Mannheim/Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 17. Juni 2014. (red) Nach den “tumultartigen Zuständen”, bei denen am Freitagabend mehrere Dutzend Personen aufeinander losgegangen sind, hat die Polizei eine Ermittlungsgruppe “Jungbusch” eingerichtet. Sechs Beamte sollen die Hintergründe der Massenschlägerei klären.
Von Hardy Prothmann
Den ersten Zusammenstoß gab es in den S-Quadraten am Freitagnachmittag gegen 17 Uhr – zwei Männer waren von fünf Angreifern geschlagen worden: “Das hat ein Nachspiel”, wurde angekündigt. Später verlagerte sich der Konflikt in den Jungbusch und wurde zur Massenschlägerei. Mindestens 40 Personen sollen beteiligt gewesen sein. Vermutlich handelt es sich um Türken – die meisten junge Männer Anfang 20.
Bei den Auseinandersetzungen gab es mindestens 11 Verletzte. Sieben Personen wurden ambulant behandelt, vier Männer mussten in Mannheimer Krankenhäusern behandelt werden. Nach Angaben der Polizei wies keiner der Verletzten Spuren “scharfer Gewalt oder gar Schussverletzungen auf”. Ein Glück – denn offensichtlich war “scharf” geschossen worden. Die Pistole fand die Polizei an der Auffahrt zur Kurt-Schumacher-Brücke. Ein 24-jähriger Mann türkischer Herkunft wurde als mutmaßlicher Schütze verhaftet. Sollte ihm die Tat nachgewiesen werden können, wird die Anklage vermutlich auf Verstoß gegen das Waffengesetz und versuchter Totschlag lauten. Die Untersuchung der Waffe und gefundener Hülsen dauert noch an. Insgesamt waren drei Männer verhaftet worden. Gegen wie viele wegen Landfriedensbruch ermittelt wird, ist noch nicht bekannt.
Insgesamt 35 Streifenwagen waren im Einsatz – sogar aus Ludwigshafen hatte man Verstärkung angefordert. Ein Anwohner bezeichnete die Situation als “extrem bedrohlich” – die Gewaltbereitschaft sei enorm hoch gewesen. “Die meisten Gesichter kannte ich aber nicht – die kamen von außerhalb.” Überwiegend junge Männer türkischer Herkunft seien sehr aggressiv aufgetreten – dazwischen ältere Frauen, vermutlich Mütter, die zu schlichten versuchten. Ein Familien- oder “Clan”-Streit? Die Polizei ermittelt auch in dieser Richtung.
Irgendwann fielen Schüsse – mehrere gefundene Patronenhülsen deuten darauf hin. An einem Kiosk ist ein Einschlussloch dokumentiert. Während des Einsatzes hatten mehrere Polizeibeamte sich mit Maschinenpistolen bewaffnet: “Das geschieht bei unklaren Lagen zum Eigenschutz”, sagt Polizeisprecherin Roswitha Götzmann auf Nachfrage. Das Tragen von schusssicheren Westen hingegen sei anders als beispielsweise beim Mannheimer Morgen beschrieben überhaupt nicht außergewöhnlich: “Bei Streifenbeamten gehört das zur normalen Ausrüstung und ist Standard im Dienst auf der Straße.”
Von Seiten der Politik reagierten die Parteien in den Tagen danach. Peter Drakul, stellvertretender SPD-Kreisvorsitzende und neu gewählter Stadtrat, kritisierte insbesondere Spekulationen, die in den sozialen Netzwerken ohne Kenntnis der Lage verbreitet wurden: „Erschreckend, wie insbesondere Roma, Bulgarinnen und Bulgaren oder Rumäninnen und Rumänen für den Vorfall verantwortlich gemacht wurden. Dieses Klima ist nicht gut. Es zeigt aber auch, dass sich die Stadt trotz vieler Maßnahmen und Initiativen noch stärker anstrengen muss, um die Einwanderung nach Mannheim besser zu begleiten.”
Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier teilte mit: “Erschreckend ist die Aggression, die sich auf den Straßen des Jungbusch entfesselt hat. Die Gewalttäter werden hoffentlich alle überführt und erfahren ihre gerechte Strafe. Erschreckend ist aber auch der hochkochende latente Rassismus in den sozialen Medien. Eine wilde Spekulation jagte die andere. Solange aber die Polizei ihre Nachforschungen und Ermittlungen nicht abgeschlossen hat, sind alle Verdächtigungen fehl am Platze. Es ist traurig, dass damit der sich allmählich bessernde Ruf des Jungbusch erneut in Gefahr gebracht wird, aber noch weiß niemand, ob es einen direkten Zusammenhang mit der Situation im Jungbusch gibt. Wer dabei Öl ins Feuer der rassistischen Hetze gießt, handelt fahrlässig”. Sein Kollege Matthias Meder sagte: “Diese Gewalt einer gescheiterten Integrationspolitik zuzusprechen, ist fehl am Platze. Denn vergleichbare Gewalt gibt es z.B. auch am Rande von Fußballspielen mit weitaus größerem Polizeieinsatz.”