Rhein-Neckar/Berlin, 16. Juni 2018. (red/pro) Seit 2013 sind wir Mitglied im Deutschen Presserat – das freiwillige Selbstkontrollorgan der Presse, also überwiegend Zeitungen, hatte uns damals darum gebeten, als „qualitiativ hochwertiges Medium“ dem Verein beizutreten. Die Einladung haben wir angenommen, trotz Bedenken. Seither gab es einige Beschwerden gegen uns, die bis auf einen Hinweis alle abgelehnt worden sind. Jetzt wurden wir gerügt. Das ist das schärfste Schwert des Presserats, mit dem man zwar nichts schneiden kann, aber egal, die Bild hat ein Dauerabo auf Rügen. Warum wir genau gerügt wurden, wissen wir nicht, weil wir die Begründung noch nicht kennen. Interessant ist aber, wie das Mediensystem (Systemmedien) so läuft.
Von Hardy Prothmann
Gegen Freitagmittag ging die Pressemitteilung der aktuell durch den Presserat ausgesprochenen Rügen online. Das waren zehn an der Zahl. Drei Mal hat es „Bild“ betroffen, ein Mal die taz und ein paar andere. Aber unsere Rüge steht oben und das ist sehr erstaunlich, weil das Rheinneckarblog mit einem Male ganz oben in der Bundesliga der bedeutenden Medien mitspielt – denn wenn unsere mutmaßliche Verfehlung ganz oben steht, muss sie von entscheidender Bedeutung sein. Zufällig passiert das nicht.
RNB nimmt die Rüge ernster als manchem lieb sein wird
Verstehen Sie das nicht falsch. Ich meine das nicht ironisch. Ich nehme als verantwortlicher Redaktionsleiter die Rüge sehr ernst. Ernster als manchem lieb sein wird.
Vor allem, weil der Beschwerdeausschuss feststellt, dass wir dem „Ansehen des Journalismus“ nicht nur geschadet oder sehr geschadet, sondern „massiv geschadet“ hätten. Warum er das feststellt, wissen wir bislang noch nicht – wir können inhaltlich keinerlei Stellung beziehen, weil uns die Gründe nicht bekannt sind. Wir warten noch auf die postalische Zustellung.
Dafür stehen wir erst einmal am Pranger. Das ist so gewollt und eigentlich, betrachtet man den Pressekodex, eine schlimme Verfehlung des Selbstkontrollorgans, weil das ziemlich unfair ist, jemanden an den Pranger zu stellen, der sich nicht wehren kann, weil man nicht weiß, warum man an den Pranger gestellt worden ist. Das ist nur ein Grund, warum ich Bedenken hatte, dem Deutschen Presserat beizutreten. Mir ist dort viel zu viel intransparent und der Pressekodex gehört dringend überarbeitet. Egal, es ist aktuell, wie es ist.
Jähes Ende einer jungen Freundschaft
Wer unser Angebot aufmerksam verfolgt, hat mitbekommen, dass ich dem Mannheimer dpa-Korrespondenten Wolfgang Jung die Freundschaft aufgekündigt habe, was ich sehr bedauerlich finde, weil ich grundsätzlich finde, dass das ein guter Journalist ist. Wir haben uns mehrfach privat getroffen und bestens verstanden.
Aber Herr Jung arbeitet halt für die dpa und die dpa ist ein Unternehmen, dass den Zeitungsverlagen gehört und dementsprechend schreibt dpa immer wieder „wie Zeitung xy exklusiv“ berichtet. dpa hat noch nie geschrieben, wie „Rheinneckarblog exklusiv berichtet“, obwohl dpa unsere exklusive Berichterstattung verfolgt, dann aber wartet, bis Zeitung xy berichtet und dann meldet, dass Zeitung xy berichtet. Das habe ich mehrfach kritisiert und irgendwann wars dann mal gut, ich habe dem Kollegen die Meinung gegeigt, der schwieg – bloß nix aufschreiben, was dokumentiert wäre. Ist schade, ist aber, wie es ist. Der Kollege Jung ist kein freier Journalist wie ich, sondern angestellt – also singt der das Lied des Brotgebers. Schade für ihn, ich dachte, er hätte „Standing“ – aber auch ich kann mich täuschen.
Dokumentation, wie es bei Systemmedien zugeht
Am Freitag 17:07 Uhr bekamen wir eine Anfrage per email von dpa, zu erledigen bis 18:30 Uhr. Ein Zeitfenster von 1,5 Stunden – wir haben hier keine Pressestelle. Das ist journalistisch schon unverschämt:
Sehr geehrter Herr Prothmann,
der Deutsche Presserat hat heute mitgeteilt, dass er eine Rüge gegen den „Rheinneckarblog“ erteilt hat wegen des Berichts über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim. Wir hatten über den Fall berichtet.
Wir möchten Ihnen die Gelegenheit zur Stellungnahme geben und bitten Sie um eine zeitnahe Reaktion, die dann für die Berichterstattung verwendet wird. Wir würden die Berichterstattung noch bis 18.30 Uhr halten.
Es schrieb Monika Wendel, regionale Multimedia-Chefin dpa Wort.
Ich habe um 18 Uhr folgende Antwort (wäre ich auf Termin gewesen, hätte ich nicht auf die 1,5 Stunden-Frist antworten können) auf die Anfrage geschrieben:
Sehr geehrte Frau Wendel,
Schauen Sie genau hin. Ich habe einen zusammenhängenden Text angeboten, von dem ich wusste, dass er für eine Agentur viel zu lang ist, der der Agentur aber auch einen Zusammenhang bietet und portionsgerecht Zitate liefert.
Dann noch einen Nachtrag, weil ich das vergessen hatte:
„Die enorme Aufmerksamkeit zeigt, wie intensiv das Rheinneckarblog wahrgenommen wird. Aber dass wir so wirkmächtig sind, dass ein ungewöhnlicher Artikel nach Meinung des Presserats das Ansehen der Presse deutschlandweit beschädigt haben soll, wusste ich bis jetzt nicht. Wow.“
Der Deutsche Presserat hat eine Rüge gegen den „Rheinneckarblog“ wegen eines Berichts über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim ausgesprochen. „Unabhängig von der Absicht, die die Redaktion mit dem erfundenen Bericht verfolgte, hat sie damit dem Ansehen der Presse massiv geschadet“, teilte der Presserat am Freitag in Berlin mit.
Der Internet-Blog hatte im März einen Text über einen angeblichen Anschlag mit 136 Toten in Mannheim publiziert. Es war die Rede von 50 Angreifern, die für ein „Blutbad apokalyptischen Ausmaßes“ verantwortlich seien. Danach waren Beschwerden beim Presserat eingegangen.
Die Redaktion habe angegeben, der Text sei so übertrieben gewesen, dass jeder durchschnittliche Leser hätte stutzig werden müssen, schrieb der Presserat in seiner Mitteilung. „Der Presserat folgt der Kritik der Beschwerdeführer, dass über den fiktionalen Charakter des Berichts erst hinter einer Bezahlschranke aufgeklärt wurde.“
Der Redaktionsleiter des „Rheinneckarblogs“, Hardy Prothmann, teilte dazu mit: „Ich warte auf die Begründung der Rüge und entscheide dann, ob ich Beschwerde einlege.“ Auch auf der Seite des „Rheinneckarblogs“ nahm er Stellung.
Der Deutsche Presserat ist die freiwillige Selbstkontrolle der Presse. Bei Sitzungen im Juni hatte das Gremium insgesamt zehn Rügen erteilt.
Ob das die Originalmeldung von dpa ist, weiß ich nicht, weil wir darauf keinen Zugriff haben. Aber diese Meldung findet sich auf vielen Seiten und scheint wohl so übermittelt worden zu sein.
Keine Einordnung, sondern mediale Präjustiz – es ist erbärmlich
Gucken Sie oben, was ich inhaltlich sogar „exklusiv“ angeboten habe, das war sehr viel, das war sehr differenziert. Zitiert wurde ich nur mit dem letzten Satz. Und vergleichen Sie die Textmenge, die dem Presserat gewidmet wurde und meine Stellungnahme – das Missverhältnis ist mehr als eindeutig. Der Charakter der Meldung ist Präjustiz. Es soll vorsätzlich Schaden erzeugt werden. Obwohl man Kenntnis von Hintergründen hat, werden diese ausgeblendet. Man hat vorgeblich nachgefragt und damit die „journalistische Sorgfaltspflicht“ erfüllt, aber niemals ernst genommen. Im Ergebnis bleibt nur Propaganda.
Das übertragen Sie mal auf andere Berichte der dpa.
Nochmal zur Erinnerung: dpa gehört den Zeitungen. Ich habe einem von mir eigentlich respektierten dpa-Kollegen die Freundschaft gekündigt, weil ich dessen Systemagieren unerträglich finde.
Und dessen Kollegin fragt mich an, baut Druck auf, setzt eine echt krass kurze Frist, ich gebe mir Mühe, den Sachverhalt kurz und knackig zu machen und am Ende bleibt nur ein kurzes Zitat übrig, nachdem der Pranger inszeniert worden ist.
Willkommen in der Machtwelt der dpa, die Journalismus vorgaukelt, den Zeitungsverlagen gehört, die dpa in Hülle und Fülle nutzen.
Falsche Gewichtung und falsche Einordnung
Die Bild erhält gleich drei Rügen, sogar die taz – aber das RNB steht oben und dpa konzentriert sich auf RNB.
Das mag verwundern, muss es aber nicht.
Das RNB ist in den vergangenen Jahren so vielen Medien, darunter vielen Zeitungen so heftig auf den Schlips getreten, dass man um jede Gelegenheit geradezu gierig ist, um es dem RNB heim zu zahlen. Kein Sorge, wir sind nicht paranoid – die sind trotzdem hinter uns her.
Das Erschütternde daran ist, dass die allermeisten „Opfer“ des RNB nicht kapieren, dass wir kritisch mit ihnen umgehen und ihnen nicht böse wollen, sondern aufmerksam auf eine massiv sinkende Qualität machen, die letztlich dazu führt, dass Journalismus immer mehr in Verruf gerät.
Statt es zu verstehen, werden die Methoden immer perfider und supergroße Medien konzentrieren sich auf einen Vernichtungszug auf das kleine RNB. Das ist bitter, aber leider nicht weiter erstaunlich. Diese Branche ist genau so im Arsch wie die Politik – entschuldigen Sie den rüden Ausdruck.
Wir haben das mit der fiktionalen Terrormeldung sogar derart übertrieben, dass wir uns selbst in Verruf gebracht haben – wohlgemerkt mit nur einem Artikel. Und auch das war Teil des „Experiments“, das „gelungen“ ist – der ganz überwiegende Teil der Medien ist drauf angesprungen und hoffte, durch die Vernichtung des RNB eine Art Selbstreinigung zu erfahren. Das ist leider alles sehr armselig.
Danke für die absurden Blumen
Es ist vollständig absurd, dass ein Regionalmedium wie RNB „dem Journalismus“ in Deutschland einen „massiven Schaden“ zufügen kann – außer, man hält das RNB für die letzte Bastion eines ehrlichen und kritischen Journalismus. Naja, vielleicht tun das ja viele und neiden das. Und wenn es so wäre, das wäre doch schrecklich.
Wie in der Erstmeldung beschrieben – inhaltlich können wir aktuell keine Stellung nehmen, weil uns die Gründe der Entscheidung nicht vorliegen.
Das hält aber dpa und andere nicht ab, den „massiven Schaden“ in die Welt zu blasen – ebenfalls völlig ahnungsfrei. Mit Journalismus hat dieser Mist nichts zu tun – das ist nur noch miese Meinungsmache.
Ich halte solche Angriffe als verantwortlicher Redakteur aus – seit Jahren. Wie lange ich dazu noch „Bock habe“, weiß ich nicht.
RNB ist bundesweit sehr wichtig – würde man sonst überall berichten?
Andersrum wird ein Schuh draus – es ist schier unglaublich, welche Bedeutung das RNB offenbar sogar bundesweit hat. Ich weiß, dass bei uns sehr viele Journalisten mitlesen. Und ich weiß, dass sehr viele unsere Freunde sind und unsere Arbeit achten, auch, wenn sie nicht mit allem einverstanden sind. Müssen sie auch nicht. Und viele teilen das nicht öffentlich mit – aus Sorge, dass sie Probleme bekommen könnten. Wie bitter.
Aber die Legion der „Feinde“ ist ebenfalls enorm groß – ich zähle dazu Medien, Redaktionen, Journalisten, die keine Haltung haben, die geringste Standards noch unterlaufen und sich für keinen „Scheiß“ zu schade sind.
dpa hat nur wenig mit ehrlichem Journalismus zu tun
dpa gehört für mich leider dazu und damit wesentliche tägliche Inhalte der Tageszeitungen, die täglich unters Volk gebracht werden. Ergebnisoffener, ehrlicher und abwägender Journalismus findet hier nicht mehr statt – so zumindest mein Eindruck aus umfänglicher persönlicher Erfahrung. Ich schreibe solch ein hartes Urteil nicht leichtfertig, sondern verantwortlich.
dpa und die Zeitungslandschaft in Deutschland haben ein sehr massives Problem. Sie können versuchen, sich an RNB abzuarbeiten. Sie sollten dringend versuchen, inhaltlich besser zu werden und eine einwandfreie journalistische Grundhaltung zurückzuerlangen – denn der Kompass ist längst verloren gegangen.
Übrigens: Dem dpa-Chef Sven Gösmann habe ich in der jüngeren Vergangenheit mehrfach Fehler gemeldet. Die wurden immer korrigiert. Antworten habe ich nie erhalten – wäre ja ein schriftlicher Beleg.
Unsere Leserschaft kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit von mir zu erwartende Einspruch gegen die Rüge nicht weiter als Nachricht für dpa taugen wird.
Der miese Zustand der Branche rechtfertigt leider Lügenpresse-Rufer
Sehr bitter ist, dass diese Praxis der frisierten Nachrichten am Ende denen Recht gibt, die Lügenpresse rufen. Da läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter.
Aber möglicherweise haben diese Rufer recht.
Für das RNB kann ich das ausschließen. Denn ich stehe mit meinem Namen und meiner Haltung dafür ein, dass wir hier ehrlich und transparent berichten – ob es gefällt oder nicht.
Wir können immer jede Zeile rechtfertigen, machen uns mit niemandem gemein, müssen keine Geschäftsverhältnisse berücksichtigen. Fehler werden von uns transparent dokumentiert.
All das, liebe Leserin, lieber Leser, ist für viele andere Medien nicht nur ein rotes Tuch – dafür werden wir in Teilen der Branche regelrecht gehasst.
Unabhängig davon dokumentieren wir transparent die Rüge, unsere Stellungnahme und sollten wir ein Fehlverhalten bei uns erkennen, wird das selbstverständlich benannt.
Und, ach ja – selbstverständlich werden Sie nirgendwo eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Artikel finden. Denn dazu müsste man arbeiten und nicht Präjustizen verteilen. Alles klar?
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