Mannheim, 16. Februar 2016. (red/ae) Wie viele Frauen in Mannheim zur Prostitution gezwungen werden, ist unklar. Es könnten einige paar hundert sein. Was wird dagegen getan? Das haben wir Knut Berends vom Polizeipräsidium Mannheim im Interview gefragt.
Interview: Alina Eisenhardt
Was unternimmt die Polizei gegen illegale Prostitution?
Knut Berends: Aufgrund der Rechtslage in Baden-Württemberg bestehen neben unten genannten Maßnahmen lediglich Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten über weiteres Ordnungsrecht (unter anderem Gewerbe- und Gaststättenrecht) und das Baurecht, in dem illegale Betriebe außerhalb des Sperrbezirkes behördlicherseits geschlossen werden können. Letztlich bleiben hier ständige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen an den bekannten Örtlichkeiten unter Einbeziehung weiterer zuständiger Behörden als geeignetes Mittel.
Welche Kriminalität gibt es im Umfeld von Prostitution?
Berends: Grundsätzlich zieht Prostitution immer eine Vielzahl unterschiedlichster Straftaten nach sich, angefangen vom einfachen Diebstahl über Körperverletzungs- und Raubdelikte bis hin zu Rauschgift- und organisierter Kriminalität. Dabei finden die Straftaten einerseits zum Nachteil der Prostituierten statt, jedoch auch zum Nachteil der Freier, wenn es zu Konflikt-Situationen mit den „Sicherheitsdiensten“ einzelner Etablissements kommt. Und auch die an einen Besuch bei einer Prostituierten anschließenden Straftaten spielen in das Milieu rein, wenn beispielsweise ein betrunkener Freier im Anschluss an einen Bordellbesuch auf der Straße ausgeraubt wird.
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Lesetipp: Beratungsstelle „Amalie“ hilft beim Ausstieg aus Prostitution

Lupinenstraße in Mannheim. Foto: Von Hubert Berberich (HubiB) – Eigenes Werk
„Hier kann ich wieder Mensch sein“
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Wer sind die Freier?
Berends: Freier entstammen grundsätzlich jeder gesellschaftlichen Schicht und jeder im Präsidialbereich wohnhaften Nationalität. Auch normal situierte, junge Männer kommen mitunter in Gruppen nach Partys in Bordelle, um als Freier Dienstleistungen zu empfangen. Diese Entwicklung in jüngster Zeit ist neu und war zuvor so nicht zu registrieren.
Werden Prostituierte Opfer von Verbrechen?
Berends: Prostituierte werden zum Teil Opfer von Kriminalität, zum Beispiel von Körperverletzungsdelikten oder Leistungserschleichung. Dabei sind die Zahlen im Polizeipräsidium Mannheim tendenziell rückläufig mit einem Stand von acht Straftaten zum Nachteil von Prostituierten im Jahr 2015.
Was passiert, wenn ein Freier bei einer illegalen Prostituierten festgestellt wird?
Berends: Eine Prostituierte handelt gemäß der Rechtsverordnung des Regierungspräsidiums Karlsruhe über das Verbot der Prostitution im Stadtkreis Mannheim von 1976 ordnungswidrig, wenn sie innerhalb des Sperrbezirks der Prostitution nachgeht. Dies kann über das zuständige Ordnungsamt mit einer Geldbuße geahndet werden. Als Folge einer beharrlichen Zuwiderhandlung des Verbotes kommt der Straftatbestand des § 184e StGB (Ausübung der verbotenen Prostitution) in Betracht, der eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe vorsieht. Ein Freier handelt nach der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Mannheim ebenfalls ordnungswidrig, da es nach dieser Vorschrift untersagt ist, zu einer Person Kontakt aufzunehmen, um sexuelle Handlungen gegen Entgelt zu vereinbaren. Auch dieser Tatbestand kann durch die Stadt Mannheim mit einer Geldbuße geahndet werden. Grundsätzlich gestaltet sich die Beweisführung bei der illegal ausgeführten Prostitution jedoch relativ schwierig und ist gemessen an der Schwere des Tatvorwurfs zum Teil lediglich mit einem enormen Personal-, beziehungsweise Zeitaufwand verbunden. Hierfür sind meist Aussagen vonnöten, die entweder von den Prostituierten, beziehungsweise den Freiern gemacht werden müssten. Dies unterbleibt jedoch in der Regel, da insbesondere die Wohnungs- und Hotelprostitution stark durch Anonymität und Diskretion – nicht nur gegenüber den Behörden, sondern auch Nachbarn und dem Bekanntenkreis – geprägt ist. Nicht zuletzt aufgrund der Verschleierung des Prostitutionsgeschäftes und der allgemeinen Abschottung des Milieus gegenüber der Polizei gelingt es zumeist nur aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung Kenntnis davon zu erlangen.
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Die Polizei schätzt, dass in Mannheim 250 bis 300 Frauen in der Prostitution tätig sind. Die Diakonie gibt dagegen eine Spannbreite von 500 bis 1.200 Frauen an. Wie kommt es zu so einer Diskrepanz?
Berends: Prostituierte unterliegen in Baden-Württemberg weder einer Meldepflicht noch einer sonstigen behördlichen Registrierung, weshalb der Polizei in diesem Bereich grundsätzlich keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Ferner ist zu bemerken, dass in diesem Milieu eine hohe Fluktuation besteht bzw. einige Frauen der Prostitution nur gelegentlich, nebenbei oder für einen kurzen Zeitraum nachgehen. Die Anzahl der Prostituierten beruht daher auf Schätzungen aufgrund der kriminalpolizeilichen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen. Auf dieser Grundlage wird davon ausgegangen, dass sich in Mannheim täglich circa 200 bis 250 Frauen prostituieren.