Mannheim/Heidelberg, 17. November 2012. (red/ld) Erinnern Sie sich an „Die wunderbare Welt der Amélie“? Oder „Lola rennt“? Ganz bestimmt kennen Sie aber die bunten Musikvideos, mit denen die Popkultur seit den achtziger Jahren unser Leben aufhübscht? „Just Try Me“ des chinesischen Regisseurs Li Xiang Zhao ist alles das zusammen: Eine junge Frau betrachtet ihr Leben in einem Kino und zappt per Fernbedienung durch alle Möglichkeiten, die das Leben ihr bietet. Dabei fällt auf: Ein Leben außerhalb der Fabrik gibt es nicht.

„Just Try Me“ von Li Xiang Zhao (China). Foto: Filmfestival
Von Lydia Dartsch
Eine junge Frau fängt in einer Fabrik an zu arbeiten. Dass sie keinen Mann hat, ist ein großes Problem für ihre Kollegen. „Bist Du wirklich Single?“ Fragen sie ungläubig in allen Abteilungen. Es ist klar: Ein Mann muss her. Doch wer? Wie auf einem Brautmarkt bieten die Kollegen an, sie mit dem Arbeitstier aus dem Büro oder den Söhnen der Direktorin zu verkuppeln. Als die junge Frau, deren Name nicht genannt wird, auf dem Heimweg stürzt und mit einer Kopfwunde ins Krankenhaus gebracht wird, fängt sie an zu überlegen: „Wäre mein Leben besser mit einem Mann? Und mit welchem?“
Kokett wie einst die Französin Amélie schaut Hauptdarstellerin Yang Tong Shu in die Kamera als ihr Makel unter den Kollegen bekannt wird und wie in dem gleichen Film kommentieren ihre Kollegen knapp und rasant hintereinandergeschnitten diese Feststellung. Nacheinander probiert sie alle verfügbaren Männer aus: Das Arbeitstier, die Söhne der Direktorin und auch den Arzt, der im Krankenhaus ihre Kopfverletzung behandelt.
Der Film spielt wie ein kleines Kind mit den Genres: Anime-Trickfilm, Stummfilm in schwarz-weiß oder auch als Musical erzählt der Film das Leben der jungen Frau. Dabei gibt er interessante Einblicke in die chinesische Gesellschaft, die sich nach einem kunterbunten Leben in der Fabrik sehnt. Denn außerhalb gibt es nichts: Der Chor besteht aus Kollegen, die Nachbarn sind Kollegen und sogar die Hochzeitsgäste sind ausschließlich – sie ahnen es – Kollegen aus der Fabrik. Alle helfen sich gegenseitig bei den alltäglichen Problem. Es ist natürlich kein Problem, wenn die verletzte Protagonistin für mehrere Wochen krankgeschrieben ist.
Wer vergisst, dass das Kino auch gerne die Sehnsüchte seiner Zuschauer aufgreift, könnte fast vergessen, dass die Realität eher das Negativbild dieses Films ist. Dafür ist er dann aber doch zu bunt. Und so zappt die Protagonistin unermüdlich zurück zur Hochzeit ihrer Kollegin, um alle Varianten einmal auszuprobieren. Mit wem sie am Ende glücklich wird, ist unwichtig. Es bleibt ohnehin alles in der Fabrik.