Mannheim, 16. September 2015. (red/me) Der Beitritt des ehemaligen Linken-Stadtrats Julien Ferrat zur konservativen Familienpartei wird die Mehrheitsfindung im Mannheimer Gemeinderat zukünftig wohl noch weiter erschwert werden. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Haushaltsberatungen wird eine Kompromissfindung bei Entscheidungen des Gemeinderats in den kommenden Wochen wohl immer schwieriger werden und vermutlich auch bis über die Landtagswahl am 13. März 2016 andauern.
Kommentar: Mathias Meder
Die linke Mehrheit im Mannheimer Gemeinderat ist nun wohl endgültig dahin, andere Mehrheiten jedoch auch nicht erkennbar. Im Rat geht nun wirklich nichts mehr so weiter wie bisher. Denn nach dem Beitritt von Julien Ferrat zur konservativen Familienspartei wird eine Zustimmung des ehemaligen Linken-Stadtrats zu Vorhaben von SPD, Grünen und Linken immer unwahrscheinlicher. Damit jedoch haben die drei linken Parteien nur noch 23 von 48 Stimmen im Gemeinderat und selbst mit einer zusätzlichen Stimme des Oberbürgermeisters Peter Kurz (SPD) keine Mehrheit mehr. Wenn man berücksichtigt, dass die bürgerlichen Parteien auf die Stimme der NPD im Gemeinderat nicht angewiesen sein wollen, dann ergibt sich damit mindestens ein Patt von 24:24 im Gemeinderat. Die NPD-Stimme will keiner haben.
Die Suche nach Gemeinsamkeiten
Was also sind denkbare Szenarien? Schwierig. Denn so richtig passt es nicht. SPD, Grüne und Linke können versuchen, die FDP auf ihre Seite zu ziehen, so wie es in der Vergangenheit bei Fragen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpolitik schon möglich war. Doch dann hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Denn bei der Sicherheits- und Ordnungspolitik steht die SPD der CDU näher als den anderen Parteien. Und in der Schul- und Bildungspolitik wird die FDP nicht mitziehen, vermutlich auch die Linke nicht. Wer weiß, wie schwierig es ist, unter zwei Beteiligten einen Kompromiss auszuhandeln, der versteht, dass es bei drei Parteien noch schwieriger ist und bei vier fast unmöglich. Doch dies wird nun zur Normalität.
Auf der anderen Seite verfügen CDU, FDP und Mannheimer Liste über gerade mal 18 Stimmen, die sie durch Zustimmung von ALFA und der anderen Einzelstadträte auffüllen könnten. Hier einen Kompromiss auszuhandeln, wenn insgesamt sechs Parteien an einem Tisch sitzen, dürfte schon an der mangelnden Verlässlichkeit einiger Einzelstadträte und Gruppierungen scheitern.
Große Koalition als Lösung?
Schließlich bleibt als Szenario ein Zusammenrücken von SPD und CDU, eventuell noch mit den Grünen. Doch wird das ein halbes Jahr vor der Landtagswahl funktionieren? SPD und CDU gemeinsam hätten zwar eine Mehrheit von 25 Stimmen, könnten aber wohl nur in Fragen der Sicherheit, Kultur und des Sports geräuschlos zusammenfinden. In den übrigen Politikbereichen dürfte es schwierig werden und in den landespolitisch wichtigen Feldern wie Bildung, Sozialem und Umwelt sogar fast unmöglich sein. Da gönnt man sich doch nichts.
Es sei denn, man vereinbart einen Deal: Die CDU bekommt einen Erfolg beim Thema Sicherheit, die SPD dagegen bei der Bildung und die Grünen etwas Umweltschutz. Und dann noch etwas mehr Ausgaben bei der Kultur. Ein paar Ordnungsdienststellen hier, ein paar Bildungsprojekte da und ein Aktionsprogramm zur Fassadenbegrünung dort. Alle anderen Wünsche und Begehrlichkeiten werden abgelehnt, da diese erst recht nur Geld kosten. Dann stimmt sogar der OB zu.
Mehr Gegeneinander als Miteinander
Doch reicht diese Schnittmenge für eine aktive und gestaltende Rolle des Gemeinderates? Die Verwaltung macht ihr Ding und die Stadträte können sich nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen. Zumal eine Verständigung der Parteien untereinander auch schon schwierig genug ist. Denn SPD und Grüne betreiben einen gemeinsamen Landtagswahlkampf gegeneinander, die SPD ist noch immer auf die CDU sauer wegen des unfairen OB-Wahlkampfes, die CDU muss den Fraktionsvorsitzenden im Wahlkampf unterstützen und von den Grünen hat man schon lange nichts mehr Neues gehört, wenn man mal von Einzelengagements für Flüchtlinge absieht.
Ein lahmer Gemeinderat ist jedoch die Wurzel für neue Politikverdrossenheit. Wenn der Gemeinderat selbst sich nicht durchsetzen kann, wird man sich an der Verwaltung und dem OB abarbeiten. Statt Gestalten ist dann nur noch Kritisieren angesagt. Und eine Verwaltung, die nur knappe Mehrheiten des Gemeinderats hinter sich weiß, muss um diese ständig fürchten, wenn der Wind sich mal wieder dreht.
Ein Wettstreit um neue Ideen ist nötig
Eine Neuwahl kann und wird es schon rein rechtlich nicht geben. Aber es müssen zwei Dinge passieren: Ein neuer Wettstreit der Parteien um die besseren Ideen und Konzepte muss entstehen, damit man damit auf Mehrheitssuche gehen kann. Die Parteien müssen Neues liefern. Nicht einfach nur dagegen sein, weil der politische Gegner etwas vorschlägt, sondern ein Gegenkonzept anbieten, so dass man nicht ideologisch, sondern inhaltlich streiten kann. Und es braucht zugleich eine gemeinsame Anstrengung der Fraktionen und Gruppierungen, möglichst große Mehrheiten gemeinsam zu formen. Dann nur kann der Gemeinderat auch in Zukunft stark und geschlossen in der Öffentlichkeit auftreten und einen lähmenden Dauerstreit vermeiden.