Mannheim, 17. Juli 2016. (red/pol/pro) Am frühen Sonntagmorgen raubte ein bislang unbekannter Täter die Handtasche einer jungen Frau. Diese verhielt sich unvernünftig und hat möglicherweise Glück im Unglück gehabt. Der öffentliche Raum wird an manchen Stellen in Mannheim zunehmend gefährlich – zu bestimmten Zeiten in bestimmten Situationen.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wer sich nachts alleine im Bereich der Innenstadt/Jungbusch bewegt, verhält sich unvernünftig. So bitter das klingt, das ist so.
Wenn mich jemand fragt, was ich an Deutschland besonders schätze, dann erkläre ich das mit einem Satz: Hier kann man sich zu jeder Tages- und Nachtzeit im öffentlichen Raum bewegen, ohne Angst um Leib und Leben oder sein Hab und Gut haben zu müssen. Das ist auch so – aber nicht überall an jedem Ort.
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Ich habe beispielsweise 1988-1989 in Neapel gelebt. Dort hatte ich klare Handlungsanweisungen durch meine Freunde vor Ort. Ich wurde im Viertel vorgestellt und alle dort wussten, dass ist der „tedesch“, der Deutsche, Freund von… Ich wohnte in unmittelbarer Nähe des spanischen Viertels. Tagsüber bis in die Abendstunden konnte ich mich dort problemlos bewegen. Nachts nicht mehr – das ging nur in der Gruppe und möglichst im Auto. Und wenn allein, hatte ich einen gewissen Weg, der länger war, aber die Abkürzungen waren tabu.
Gewisse Viertel sind hochproblematisch. Waren wir beispielsweise auf einer Party in Secondigliano, ging das nur mit dem Auto in hohem Tempo über Hauptstraßen. Nebenstraßen waren tabu. Einmal haben wir eine Verfolgungsjagd erlebt. Das war natürlich ein „aufregendes Abenteuer“, weil es gut ging. Erst später ist mir klar geworden – es war lebensgefährlich. Durch die Bedrohung der fünf Verfolger auf Mopeds und wegen der Fahrweise von Antonino – ein Ralley-Fahrer (glücklicherweise), der mit einem vollständig irren Tempo, quietschenden Reifen und halsbrecherischen Überholmanövern die Verfolger abgeschüttelt hat.
Die meisten Opfer sind junge Männer
Statistisch gesehen, sind vor allem junge Männer gefährdet. Warum? Die trauen sich mehr zu – entweder sich zu verteidigen oder wegzulaufen. Beides ist ein Trugschluss. Straßenräuber und Schläger sind in den meisten Fällen im Vorteil, weil sie auf Aggression und Konfrontation vorbereitet sind.
Deswegen verhält sich klug, wer einschlägig bekannte Viertel meidet oder eben nicht allein unterwegs ist. Je größer die Gruppe, desto besser.
Was, wenn…?
Jetzt überquerte also eine 39-Jährige gegen 2.15 Uhr die Jungbuschbrücke in Richtung Innenstadt, als sich ein Unbekannter von hinten nähert. Er versucht, ihr die Handtasche zu entreißen – sie wehrt sich mit aller Kraft und ruft laut um Hilfe. Der Täter entreißt ihr schließlich die Tasche und sucht in Richtung Neckarstadt das Weite.
In der Handtasche, im Wert von mehreren Hundert Euro, befand sich ein Smartphone im Wert von rund 700 Euro. Eine sofort eingeleitete Fahndung verlief ergebnislos.
Die Frau hat Glück gehabt. Was, wenn sie beim Kampf um die Tasche gestürzt wäre? Was, wenn der Täter zugeschlagen hätte? Was, wenn er sie mit einem Messer verletzt hätte?
Spinnt der Prothmann jetzt?
Spinnt der Prothmann jetzt, fragen Sie? Natürlich überlässt man einem Räuber doch nicht wehrlos eine Tasche. Das kommt darauf an, sagt der Prothmann – was man bereit ist zu riskieren. Jede Rangelei, gar jeder Kampf birgt eine Menge Risiken in sich. Was viele nicht wissen: Die größte Gefahr bei einem Kampf besteht in einem unkontrollierten Sturz. Viele Schlägereien, bei denen Menschen lebensgefährlich verletzt werden, haben mit Schädel-Hirn-Traumata zu tun, die entstehen, wenn man mit dem Kopf ungebremst aufschlägt – jedem ist das Schicksal der jungen Tunce in Erinnerung. Auch für Boxer ist das die größte Gefahr – und das sind trainierte Athleten, die nicht auf Asphalt knallen, sondern auf einen Sportboden.
Jeder Überfall erzeugt Schäden
Natürlich trägt das Opfer keine Schuld. Der Täter ist der Schuldige. Die Frage ist aber, ob das Opfer umsichtig war und der Gefahr hätte entgehen können. Für den aktuell erlittenen materiellen Schaden kann man sehr, sehr oft Taxi fahren. Glücklicherweise ist die Frau nicht verletzt worden? Stimmt das? Der Überfall kann auch ohne körperliche Schäden doch bleibende psychische Schäden erzeugen. Angst, sich alleine zu bewegen. Angst vor anderen, die vielleicht an diesen Tätern erinnern. Es macht dabei keinen Unterschied, ob man ein Zwei-Meter-Kerl oder eine zierliche Frau ist – eine posttraumatische Belastungsstörung ist für niemanden kontrollierbar. Wer sich nach „überraschenden“, als negativ erfahrenen Erlebnissen unwohl fühlt, sollte zum Arzt gehen und sich helfen lassen.
Polizei kann nicht überall sein
Sie sagen jetzt: Aber das darf doch nicht sein? Soll man den Räubern und Schlägern die Straße überlassen? Natürlich nicht. Aber es gibt einfach gewisse Problemviertel in der Stadt (in anderen auch), in denen man sein Verhalten anpassen sollte. Also nicht allein unterwegs sein, Wertsachen am Körper (Innentaschen) tragen und einfach gefährliche Situationen meiden.
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Die Polizei tut alles, um den öffentlichen Raum für die Öffentlichkeit zu sichern. Aber sie kann nicht überall sein. Und wenn es mehr Straftäter als früher gibt, wachsen die Aufgaben und auch die gefährlichen Situationen. Ganz sicher ist hier der Gesetzgeber gefragt, um solchen Straftätern, insbesondere, wenn sie Mehrfachtäter sind, deutlich zu machen, dass deren „Risiko“ sich auch entsprechend erhöht und die Abwägung ergibt, dass es sich für sie nicht lohnt.
Zeugenaufruf
Der männliche Täter wird wie folgt beschrieben:
Ca. 165 cm groß, ca. 30 – 40 Jahre alt, kurze schwarze Haare, südländisches Aussehen. Er war mit einer langen schwarzen Hose und einem schwarzen T-Shirt bekleidet.
Zeugen werden gebeten, sich mit dem Kriminaldauerdienst unter Telefon 0621/174-5555 in Verbindung zu setzen.
Übrigens: Als ich vor ein paar Jahren wieder in Neapel war, erzählte ein Barbesitzer im Vorort Nola vollkommen aufgelöst, wie er ein paar Tage zuvor überfallen worden war. Brutal, kompromisslos. Er meinte noch, dass er froh sei, mit dem Leben davongekommen zu sein. Er schimpfte wie ein Rohrspatz. Und dann: Als Neapolitaner habe er gedacht, er wisse Bescheid. Was er nicht wusste, ist, dass Barcelona mittlerweile krimineller als Neapel ist, was Straßenraub angeht. Er kam vollkommen geschockt von einem Wochenendtrip zurück und meinte: Nie mehr Barcelona. Sein Problem – er kannte sich nicht aus, war zu sorglos und prompt hatte es ihn erwischt. Dabei wollte er doch nur Party machen.