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Heddesheim, 17. Februar 2011. Der Mannheimer Morgen berichtet heute in einem Werbetext über die neue Homepage der Gemeinde. Der Clou sind die „Wildcards“. Bürgermeister Michael Kessler honoriert die enorme Bürgerbeteiligung von 0,000869 Prozent der Einwohner und hat deswegen eine politische Bewertung beschlossen. Ab 2012 wird der Udhijng-Preis für innovative Querdenker ganz offiziell verliehen. Die Patin Ursula Brechtel zeigt sich bescheiden. Das Unternehmen Pfenning ist Sponsoring-Partner.
Von Helle Sema
Manchmal überrascht der Mannheimer Morgen mit besonderen Texten. Anja Görlitz hat wieder einmal so einen geschrieben, wofür wir die Dame ausdrücklich loben wollen und gleichzeitig hoffen, dass sie nicht mit einem gerichtlichen Mahnverfahren reagiert.
Frau Görlitz hat sich nämlich investigativ mit der Homepage der Gemeinde beschäftigt. In ihrem Text ist zu lesen, dass sie weiß, was man früher unter der „alten homepage“ finden konnte und nun unter der „neuen“.
Dafür muss sie eine schier unglaubliche Rechercheleistung vollbracht haben. Man stelle sich das vor: Seite um Seite, Suchbegriff um Suchbegriff hat sie die „alte Seite“ protokolliert und dann dieselben Routinen auf der neuen Seite angewendet. Das nennt man Handwerk, harte Recherchearbeit.
Das Ergebnis ist „durchmischt“ – auch das ein Beweis für ihre unabhängige Recherche, die zu dem Ergebnis kommt: „Nutzer finden Seite gelungen, bringen aber auch Ideen ein“.
Weiter heißt es: „Beispiel Sterbefall“. Auf der alten Seite, so die Redakteurin, habe man nur eine „knappe Auskunft“ erhalten. Ganz anders jetzt auf der neuen Homepage: Mitarbeiter, Amt, Verfahrensablauf, ja sogar Kosten und Gesetzestexte findet man da. Wahnsinn. Tolle Recherche.
Doch der neue Service hat auch Schattenseiten. Beispiel Abwassergebühr: „1,69 Euro je cbm“ informierte die alte Seite kurz und knapp, erläutert die Reporterin in ihrem Text. „Jetzt hingegen muss man in vier Treffern (sic!), darunter die Abwassersatzung, ziemlich lange suchen.“ „Vier Treffer“ – da muss die Gemeinde dringend nachbessern.
Kleiner Skandal?
Das wird die Gemeinde gar nicht gerne lesen – klingt das doch noch einem Nachteil, wenn nicht gar nach einem kleinen Skandal: Was früher auf der alten Seite kurz und knapp zu finden war, ist jetzt irgendwo intransparent versteckt. Nicht wenige Skeptiker werden sich bestätigt fühlen, dass das „Internet des Teufels“ ist, darunter auch der SPD-Franktionsvorsitzende Jürgen Merx.
Aber: Keine Aufregung. Die Bürger machen mit. Immerhin schon zehn Homepage-Besucher haben Anregungen geschrieben. Das sind immerhin 0,000869 Prozent der Einwohner.
Die Gemeindeverwaltung nimmt die Bürgerbeteiligung ernst, allen voran Bürgermeister Kessler und der Hauptamtsleiter Julien Christoph.
Denn die stehen bekanntlich für Transparenz und sind deswegen auch sehr „dankbar“. Vor allem über solche Sätze: „Die neue Internetseite ist ansprechend und informativ gestaltet.“ Das zitiert der Hauptamtsleiter Christoph ganz kritisch aus einem „Verbesserungsvorschlag“.
Mal ganz ehrlich – die Heddesheimer Bürger trauen sich schon was. Der Gemeinde eine „ansprechende und informative Gestaltung“ vorzuwerfen, zeugt schon von einem sehr kritischen Geist und die schonungslose Veröffentlichung weiterer Zuschriften wie „gut gelungen“ und „richtig gut“ zeugen von der demokratischen Grundhaltung in der Rathausführung, die sich der Kritik stellt.
Als wäre das nicht schon alles für alteingesessene Heddesheimer ganz schön viel progressive Politik, müssen die nun auch noch das Wort „Wildcards“ lernen. Diese wilden Karten bietet die neue Homepage nämlich auch an.
Ist www.heddesheim.de kommunistische Propaganda?
Man muss nicht mehr genau wissen, was man eigentlich sucht, sondern gibt eine Wort gefolgt von einem * an. Der Stern * steht für das Wilde. Das wissen auch alle, die als gute Demokraten wissen, dass der Stern sonst eher für die Russen, den Kommunismus steht.
Doch genau das muss man jetzt eingeben, wenn man nach Buchhandlung sucht. Die Suchmaschine ist nämlich absolut korrekt und findet nichts, wenn man nur „Buch“ eingibt. Weil die neue Internetseite aber „modular“ aufgebaut ist (noch so ein Unwort), kann man Buch* eingeben und findet… Buchhandlung. Ist das nicht sensationell?
Sicher, man wird sich an solche neumodischen Dinge gewöhnen müssen. Aber mit ein wenig Spieltrieb gelingt das auch. Und im Gemeinderat gibt es ja einige Gemeinderäte, die gerne neues ausprobieren.
Nach meinen Recherchen haben beispielsweise Frau Brechtel, Herr Doll, Herr Hege, Herr Hasselbring und auch Herr Harbarth am vergangenen Wochenende eine Lan-Party veranstaltet.
Nein, das ist nichts unanständiges. Dabei trifft man sich, baut seine Computer auf und vernetzt diese, um dann gemeinsam zu spielen.
Regeln gab es keine, Gewinner sollte der Spieler mit dem „abgefahrensten Treffer sein“.
Abgefahren: Ursula Brechtel zeigt es den anderen.
Also kein Spiel für Anfänger, sondern für ganz gewiefte.
Gewonnen hat die 1. stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Brechtel. Aber nur, weil Dr. Joseph Doll den „Hot-Spot“ in der demographischen Entwicklungsstudie nicht gefunden hat und Herr Hege nicht wusste, wo man den Diesel in den „Schlepp-Top“ tankt und sich wunderte, dass der Systemstart nach einer vorsorglichen Spritzaktion nicht mehr möglich war.
Herr Harbarth war auch schnell aus dem Rennen, weil er das Vereinsformular nicht gefunden hat. Denn er wollte dem Netzwerk schriftlich beitreten.
Unabhängig davon hatte Frau Brechtel leichtes Spiel. Sie überlegte sich einen cleveren Suchbegriff und gab Heddesheim ein. Kein Treffer.
Dann setzte sie die „Wildcard“ ein – verschmitzt lächelnd und „Bingo“. Sie hatte den brutalstmöglichen-abgefahrensten Treffer. An erster Stelle des Ergebnisses stand das „heddesheimblog“.
Auf diese Idee musste erst mal jemand kommen! Frau Brechtel gewinnt deshalb den erstmals ausgelobten Internet- und Social Media-Preis der Gemeinde Heddesheim. Und schnell war man sich einig, dass ihren Namen künftig damit verbinden sollte.
Denn wieder einmal hat sie sich beispiellos für die Gemeinde eingesetzt. Dieses herausragende Engagement ist Grund genug für Bürgermeister Kessler wieder einmal ergriffen festzustellen: „Ursel, des hätt isch jedzd nett gedacht.“
Ab 2012 vergibt die Gemeinde Heddesheim den Idhijng-Preis für innovative Querdenker ganz offiziell. Der Gewinn: Eine Wildcard und ein Porträt im Mannheimer Morgen von der Star-Journalistin Anja Görlitz.
Die Logistik-Gruppe „Pfenning“ hat sich als Sponsoring-Partner verpflichtet und wird das Konterfei des Preisträgers für drei Monate auf jeden Lkw aufbringen lassen: „Für die abgefahrensten Ideen sind wir immer zu haben. Udhijng – was sonst?“
Vom Unding zum Udhijng.
Kurz vor Redaktionsschluss haben wir noch erfahren, dass Frank Hasselbring einen Missbilligungsantrag einbringen will, weil ihm als „Liberalem“ diese Form der Einflussnahme „stinkt“: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit rechten Dingen zugegangen sein soll. Man muss der Sache auf den Zahl fühlen, ob nicht der Prothmann seine Finger im Spiel hatte.“
Jürgen Merx beeilte sich in einer Stellungnahme, dem beizupflichten. Reiner Lang forderte eine Klarstellung, Frau Karin Hofmeister-Bugla lächelte, ebenso Frau Ingrid Kemmet, die sich nicht zur Sache äußern wollte. Diese Haltung teilten Hans Siegel und Volker Schaaf.
Martin Kemmet „kotzten“ die Lan-Spiele an, was Kielmayer bestätigte. Walter Gerwien kündigte an: „Sollte es sich um ein illegales Spiel handeln sollte, werde ich ermitteln.“
Michael Bowien enthielt sich ebenso wie die Grünen: „Wir stimmen nur zu, wenn erstens klar gestellt ist, dass garantiert niemand atomstromgetrieben auf die Seite surft und zweitens ein Button „Free the hamster“ auf der Homepage angebracht wird.“ Kurt Klemm forderte: „Wildcards müssen geschützt werden.“
Hardy Prothmann erklärte sich in der Sache für „befangen“ und äußerte sich auf Nachfrage knapp: „Kein Kommentar.“
Unterdessen bestätigte Bürgermeister Michael Kessler, dass pro Klick ein Euro in die Vereinsförderung fließe und als erster Nutznießer die Fortuna in nicht-öffentlicher Sitzung bestimmt worden sei, die dringend einen neuen Kunstrasen braucht: „Zehn Klicks- zehn Euro sind ein Anfang. Der Zehnte ist schon immer gut gewesen. Das wussten Fürsten vor mir, das weiß auch ich, den ich bin, äh, die Gemeinde, also ich, gehe davon aus, dass wir das Ziel erreichen“, äußerte sich Kessler zuversichtlich. Die Frage, ob auch er eine „Wildcard“ einsetzen wolle, ließ er offen.