Mannheim/Rhein-Neckar, 15. Oktober 2015. (red) Die Zustände auf Spinelli sind nicht unwürdig – sie sind eine Katastrophe. Wir haben Material zugespielt bekommen, das sprachlos macht. Müllhaufen in Eingangsbereichen, restlos vollgestopfte Hallen, ein bis zwei Ärzte, die ein paar Stunden pro Tag die Menschen versorgen. Verdreckte Toiletten, kaum Waschmöglichkeiten. Nach nicht einmal fünf Tagen gab es die ersten Magen-Darm-Infektionen – die Lebensumstände sind derart unterirdisch, dass man mit weiteren Infektionen rechnen muss. Es gab bereits die erste Demonstration von einer großen Menge Flüchtlingen, die gegen diese Behandlung demonstriert haben.
Kommentar: Hardy Prothmann

Der Hallenboden hier ist noch sauber. Bett an Bett reiht sich. „Privatsphäre“ gibt es genau keine. Foto: unbekannt
Das Material, dass uns zugespielt worden ist, treibt einem die Tränen in die Augen. Mehr Hoffnungslosigkeit geht nicht. Die Flüchtlinge auf Spinelli sind keineswegs in den Wohnhäusern untergebracht – sie leben zusammengepfercht in zugigen Panzerhallen.
6 Duschen für 3.000 Menschen?
Nur sechs Duschen sollen funktionsbereit sein – für 3.000 Menschen. Sie lesen richtig. Vor einer Woche wussten wir von „nur“ 1.000 Menschen, die hier zunächst untergebracht werden sollten. Jetzt sollen es drei Mal so viele sein. Und sechs Duschen. Wir können das nicht überprüfen – wir erhalten durch staatliche Behörden, die massiv das Presserecht unterlaufen, keinen Zugang.
Der Weg zu den Hallen ist vollständig eingezäunt und weit über einen Kilometer lang. Hinter einem Rangierbahnhof liegen die belegten Hallen – da kommen ungute Assoziationen auf.

Links liegt der Verschiebebahnhof. Die hier kasernierten Menschen sehen Zäune und Flutlichter. Die Atmosphäre ist die eines Straflagers. Foto: unbekannt
„Food no good“, sagt ein Mann in einem Video. „No Information“, sagt er weiter. „Where I am?“
Auf einem Foto sehen wir einen Müllhaufen von Einwegverpackungen direkt neben einer Eingangstür zu einer Halle. Das ist billigstes Fastfood-Verpackungsmaterial, das sicherlich keine Wärme in den Speisen hält.
Widerliche Zustände
Zwischen den Hallen stehen Dixi-Toiletten in Reihe. Es gibt auch einige Sanitärcontainer – die aber sind nicht angeschlossen.

Direkt neben einer Eingangstür liegt der Müll. Keiner kümmert sich. Foto: unbekannt
In den Hallen liegen die Flüchtlinge teils apathisch auf den Feldbetten – ohne Matratze und Kopfkissen. Ohne Sichtschutz. Da, wo Parzellen abgetrennt sind, versucht man ein wenig Privatsphäre mit Tüchern herzustellen. Die „Gänge“ sind teils schon deutlich verdreckt.
Ein, zwei Ärzte für Stunden, für Tausende
Auf weiteren Fotos sehen wir Frauen mit sehr kleinen Kindern, höchstens ein paar Wochen alt – warum sind diese Frauen mit diesen kleinen Babys hier untergebracht? Wer ist für diese vollständig untragbaren Zustände verantwortlich?
Wer unsere und andere Berichterstattungen verfolgt, weiß um die Aufregungen des vollkommen überbelegten „Casinos“ auf Patrick Henry Village. Gegen diese unglaublichen Zustände auf Spinelli war das Casino eine 5-Sterne-Unterbringung mit Extra-Wohlfühlfaktor.

Das vollständig überbelegte Casino im Patrick Henry Village war „Luxus“ gegenüber dem, was auf Spinelli die herrschenden Verhältnisse sind.
Uns Journalisten wird ein freier Zugang zu den Flüchtlingsunterkünften nach wie vor verwehrt – angesichts des Materials, was uns vorliegt, wissen wir auch warum. Man muss davon ausgehen, dass die Verantwortlichen diese heillosen Zustände vorsätzlich vertuschen wollen und niemand bereit ist, dafür Verantwortung auf brennende Fragen zu übernehmen.
Bislang appellieren wir an die Behörden, den Medien, die sich nachweislich inhaltlich und verständig mit dem Thema Flüchtlinge beschäftigen, einen ungehinderten Zugang zu geben. Wir wollen uns an die Ordnung halten, aber wenn die Ordnung nicht mehr respektiert werden kann, werden wir andere Methoden wählen.
Schlimm ist weniger als „nicht ganz optimal“
Wir haben als erstes Medium schon vor Wochen Spinelli und diese Hallen als „vorübergehende“ Unterbringungsmöglichkeit ins Spiel gebracht – aus der Überzeugung heraus, dass Flüchtlinge, die hier nur für eine sehr kurze Zeit von wenigen Tagen oder 2-3 Wochen unterbracht wären, „nicht ganz so optimale Zustände“ angesichts des „Flüchtlingsdrucks“ dulden müssen. Unter „nicht ganz optimal“ hatten wir uns nicht vorstellen können, was wir jetzt auf dem uns zugespielten Material sehen müssen.

Viele der Toiletten sind abgeschlossen, weil das „Innere“ absolut unzumutbar ist. Foto: unbekannt
Diese Zustände machen fassungs- und sprachlos. Dass die Verantwortlichen – wer auch immer das sein sollte – derart würdelose Zustände schaffen und dulden ist nicht akzeptabel. Hier muss ein „Mannheim sagt Nein“ zu dieser Entwürdigung eingefordert werden
Auch alle verantwortlichen Amtsträger der Stadt sind sofort aufgefordert, diese Zustände zu kritisieren und in geordnete Bahnen zu lenken. Alle Stadträt/innen sind aufgefordert, ihr wohlverdientes Wochenende aufzugeben, irgendwelche Feste irgendwelche Feste sein zu lassen und sich umgehend vor Ort zu begeben, sich vor Ort ein Bild zu machen und verantwortlich Stellung zu beziehen.
Jeder Tag, der diese Zustände duldet, ist ein Tag der Schande Mannheims.

Willenlos trostlos. Mannheim erlebt eine Zeit der Schande. Foto: unbekannt
Es werden noch viel mehr Flüchtlinge kommen – die von der Stadt geäußerte Zahl von 12.000 Personen darf schon heute als vollständig unrealistisch gelten – man mag sich gar nicht ausmalen, wenn es zwei, drei, viel Mal mehr Flüchtlinge sein werden und was für Zustände dann herrschen.
Wenn sich das nicht vermeiden lässt und in Mannheim innerhalb kürzester Zeit mehrere hochproblematische Ghettos entstehen, dann sind alle Verantwortlichen in der Pflicht, die Öffentlichkeit umfassend und ehrlich zu informieren, auf was sich Mannheim vorzubereiten hat.
Anm. d. Red.: Den größten Teil des uns zugesendeten Material wollen wir nicht verwenden, weil keine journalistischen Standards eingehalten worden sind und weil wir mit „Fremdmaterial“ umgehen müssen, dessen Authentizität wir nicht verifizieren können, weil uns ein freier und unabhängiger Zugang verwehrt wird und es keine anderen Quellen gibt. Wir halten das Material für glaubwürdig, letzte Zweifel müssen aber immer vorhanden sein. Die zuständigen Behörden verletzen nicht nur Artikel 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, sondern auch Artikel 5 GG: „Eine staatliche Zensur findet nicht statt.“
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