Mannheim/Stuttgart, 16. September 2014. (red) Überraschende Reaktion. Statt sich vom „NPD-Sprech“ durch zugeschaltete Gäste in der Sendung „Zur Sache – Baden-Württemberg“ eindeutig zu distanzieren, verteidigt der SWR die aus rechtsradikalen Kreisen wie der NPD bekannten „Argumentationslinien“. Man bemühe sich „ein Meinungsspektrum“ abzubilden. Der Bildungs- und Informationsauftrag des Senders erreicht damit eine bislang ungeahnte Dimension: NPD-Argumente sind nach Auffassung des SWR gesellschaftsfähig.
Stellungnahme des SWR im Wortlaut:
„Vielen Dank für Ihr großes Interesse an unserer Sendung. Zu Ihrem Blog-Artikel und Ihren Fragen:
Sie beginnen Ihren Artikel mit einer Aussage der NPD Funktionärin Helga Koch und erwecken so den Eindruck, Frau Koch sei Gast in „zur Sache Baden-Württemberg“ gewesen. Frau Koch war nicht Gast der Sendung und auch nicht Teilnehmerin der Wohnzimmerkonferenz.
Die Äußerungen der Zuschauer in unserer „Wohnzimmerkonferenz“ sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Sie spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider. Wir bemühen uns, ein Meinungsspektrum abzubilden. Die Teilnehmer der „Wohnzimmerkonferenz“ sind parteipolitisch ungebunden. Aufgabe des Moderators ist es, unseren Studiogast, in diesem Fall die baden-württembergische Städtetagspräsidentin Barbara Bosch (die ganz klar für die Aufnahme von Flüchtlingen plädierte), mit den geäußerten Meinungen zu konfrontieren. Zudem wurde in der Sendung ausführlich auf die Situation und das persönliche Schicksal der zu uns kommenden Flüchtlinge eingegangen.
Damit sich auch Ihre Leser eine eigene Meinung zum Thema bilden können, dürfen Sie gerne auf unsere Sendung verlinken:
http://www.swr.de/zur-sache-baden-wuerttemberg/fluechtlinge-bringen-kommunen-in-not/-/id=3477354/did=14154208/nid=3477354/k50l0y/index.html“
Auch bei Twitter reagiert der Sender auf unsere Kritik und verbreitet, die Sendung verbreite demokratische Meinungsvielfalt.
@guidobuelow @IngeSeibel @rheinneckarblog Gesprächsrunde zeigt demokratische Meinungsvielfalt. Überzeugen Sie sich http://t.co/HoUDZkLwhg
— SWR (@SWRpresse) 16. September 2014
Unsere Stellungnahme:
Wir erwecken keinen Eindruck, dass die NPD-Funktionärin Koch in der Sendung zu Gast war, sondern wir zeigen die ähnlichen „Argumentationslinien“ der NPD und zwei der zugeschalteten Zuschauer auf. Nur weil ein Winzer und eine Unternehmerin diese äußern, sind sie nicht weniger falsch und gegen Ausländer gerichtet.
Nach unserer Auffassung muss es Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders sein, dies deutlich zu machen – das ist nicht geschehen. Ganz im Gegenteil wurden diese Äußerungen als ernst zu nehmende Äußerungen aus der Bevölkerung dargestellt. Damit werden die fremdenfeindliche Hintergründe marginalisiert und solche „Argumente“ salonfähig.
Was die Situation der Flüchtlinge angeht und unter welchem Aspekt die Sendung stand, sei an den Titel erinnert: Flüchtlinge bringen Kommunen in Not, die Sendung hieß nicht, die Not der Flüchtlingen und wie Kommunen damit umgehen. Eine „Konfrontation“ der für die NPD typischen Parolen konnten wir nicht erkennen.
Transparenz:
- Das waren die Fragen, die wir an Unternehmesssprecher Wolfgang Utz gestellt haben, der eine Mitarbeiterin antworten ließ:
- Ich würde gerne wissen, ob man beim SWR mit den Aussagen in der Sendung Zur Sache vom 11.9.2014 einverstanden ist?
- Hätte der Moderator, statt Zustimmung zu signalisieren, deutlich klar machen müssen, dass diese Argumentationsmuster nicht funktionieren?
- Ist man beim SWR auch der Meinung, man müsse sich zunächst humanitär um Deutsche kümmern, die in Not sind, statt um Flüchtlinge?
- Ist man beim SWR der Meinung, dass zuerst die Trümmerfrauen besser versorgt werden müssen, bevor man sich um Flüchtlinge kümmert?
- Würden Sie meine Einschätzung teilen, dass die Gesamtsendung geeignet ist, die „Das Boot ist voll“-Legende zu stützen?