch nicht sein. Viel wichtiger ist es, kulturellen Anspruch zu verwirklichen und damit unsere Gesellschaft zu bereichern. Bei dem, was das Publikum bereit ist an Eintritt zu zahlen, fällt es oftmals schwer, kostendeckend zu arbeiten. Als Kulturmetropole sollten wir den kulturellen Einrichtungen der Freien Szene die Möglichkeit, bereichernde Projekte umzusetzen, durchaus bieten können. Die Vielfältigkeit des Angebots ist schließlich eine große Bereicherung für die Stadt Mannheim.
Wie möchten Sie diese neue Unterstützung bezahlen? Geht die Förderung der Freien Szene dann nicht zu Lasten der vier großen Kultureinrichtungen? Schließlich haben diese bisher die größte finanzielle Unterstützung erhalten.
Riehle: Unser Ziel ist es, das Eine zu tun, aber das Andere nicht zu lassen. Eine Umverteilung ist natürlich nicht sinnvoll. Auf Antrag der SPD wurde allerdings bereits 2012 eine Million Euro für die Freie Szene zugesichert. Diese Summe soll über zehn Jahre hinweg verteilt werden. Jährlich gehen daher 100.000 Euro an kulturelle Einrichtungen der Freien Szene. Problematisch ist allerdings, wie dieser Betrag in den letzten Jahren verteilt wurde: Es wurden Löcher gestopft, neue Projekte hingegen konnten kaum gefördert werden. Stattdessen müssen wir feststellen, dass im vergangen Jahr sogar weniger Kulturprojekte durch die Projektmittelförderung unterstützt werden konnten. Das Geld wurde einfach falsch verteilt: Anstatt mehreren Einrichtungen der Freien Szene kleine Beträge zu geben, gab es größere Beträge für zwei, drei Einrichtungen. Wenn wir das Geld in den nächsten Jahren also besser verteilen, benötigen wir gar keine weiteren finanziellen Mittel.
Zusammensetzen statt einschränken
Sie fordern ausdrücklich, dass die Stadtverwaltung der Rahmengeber sein sollte und der Freien Szene nicht im Wege stehen darf. Häufig geschieht dies durch Diskussionen um Lärmschutz, Sicherheit oder Sauberkeit. Denken Sie, dass in diesen Fällen von Seiten der Stadt aus eine Verbesserung überhaupt möglich ist?
Riehle: Ja, durchaus! Man müsste die Dinge einfach anders diskutieren. Wenn kleinere Einrichtungen ein eigenes Projekt anmelden, dann ist sofort der Reflex da, dieses auf den Prüfstand zu stellen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum gerade diese kleinen Projekte von der Stadt häufig als störend und problematisch empfunden werden. Man versucht den Veranstalter zu behindern, er wird von der Stadtverwaltung herbeizitiert – das bedeutet für beide Seiten nur unnötigen Aufwand.
Können Sie ein Beispiel für diese Erschwernis durch die Stadtverwaltung nennen?
Riehle: Ein hervorragendes Beispiel ist der Kulturkiosk in der Neckarstadt: Nachdem dieser neu eröffnet worden war, gab es sehr viele Lärmbeschwerden. Oft endet das übel. Hier haben allerdings Kulturschaffende und Anwohnerauf Initiative von Quartiermanagement und uns miteinander über das Problem gesprochen. Bei diesem Treffen kam heraus, dass es gar nicht um die Lautstärke an sich, sondern vor allem um den Bass ging. Man konnte sich einigen und eine Lösung finden, mit der beide Seiten leben können. Die Reaktion der Stadt hingegen wäre es gewesen, die Öffnungszeiten stark einzuschränken. Das hätte keine Lösung für den Kulturkiosk dargestellt. Man sollte sich gerade in solchen Fällen zusammensetzen, statt einzuschränken und zu blockieren.
„Es ist ja keine sonderlich utopische Forderung“
Welche Maßnahmen wollen Sie zur Förderung der Freien Szene genau ergreifen?
Riehle: Wir wollen eine eigene Personalstelle im Kulturamt als Ansprechpartner für die Freie Szene errichten. Sie soll eine Hilfe bei der Erstellung von Wirtschaftsplänen und der Planung von Budgets sein. Außerdem sollen die bereits genehmigten Geldbeträge für die freie Szene in Zukunft besser verteilt werden. Es wäre auch wünschenswert, dass mehr Zuschüsse von Land und Bund nach Mannheim gehen oder auch Stiftungen und Sponsoren auf die Arbeit vor Ort aufmerksam gemacht werden. Obwohl wir hier ein so großes kulturelles Angebot haben erhalten wir noch vergleichsweise wenige Gelder von Oben.
So eine Personalstelle kann ja gut 40.000 Euro im Jahr kosten, wie wollen Sie diese finanzieren?
Riehle: Wir hoffen, dass wir diese Stelle aus dem Gesamthaushalt für den Kulturbereich finanziert bekommen. Von den 100.000 Euro, die zur Projektförderung der freien Szene zur Verfügung stehen, kann man diese natürlich nicht auch noch finanzieren.
Bis wann wollen Sie die Maßnahmen umsetzen? Denken Sie, dass Sie für Ihre Forderungen eine Mehrheit im Gemeinderat erhalten, oder haben Sie Bedenken?
Riehle: Das dauert noch eine Weile. Es ist ein langwieriger Prozess, aber wir werden darum kämpfen und diskutieren. Erst im Dezember, bei den Haushaltsberatungen, wird es eine Entscheidung geben. Ich habe eigentlich keine Bedenken, dass sich jemand dagegen aussprechen könnte. Es ist ja keine sonderlich utopische Forderung – gerade weil wir kaum weitere Finanzmittel benötigen.