Brühl/Ketsch/Rhein-Neckar, 17. Juni 2015 (red) Die Angehörigen sind fassungslos. Nachdem vor wenigen Tagen in Ketsch gut 100 Gräber verwüstet worden sind, traf es gestern Nacht 140 Gräber in Brühl. In die Empörung mischen sich rassistische Meinungen und “Kopf ab”-Sprüche. Die Polizei sucht dringend Zeugen.
Von Hardy Prothmann
Rund 140 Gräber wurden in der vergangenen Nacht auf dem Brühler Friedhof verwüstet – von wem, warum? Angehörige vor Ort richten die Gräber wieder. Der oder die Täter haben wahllos Bepflanzungen herausgerissen, teils neben die Gräber gelegt, teils umhergeworfen.
Anders als in Ketsch – da wurden auch frische Holzkreuze herausgerissen und durch die Gegend geworfen sowie Tonschalen und andere Dekorationen zerstört. Aber eben auch Pflanzen herausgerissen, deswegen geht die Polizei mutmaßlich von denselben Personen aus. Vermutlich sind es mehr als eine Person – zu massiv ist die Verwüstung. 140 Mal bücken, Pflanze greifen, rausreißen, wegwerfen – wer macht so einen “Blödsinn”?
Straftat “Störung der Totenruhe”
Das ist kein Blödsinn, sondern mutwillige Sachbeschädigung und nach 168 Strafgesetzbuch eine Störung der Totenruhe, die mit bist zu drei Jahren Haft bestraft werden kann.
Ein fremdenfeindliches Motiv scheint es nicht zu geben. Es fehlen entsprechende Hinweise und es hat vor allem Gräber im hinteren Teil des Friedhofs “erwischt” – hier liegen Brühler zu Grabe.
In Ketsch beziffert die Polizei den “materiellen Schaden” auf rund 2.500 Euro, für Brühl hat sie noch keine Schätzung abgegeben. Dabei geht es doch gar nicht um den materiellen Schaden – es geht um den emotionalen Schaden, den dieser wütende Vandalismus hinterlässt. Warum nur?
Auf die Verwüstung folgen rassistische Verdächtigungen
Eine ältere Dame sagt: “Ich hab da gestern so einen jungen, dunkelhäutigen Mann vorne auf einer Bank gesehen. Der saß da und ich hab mich gefragt, warum der da sitzt? Der kam mir verdächtig vor. Deutsche machen doch so etwas nicht.”
Eine weitere zischt im Vorbeigehen: “Domols unner dem annere hätts des ned gäwwe, da wär Kopf ab.” Ein älterer Herr sagt: “Ich sage nicht, was ich denke, was denen gehört. Wenn man die überhaupt kriegt, kriegen die ein paar Monate und dann machen sie weiter.”
Nach der Fassungslosigkeit über die Verwüstung ist vor der Fassungslosigkeit über den Rassismus, die Ressentiments, den Hass und die “Kopf ab-Forderungen”. Selbstverständlich ist eine Empörung der Menschen absolut nachvollziehbar – die Bösartigkeit mancher allerdings definitiv nicht.
Die Polizei weiß, wie sensibel das Thema ist und hat eine 10-köpfige Ermittlungsgruppe “Friedhof” eingerichtet.
Zeugen werden dringend gebeten, sich bei der Kripo Mannheim unter Tel.: 0621/174-5555 zu melden.