Mannheim/Rhein-Neckar, 17. September 2013. (red/ld) Es steht viel auf dem Spiel: In fünf Tagen wird entschieden, ob die Stadt eine Bundesgartenschau 2023 ausrichten wird oder nicht – und im Zuge dessen die freigewordenen Konversionsgelände der amerikanischen Kasernen entwickeln kann. Gestern trafen sich Buga-Befürworter und Gegner im Jugendkulturzentrum Forum zu einer Podiumsdiskussion. Dabei zeigte sich: Noch immer sind viele Fragen offen.
Von Lydia Dartsch
Rund 100 Besucher waren gestern abend ins Jugendkulturzentrum “Forum” zur Podiumsdiskussion gekommen. Die Zwölftklässler des Johann-Sebastian-Bach-Gymnasiums im Neigungsfach Politik hatten sie in den Sommerferien vorbereitet: Der Konversionsbeauftragte Dr. Konrad Hummel und Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel waren als Buga-Befürworter gekommen – der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Wolfgang Raufelder (Grüne) und der Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Tobias Staufenberg als Gegner.
90 Sekunden Redezeit hatten die Diskussionsteilnehmer, um auf die Fragen der Moderatorinnen zu antworten. Wer mehr brauchte oder einem Diskutanten direkt antworten wollte, musste einen Jocker für zusätzliche 30 Sekunden einsetzen. Im Anschluss an die einzelnen Themenfelder durfte das Publikum Fragen stellen.
Buga 2023 als Stadtentwicklungsprojekt
Der in der Machbarkeitsstudie entworfene Plan sieht vor, dass bis zum Jahr 2023 ein übergeordneter Grünzug zwischen Rhein und Neckar entsteht. Inbegriffen sind dabei der Markgrafen-Acker, Sandtorfer Bruch, die Coleman-Kasernen, der Käfertaler Wald, die Benjamin-Franklin-Village, die Taylor-Kasernen, die Straßenheimer Feldflur, die Vogelstangseen, die Spinelli-Kaserne, die Feudenheimer Au und Freiflächen am Neckar. Diese sollen Bürgerinnen und Bürger zur Naherholung nutzen können. Außerdem sollen so Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstehen und eine Frischluftschneise ermöglicht werden.
Das Herzstück ist das rund 81 Hektar große Gebiet der Spinelli-Kaserne. Dort und auf 16 Hektar des Landschaftsschutzgebiets Feudenheimer Au soll die Bundesgartenschau 2023 stattfinden. Am Rand des Buga-Geländes soll hochwertiger Wohnraum für 1.000 Menschen entstehen. Damit will die Stadt attraktiv bleiben für Menschen und Familien mit höheren Einkommen. Außerdem soll zwischen Rhein und Neckar ein zusammenhängender Streifen aus Grün- und Freiflächen entstehen. Dieser Grünzug Nord-Ost wurde bereits im Jahr 1995 in einem Rahmenplan erfasst und wurde auch im Weißbuch Konversion der Stadt aufgenommen.
Für die Befürworter der Bundesgartenschau 2023 steht fest: Die Buga ist die Gelegenheit, um die frei gewordenen Konversionsflächen der amerikanischen Kasernen städtebaulich zu entwickeln und den Grünzug Nord-Ost zu realisieren. Dieses Ziel sei ohne die Buga nicht möglich, sagte Dr. Hummel, “auch wenn eine Partei (die Mannheimer Liste, Anmerkung der Redaktion) lautstark sagt, dass es doch ohne geht”:
Wenn der Bürgerentscheid am Sonntag scheitert, dann ist dieses Projekt tot!
Die Buga-Gegner würden lieber andere Möglichkeiten finden, um die Konversionsflächen zu entwickeln und einen Grünzug Nord-Ost zu realisieren. Darüber sei bisher viel zu wenig diskutiert worden, sagte der Landtagsabgeordnete Wolfgang Raufelder (Grüne). Man könne die Flächen auch über die Zuschüsse für einzelne Projekte entwickeln und das Ziel erreichen.
Attraktiven Wohnraum schaffen
Eine Chance in der Bundesgartenschau sehen die Befürworter für die Entwicklung von hochwertigem Wohnraum. 350 Wohneinheiten sollen am Rand des Buga-Areals auf dem Spinelli-Gelände entstehen. Wo, wenn nicht dort, fragte Herr Hummel. Das mache die Stadt attraktiv für Familien mit hohen Einkommen. Denn diese seien in den vergangenen Jahren zunehmend in die umliegenden Gemeinden abgewandert – beispielsweise nach Ladenburg, sagte Professor Schwöbel.
Eine Stadtflucht kann Wolfgang Raufelder nicht erkennen. Im Gegenteil. Viele Menschen ziehe es im Alter in die Innenstädte. Dort gebe es die nötige Infrastruktur: Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, Ärzte, Einkaufsmöglichkeiten und alles über kurze Wege erreichbar. Das mache die Stadt bereits jetzt attraktiv für die Menschen.
Für Tobias Staufenberg (BUND) steht der Wohnungsbau auf dem Spinelli-Gelände entgegen dem Grünzug Nord-Ost. Viel eher solle bestehende Bausubstanz auf den Konversionsflächen saniert und aufbereitet werden. Einen Vorschlag, welches Gelände dafür in Frage kommt, konnte er nicht machen.
Altlasten
Ein Problem stellen die Altlasten im Boden der Kasernen dar. Über Jahrzehnte wurden auf dem Gelände Panzer und Militärfahrzeuge gewartet. Diese Altlasten müssten vor einer Wohnbebauung beseitigt werden. Würde die Bundesgartenschau realisiert werden und dort Wohnbebauung geplant, werde der Bund für einen umfangreichen Austausch des Erdreiches aufkommen, antwortete Dr. Hummel auf die Frage einer Besucherin. Welche Stoffe genau im Boden versickert sind, könne man erst sagen, wenn das Gebiet übergeben ist und man Bodenproben nehmen kann:
Wir vermuten dort viel Benzin und Diesel – zum Glück keine Munition.
Ohne Bauvorhaben auf dem Gelände werde das Erdreich nur oberflächlich abgetragen, sagte Herr Hummel. Die Flächen würden nur attraktiv für Bauvorhaben, wenn eine Bundesgartenschau auf dem Gelände durchgeführt werde.
Ein weiterer Streitpunkt in der Diskussion ist die Verwendung eines 16 Hektar großen Teilgebiets der Feudenheimer Au. Dieses soll zwar Landschaftsschutzgebiet bleiben, aber für die Besucher der Bundesgartenschau erlebbar und begehbar gemacht werden. Wolfgang Raufelder möchte das verhindern und stattdessen neue Grünflächen auf Spinelli schaffen:
Wenn wir Zeit für eine Diskussion gehabt hätten, hätte man Kompromisse finden und ein Konzept entwickeln können, bei dem man die Au nicht braucht.
Die Machbarkeitsstudie der Stadt Mannheim sieht aber genau das vor. Spinelli als Gebiet für eine Buga allein sei nicht möglich, sagte Konrad Hummel: Die Fläche sei “ein sehr ödes Gebiet”, sagte er. Im Kontrast dazu brauche man die naturbelassene Fläche der Feudenheimer Au, um eine Geländemischung zu erreichen, die “natürlich” wirkt.
Nicht geklärt ist auch die Frage nach der verkehrstechnischen Erschließung des Buga-Geländes. Insgesamt 2,8 Millionen Besucher werden an den 160 Tagen, die die Buga dauert, erwartet. Für kurzfristige Verkehrsmaßnahmen wie Bus-Shuttles und zusätzliche temporäre Parkplätze sind in der Machbarkeitsstudie 2 Millionen Euro geplant.
Fehlendes Verkehrskonzept rechtfertigt kein “Nein”
Ein genaues Verkehrskonzept fehle aber, kritisieren die Buga-Gegner. Auch diesen Punkt hätte man früher diskutieren müssen, sagt Wolfgang Raufelder. Den Schwerpunkt eines solchen Konzepts wünscht er sich auf dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Dass der ÖPNV ausgebaut werden müsse und ein Verkehrskonzept erstellt werden müsse, dem stimmte Hans-Peter Schwöbel zu. Es sei auch angedacht, neue Parkplätze für die Besuchermassen anzulegen. Ein fehlendes Verkehrskonzept könne aber kein “Nein” zur Buga rechtfertigen, sagte Schwöbel:
Wir können noch nicht alle Hindernisse in Zukunft vorhersehen. Deshalb müssen wir gewisse Unsicherheiten einplanen.
Insgesamt sind für die Bundesgartenschau 105,5 Millionen Euro an Investitionskosten vorgesehen, dazu 41,35 Millionen Euro für die Durchführung. Laut Machbarkeitsstudie werden Einnahmen in Höhe von 41,35 Millionen Euro erwartet. Das Ziel sei aber letztlich nicht die Durchführung eines Großevents, sondern die Entwicklung der Konversionsflächen, der Stadt und die Realisierung des Grünzugs Nord-Ost, sagen die Befürworter.
Die Buga-Gegner haben das gleiche Ziel, wollen es aber ohne eine Bundesgartenschau schaffen. Ihn störe die “Alternativlosigkeit”, mit der das Vorhaben beworben werde, sagte Wolfgang Raufelder. Tobias Staufenberg kritisierte zudem die Intransparenz der Machbarkeitsstudie. Als Beispiel nannte er eine Lizenzgebühr in Höhe von 4,4 Millionen Euro, die die Stadt an die Bundesgartenschaugesellschaft zu zahlen habe. Dieser Posten sei in der lediglich unter dem Punkt “Vorbereitung, Durchführung” ohne genaue Beträge angegeben sei.
Schüler und Ü50
Unterschiedlich war auch die Stimmung im Publikum: Das waren vorwiegend Schüler der gymnasialen Oberstufe und Menschen im Alter von über 50 Jahren. Die Entscheidung am Sonntag wird vor allem junge Menschen betreffen, die sich in zehn Jahren entscheiden werden, ob sie mit ihren Familien in Mannheim wohnen wollen. Die konnten mit Zetteln abstimmen – am Anfang und Ende – ob sie für oder gegen oder neutral eingestellt sind. Anfangs waren neutrale in der Mehrheit – am Ende war nicht auszumachen, ob mehr rote oder grüne Zettel gezeigt wurden. Die BUGA- Lager scheinen bei der Jugend gemischt zu sein.
Fragen stellten vor allem die älteren Besucher: Ob sich die Kosten für die Buga verdoppeln würden, wie es im Jahr 1975 der Fall gewesen war, wollte eine Besucherin wissen. Das schloss Herr Hummel aber aus. Die veranschlagten Kosten der Buga seien auf 105,5 Millionen Euro gedeckelt. Außerdem sei die Buga 2023 nicht mit der von 1975 vergleichbar. Anders als damals gehe es dieses Mal um Stadtentwicklung und nicht um viele kleinere Aktionen. Dem stimmte auch Wolfgang Raufelder zu:
Der Charakter der Bundesgartenschauen hat sich seit 1975 stark verändert.
Warum die Kostendeckelung nicht in der Frage zum Bürgerentscheid enthalten sei, wollte eine Frau wissen. Mit einem Ja würde man dem Gemeinderat einen Freibrief erteilen, meinte sie und erklärte, sie werde deshalb am Sonntag mit Nein stimmen. Das sei absurd, sagte Dr. Hummel. Die Frage sei bereits zu lang, um sie verstehen zu können und man könnte noch viele andere Aspekte mit einbeziehen. Da müsse man dem Gemeinderat vertrauen, dass er das umsetzt, was er zuvor beschlossen hat.