Mannheim/Heidelberg/Rhein-Neckar, 17. September 2014. (red/ld) Dass sich Jugendliche nicht für Politik interessieren, ist ein Vorurteil, das sich bei der zurückliegenden Kommunalwahl nicht bestätigt hat. Zwar lag die Wahlbeteiligung der Jugendlichen in den großen Städten Baden-Württembergs meist unter dem Durchschnitt. Doch am schlechtesten schnitt eine andere Altersgruppe ab. Und das ist nicht die einzige Überraschung an der Auswertung.
Von Lydia Dartsch
Bock auf Wahl oder keinen Bock? Das ist die Frage, die sich Jugendliche bei der Kommunalwahl im Mai stellen mussten. Nachdem der Landtag am 11. April 2013 das Wahlalter für die Kommunalwahl auf 16 Jahre gesenkt hatte, durften Jugendliche nun bei der Kommunalwahl ihre Stimme abegeben. Wir haben in den größeren Städten Baden-Württembergs nachgefragt, wie hoch die Wahlbeteiligung bei den 16- bis 17-Jährigen war.
Fast überall lag sie unter der gesamten Wahlbeteiligung, jedoch meist deutlich über dem Niveau der jungen Erwachsenen. In Mannheim beispielsweise gingen 30,6 Prozent der Jugendlichen zur Wahl. Demgegenüber steht eine gesamte Wahlbeteiligung von 38,7 Prozent. In Heidelberg gingen sogar 40,5 Prozent der wahlberechtigten Jugendlichen an die Urnen. Insgesamt wählten dort 50,68 Prozent der Wahlberechtigten.
Mehr Bildung, mehr Beteiligung
Damit wählten anteilig mehr Jugendliche als erwachsene Erstwähler. Nur 29,4 Prozent der 18- bis 20-Jährigen und 28,8 Prozent der 21- bis 24-Jährigen gingen in Mannheim zur Wahl. In Karlsruhe nahmen nur 39,3 Prozent der 18- bis 24-Jährigen teil und in Stuttgart waren es 35 Prozent der 18- bis 21-Jährigen und nur 33,8 Prozent der 21- bis 25-Jährigen. In Ulm gingen nur 26 Prozent der 18- bis 25-Jährigen wählen. Für Heidelberg und Freiburg liegt eine weitere Altersdifferenzierung nicht vor.
Die Jugendlichen seien bei der ersten Wahl stärker interessiert, als angenommen, sagt Petra Seidelmann vom Fachbereich Rat, Beteiligung und Wahlen der Stadt Mannheim. Allerdings lasse sich das Ergebnis zwischen den einzelnen Wahlbezirken weiter differenzieren. Es zeige sich, dass Jugendliche dann zur Wahl gingen, wenn auch ihre Eltern zur Wahl gehen: „Das Wahlverhalten richtet sich stark nach der Sozialraumtypologie„, sagt Frau Seidelmann. Demnach war die geringste Wahlbeteiligung in der Neckarstadt zu sehen (Typ 5) und die höchste in Wallstadt (Typ 1).
Junge Erwachsene sind die Wahlfaultiere
Den Einbruch der Wahlbeteiligung bei jungen Erwachsenen könne man daran erklären, dass viele von ihnen in diesem Alter einer Ausbildung nachgehen, sagt Frau Seidelmann. Meist zögen sie dafür in andere Städte, blieben aber bei ihren Eltern gemeldet: „Sie kümmern sich dann nicht so stark um das Geschehen in ihrer Kommune“, sagt sie.
Ähnliche Ergebnisse wie für Mannheim und Heidelberg findet man in Karlsruhe. Lag dort die Wahlbeteiligung insgesamt bei 47 Prozent, schnitten die 16- bis 17-Jährigen mit 42,1 Prozent nur knapp schlechter ab. In der Landeshauptstadt Stuttgart gingen 41 Prozent der Jugendlichen zur Wahl und lagen dort knapp unter der gesamten Wahlbeteiligung von 46,6 Prozent. Ähnliche Ergebnisse gibt es für Bruchsal, Ludwigsburg, Pforzheim und Sindelfingen.
Kampagne „Wählen ab 16“ erfolgreich
In Freiburg und Ulm war die Wahlbeteiligung der Jungwähler sogar höher als die gesamte Wahlbeteiligung. Nach einer Erhebung des deutschen Städtetages gingen in Ulm 52,4 Prozent der Jugendlichen wählen, während die gesamte Wahlbeteiligung bei 46,4 Prozent lag. In Freiburg gaben sogar 58 Prozent der Jugendlichen ihre Stimmen ab, bei einer Gesamtwahlbeteiligung von 51,4 Prozent.
„Offenbar hat man es in Freiburg besser geschafft, die Jugendlichen anzusprechen“, sagt Petra Seidelmann und kündigt an, dass man sich in den kommenden Wochen mit der Stadtverwaltung in Freiburg zusammenzusetzen werde, um die Gründe für die hohe Wahlbeteiligung zu erörtern. Dennoch hätte die Wahlkampagne des Stadtjugendrings „Wählen ab 16“ mit Aktionen wie Podiumsdiskussionen, Kandidaten-Speed-Dating und der Präsenz an Schulen Erfolge erzielt, sagt sie: „Eine so hohe Wahlbeteiligung der Jugendlichen hätten wir sonst nicht gehabt.“
Überdurchschnittlich oft gingen ältere Menschen ab 50 Jahre wählen. So lag die Beteiligung bei Menschen zwischen 50 und 59 Jahren in Mannheim bei 40,7 Prozent, in Karlsruhe bei den 40- bis 59-Jährigen bei 48,1 Prozent und in Stuttgart wählten 49,6 Prozent der 50- bis 60-Jährigen. Am höchsten lag die Wahlbeteiligung bei Menschen über 70 Jahre: In Mannheim bei 49,1 Prozent, in Karlsruhe bei 60,3 Prozent und in Stuttgart bei 55,3 Prozent. Ein Ergebnis, das Petra Seidelmann von der Stadt Mannheim nicht überrascht:
Ich habe den Eindruck, dass bei der älteren Generation das Wählen als selbstverständlich und als Bürgerpflicht gilt.