Weinheim, 16. Januar 2016. (red/pro) Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – aber auch eine hohe Verantwortung. Insbesondere dann, wenn man nicht als Privatperson agiert, sondern eine öffentliche Funktion hat. Aktuell haben wir die Weinheimer Jugendgemeinderätin Frieda Fiedler abgemahnt – weil das offenbar sein muss.
Von Hardy Prothmann
Ein politisches Engagement von jungen Menschen finde ich grundsätzlich positiv. Beispielsweise in Jugendgemeinderäten. Junge Menschen setzen sich für andere junge Menschen ein.
Fragen über Fragen
Doch das ist nur ein Blickwinkel. Immer, wenn sich Menschen für etwas einsetzen, ist die erste Frage: Warum? Und es folgen weitere: Wer? Für was? Wo? Gibt es eigene Vorteile? Macht der Einsatz Sinn? Das sind nur einige Fragen, die ich mir als Journalist immer stelle, nach Antworten suche und dann die Öffentlichkeit informiere.
Mit Frieda Fiedler, Sprecherin des Weinheimer Jugendgemeinderats, hatten wir einen guten Kontakt. Das hat sich aber verändert. Insbesondere in Verbindung mit unserer kritischen Berichterstattung zur NPD und zur Flüchtlingskrise.
Der Jugendgemeinderat wird von der Stadtverwaltung gesteuert. Er ist anders als es den Anschein hat, eben kein Gremium, in dem freie Mandatsträger Entscheidungen treffen. Ein Jugendgemeinderat kann keine verbindlichen Entscheidungen treffen. Üblicherweise wird er durch städtische Mitarbeiter betreut – die können auch Einfluss auf die Mitglieder ausüben.
Kritische Berichterstattung belastet „guten“ Kontakt
Mit Frau Fiedler und anderen Mitgliedern hatten wir wie gesagt einen guten Kontakt. Eine kleine „Delegation“ besuchte mal die Redaktion. Wir haben verschiedene Sitzungen besucht und insgesamt wohlwollend berichtet, engagieren sich doch junge Menschen. Das ist erst einmal positiv.
Aber: Drei NPD-Bundesparteitage in der Stadt Weinheim, ein kopfloses Agieren der örtlichen Politik, die enorme versuchte Einflussnahme der Stadtverwaltung auf die öffentliche Debatte hinterlassen Spuren. Anders ausgedrückt: Unsere Redaktion ist nicht gerade beliebt bei dieser Stadtverwaltung.
Dazu kommt die Flüchtlingskrise. Auch hier steht unsere kritische Berichterstattung oft gegen „Interessen“ von „Playern“ – sei es die Stadt selbst, seien es Bürgerinitiativen. Hier fließen viele Interessen ein und zusammen. Und man möchte „gut“ dastehen. Kritik ist da eher nicht willkommen in der Willkommenskultur.
Weinheim bleibt Filz
Beispiel: Weinheim bleibt bunt. Die Sprecher dieser „Initiative“ sind: Roland Kern, PR-Mitarbeiter der Stadt Weinheim. Dirk Ahlheim: Mitglied der CDU und Sprecher einer Bürgerinitiative. Frieda Fiedler, Sprecherin Jugendgemeinderat. Stella Kirgiane-Efremidis, SPD-Stadträtin, Hans-Ulrich Sckerl, grüner Landtagsabgeordneter und Stadtrat, Monika Springer, Ortsvorsteherin Freie Wähler.
Es handelt sich also beileibe nicht um ein „bürgerliches Bündnis“, sondern klar um ein Bündnis, das aus politischen Interessenvertretern besteht.
Dieses Bündnis hat eine Gegenveranstaltung zum NPD-Bundesparteitag mit organisiert. Wir haben dieses Bündnis keiner scharfen Kritik unterzogen, aber festgestellt, dass wir nichts von der Aktion halten. Tatsächlich ist der „Widerstand“ auch sang- und klanglos untergegangen. Man fühlt sich toll, erreicht aber Null Wirkung. Das haben wir auch vorausgesagt. Dem Weinheimer Filz in seinen vielfältigen Beziehungen schmeckt das gar nicht.
Mit einer solchen Kritik macht man sich nicht beliebt. Deswegen ist das Verhältnis zu den meisten „Sprechern“ eher frostig. Vorher war es mal ganz gut.
Gezielte Beschädigung
Frau Fiedler hat uns aktuell in die Nähe der AfD gerückt. Warum? Weil die rechtspopulistische Partei Werbung bei uns schaltet. Sie fragte sich, ob man sich nicht „aussuchen kann“, wer bei einem wirbt.
Das kann man. Die Stadt Weinheim hat noch nie bei uns geworben. Ebensowenig die SPD Weinheim. Von den Grünen und der CDU gab es mal ne kleine Werbung, von den Freien Wählern nie. Die AfD Mannheim stellt ordentliche Anfragen, weist auf Veranstaltungen hin und bezahlt pünktlich.
Wir haben auch sehr viele andere Werbepartner – was wir nicht zulassen, ist, dass Interessenvertreter versuchen, diese zu beschädigen. Das hat nämlich nicht mehr viel mit „Meinungsfreiheit“ zu tun, da geht es über in diffamierende Hetze. Und es ist grundsätzlich unendlich dumm, weil offenbar jedes Wissen fehlt, dass Medien sich überwiegend über Werbung finanzieren und ausbleibende Werbegelder der Grund für die massive Medienkrise sind.
Im Gegensatz zu gewissen Tageszeitungen gibt es bei uns keine Sex-Anzeigen, keine von dubiosen Geldverleihern oder anderen Mist. Darüber hinaus verkaufen wir keine Artikel mit einer Werbung als „Gegenleistung“ – das aber ist absolut üblich bei Printprodukten.
Frau Fiedler mag jung sein – aber dann soll sie Finger von der Öffentlichkeit lassen. Das ist der beste Rat, den wir ihr geben können. Man sollte nur Dinge tun, die man beherrscht. Wer jung ist, darf Fehler machen, wie ältere auch – wer in die Öffentlichkeit drängt, muss bereit sein, öffentlich „behandelt“ zu werden. So ist das nunmal.
Unser Arbeit kostet Geld – den Großteil erlösen wir über Werbung. Unser Berichterstattung über die Chaostage von Weinheim hat hohe Aufmerksamkeit erregt. Warum? Weil wir gut und transparent berichten und keine Lager bedienen. Und letztlich hat sogar die Polizei erstmals eine Einsatzdokumentation bezeigt – das gab es noch nie. Der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl will das als seinen Erfolg verkaufen – Tatsache ist, dass wir massiv darauf hingedrängt haben, mit Anfragen an die Polizei und das Innenministerium.
Versuche, uns und unsere Werbekunden zu diskreditieren, gibt es viele. Wir halten das schon lange aus und werden das aushalten, aber irgendwann ist immer mal wieder Schluss mit lustig.
Schluss mit lustig
Frau Fiedler hat als „Beweis“ einen Screenshot unserer Seite öffentlich auf Facebook gepostet. Kann man machen – aber nicht ohne Erlaubnis. Sie hat zwei mal unsere Urheberrechte verletzt und einmal das eines Anzeigenkunden.
Vielleicht wollte Frau Fiedler in vorauseilenden Gehorsam den anderen „erwachsenen“ Sprechern zeigen, wie mutig sie ist und dass sie es „uns mal so richtig zeigt“. Kann sein, kann auch nicht sein. Jedenfalls hat sie rechtswidrig gehandelt und offenbar hat ihr niemand mal eine Einführung in politisches Handeln und Medienrecht gegeben – noch nicht einmal der städtische PR-Mann Roland Kern, der zumindest über ein Grundwissen verfügen sollte.
Unsere Berichterstattung, liebe Frau Fiedler, ist der tägliche Beweis, dass wir nicht käuflich sind – im Gegensatz zu anderen. Wir kritisieren alle und jeden, je nach Informationslage. Wir loben auch gerne – wenn es dafür Gründe gibt.
Abmahngeld wird Spende
Jetzt hat die junge Dame von uns eine Rechnung bekommen. Und mit Sicherheit einen Schreck – auch wenn der Betrag überhaubar ist. Und vielleicht werden die anderen sie trösten und ihr sagen, dass sie gut gehandelt hat und unsere Reaktion „der Beweis“ wäre. Keine Ahnung, ob das so ist.
Unser guter Rat an Frieda Fiedler und andere junge Menschen ist: Lernt schnell ein gesundes Misstrauen und lasst Euch nicht vereinnahmen. Ihr seid für Polit-Profis nur „Kanonen-Futter“. Sie lächeln Euch an, aber sie überlegen nur, wie sie Euch ausnutzen können. Nicht mehr, nicht weniger.
Fest steht auch: Die Stadtverwaltung Weinheim ist offenbar nicht in der Lage, junge, politisch interessierte Menschen darüber aufzuklären, „was geht und was nicht geht“. Es reicht, dass man sie für Fototermine nutzen kann.
Anm. d. Red.: Wir mahnen nur äußerst selten ab, weil wir mit Werbung unser Geld verdienen wollen und uns über Beiträge von Förderkreismitgliedern freuen. Das Geld aus dieser Abmahnung spenden wir an Reporter ohne Grenzen – einem Verein, der sich tatsächlich uneigennützig für bedrohte Journalisten auf der ganzen Welt einsetzt und keine politische Selbstbeweihräuscherungsmaschine ist.
Kritische Berichterstattung kostet Geld und verhindert Umsätze, wie am Beispiel des Weinheimer Filz deutlich wird.
Wir freuen uns über Ihre finanzielle Unterstützung als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für informativen, hintergründigen Journalismus. Hier geht es zum Förderkreis.