Hemsbach, 16. Februar 2016. (red/nh) In jeder Stadt und in jedem Dorf gibt es ein Rathaus. Warum das so ist? Das Rathaus gehört seit je her zu den wichtigsten Orten einer Stadt. Es repräsentiert die Politik ebenso wie die Gemeinde, es schafft Identität und ist unentbehrliche Anlaufstelle für die Bürger. Wir begeben uns auf Spurensuche und nehmen die Rathäuser der Rhein-Neckar-Region in einer Serie unter die Lupe. In Hemsbach dient eine ehemalige Villa als Rathaus.
Von Naemi Hencke
Rathäuser sind als Institution seit dem zwölften Jahrhundert nicht mehr aus Städten und Dörfern wegzudenken. Hier werden seitdem überwiegend alle wichtigen wirtschaftlichen Belange einer Gemeinde geregelt. Es ist Sinnbild für das politische Geschehen und bedeutend als Identitätsstifter der bürgerlichen Gemeinde. Es ist die zentrale Anlaufstelle einer Stadt.
Anfangs wurden Zweckbauten wie Markthallen oder Wohnhäuser zu Rathäusern umfunktioniert; oft am Marktplatz und in der Nähe der Kirche gelegen.
Im Laufe der Zeit wuchsen die Gemeinden beständig und damit auch die Aufgaben des Rates: Viele Städte entschieden sich gegen einen Neubau – wahrscheinlich auch wegen der Kosten – und bauten nach und nach an und um.
Mediterrane Villa
Die Geschichte des heutigen Hemsbacher Rathauses beginnt im Jahre 1762 – damals kaufte der kurfürstliche Jagtrat Franz Blesen das alte Schloßgut. Vielleicht inspiriert von den schmucken italienischen Villen auf seinen Reisen – ließ er sich zwei Jahre später auf dem Platz des ehemaligen Pferdestalls der alten Tiefburg eine prächtige zweigeschossige Villa erbauen.
Rothschild gibt der Villa seinen Namen
Im Laufe der Zeit ging das Anwesen durch viele verschiedene Hände – bis es im Jahre 1839 der Baron und Bankier Carl Mayer Freiherr von Rothschild erwarb und dem Haus seinen Namen gab. Er lebte mit seiner Familie in Frankfurt und Neapel.
Das Schloss
1850 sollte die Villa noch prächtiger werden – nämlich ein Schloss. Rothschild ließ das Gebäude um zwei Stockwerke wachsen und vergrößerte es zudem um den Anbau zweier Flügelbauten. Der Garten wurde zu einer weitläufigen Parkanlage umgestaltet – vielleicht aus Liebe zu Italien und weil das Klima an der Bergstraße es zulässt – mit einer großen Vielfalt an mediterranen Pflanzen, wie Palmen und Olivenbäumen. 1901 verkauft der Sohn Wilhelm Carl Rothschild das gesamte Anwesen an den Grafen Von Berckheim aus Weinheim.
Neues Rathaus
Bis 1925 gab es wiederum einige Besitzerwechsel. Scheinbar kümmerte sich aber niemand bewusst um den Erhalt des Hauses – denn als es 1925 die Gemeinde Hemsbach erwarb, war es in einem sehr maroden Zustand. Die Gemeinde musste das Gebäude größtenteils renovieren. Drei Jahre später konnte endlich die Verwaltung in das “Schloss” einziehen. Ab diesem Zeitpunkt wurde es auch das “Neue Rathaus” genannt.
Dass es dennoch einer grundlegenden und umfassenden Sanierung bedurfte, wurde schon in den 90er Jahren deutlich. Doch aufgrund der finanziellen Lage der Gemeinde mussten die Baumaßnahmen zunächst aufgeschoben werden.
Gefahr für BürgerInnen
Herabfallende Fassadenteile des Rathauses ließen 2005 keine Fragen mehr zu: Die Stadt Hemsbach musste reagieren. Im darauf folgenden Jahr wurde die Gebäudesanierung beschlossen und auf einen Kostenumfang von etwa 3,7 Millionen Euro veranschlagt.
Mit Fördermitteln wurde der vielversprechendste Entwurf umgesetzt: Es sollte, trotz angestrebter Barrierefreiheit, so wenig Raum wie möglich verloren gehen und das historische Erscheinungsbild weitestgehend unberührt bleiben.
Die horizontale sowie vertikale Erschließung erforderte dennoch einen Tribut: Die historische Treppe aus dem Jahr 1840 musste schwinden. Zweieinhalb Jahre dauerten die Sanierungsmaßnahmen an – ein großer technischer und organisatorischer Aufwand wurde dabei bewältigt. Wer das Rathaus besucht wird feststellen, dass sich der Aufwand gelohnt hat: Mitten im Zentrum, ein ehemaliges Schloss, heute ein Rathaus, welches allen BürgerInnen zugänglich ist.
Fast vergessen? Das Alte Rathaus
Es gibt noch das Alte Rathaus in der Bachgasse 7 in Hemsbach. Ein im ersten Moment nicht sehr auffallender, zweigeschossiger Putzbau, der gegenüber der Laurentius Kirche gelegen ist. Die Erdgeschosshalle wurde bereits im Jahre 1618 erbaut – später, Mitte des 19. Jahrhunderts, fiel das Obergeschoss einen Brand zum Opfer und wurde hiernach wieder neu aufgebaut.
Im Vergleich zum mächtig wirkenden Rothschildschloss im Zentrum von Hemsbach, wirkt dieses Gebäude eher zurückhaltend und unaufdringlich. Heute ist es von Grund auf renoviert und dient dem Gemeinderat und den Fraktionen als Sitzungsraum. Zudem finden hier auch Vorträge und Ausstellungen statt.
Rathaus-Außenstelle
Zudem gibt es seit 2006 eine Rathaus-Außenstelle in der Hildastraße 12. Diese liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Schlosses. Diverse Vorgaben für Barrierefreiheit und Brandschutz führten dazu, dass die Stadt nach der umfassenden Sanierung des Rothschildschlosses weniger Nutzfläche zur Verfügung stand. Die Stadt kaufte Räumlichkeiten in einem Neubau in der Hildastraße 12 an. Im Dezember 2006 bezogen 18 Rathausmitarbeiter die neue Außenstelle.
Zwei Fragen an Bürgermeister Jürgen Kirchner
Herr Kirchner, wie sehen Sie die Gemeinde durch das Rathausgebäude repräsentiert?
Das ehemalige Rothschildschloss befindet sich im Zentrum Hemsbachs. Das Gebäude ist natürlich sehr eindrucksvoll. In diesem Sinne sehe ich, dass das Rathaus sehr gut repräsentiert. Besonders schön finde ich auch den mediterranen Flair, der dem Gebäude innewohnt. Auch die vielen südländischen Pflanzen zeugen davon. Schon früher wurde sehr viel Wert darauf gelegt, dass im Park viele mediterrane Pflanzen wachsen – die BürgerInnen schätzen das bis heute sehr.
Was schätzen Sie besonders daran, Bürgermeister zu sein?
Vor allem der Kontakt zu den Bürger und Bürgerinnen ist mir sehr wichtig. Es bringt einfach Freude, gemeinsame Vorhaben in die Tat umzusetzen. Es kommt natürlich auch mal vor, dass manche Entscheidungen oder Projekte schwieriger zu planen oder umzusetzen sind – aber das ist spannend und ich suche gerne nach Lösungen. Ich bin einfach gerne Bürgermeister.
Sanierungskosten
Kosten Schlossgebäude: knapp 3,7 Millionen Euro; Kosten Schlossgebäude und Außenanlagen gesamt: rund 5,6 Millionen Euro. Energetische Sanierungen am Gebäude wurden aufgrund des Denkmalschutzes bislang nicht durchgeführt. Nur ein Brennwertkessel wurde eingebaut.
Nutzungsmöglichkeiten
Im Hemsbacher Rathaus finden nur rathausinterne Nutzungen statt, hin und wieder auch Austellungen.
Zugänglichkeit des Gebäudes
Das Rathaus in Hemsbach ist barrierefrei. Der Haupteingang ist durch eine selbstöffnende Türen begehbar. Ein Aufzug ist vorhanden. Im Gebäude findet sich eine behindertengerechte Toilette.
Erreichbarkeit des Rathauses
Insgesamt stehen 47 Stellplätze und zwei Behindertenstellplätze am Rathaus zur Verfügung. Diese sind zeitlich begrenzt für 1 Stunde in der Zeit von 08:00 – 17:00 Uhr nutzbar. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Rathaus gut erreichbar. Die nächst gelegenen Bushaltestellen sind „Friedhof“ und „Grabenstraße“.
Online-Informationen und E-Bürgerdienste
Die städtische Homepage www.hemsbach.de bietet aktuelle Neuigkeiten und Informationen zu Veranstaltungen, umfassende Informationen in den Rubriken „Aktuelles“, „Unsere Stadt“ „Verwaltung & Gemeinderat“, „Freizeit, Kultur & Tourismus“, „Familie & Soziales“, „Mobilität“ sowie speziell zu den Themen „Flurbereinigung“, „Sanierungsgebiet“, „Kulturbühne Max“, „Galerie im Schloss“, „BIP“, „ISEK/ILEK“ und „Schulentwicklung“. Formulare sind im Online-Service unter der Rubrik „Verwaltung & Gemeinderat“ bequem abrufbar.
Jedes Bauwerk erzählt seine eigene Geschichte, voller bemerkenswerter Wendungen und spannender Details. Darum porträtieren wir in lockerer Folge die Rathäuser der Region, die für jeden Ort identitätsstiftend sind.
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