Weinheim, 16. Mai 2019. (red/pro) Mitten im Wahlkampf wurde kolportiert, dass ein CDU-Kandidat ein Unterstützer der „Deutschen Liste“ sein soll. Der Kandidat Rolf Schmidlin will angeblich, im Falle einer Wahl das Mandat nicht annehmen, heißt es. Dr. Thomas Ott, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der CDU Weinheim äußert sich gegenüber dem RNB im Interview.
Das Interview führte Hardy Prothmann
Herr Dr. Ott, Sie sind Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Stadtverbands der CDU. In den vergangenen Tagen ist bekannt geworden, dass ein Gemeinderatskandidat, Herr Schmidlin, eine Unterstützungsschrift für die Deutsche Liste geleistet haben soll. Ist der CDU bekannt, ob dies tatsächlich zutrifft?
Dr. Thomas Ott: Nachdem der Wahlausschuss der Stadt Weinheim zusammengekommen ist, um die Rechtmäßigkeit der Wahlvorschläge zu prüfen, kam relativ schnell ein Gerücht auf, dass Herr Schmidlin für diese Deutsche Liste unterschrieben hat. Ich und ein anderes Mitglied des Vorstands haben daraufhin den Vorsitzenden Holger Haring aufgefordert, mit Herrn Schmidlin Kontakt aufzunehmen und auch mit unserem Mitglied im Wahlausschusses, um dieses Gerücht zu prüfen. Das hat Herr Haring sofort getan. Er hat Herrn Schmidlin kontaktiert und auf mehrfache Nachfrage – auch von anderen Mitgliedern der Partei – hat dieser stets verneint, dort unterschrieben zu haben.
Gerüchteküche
Stand der Dinge ist: Der Ausschuss darf sich eigentlich nicht äußern, da dieser nicht-öffentlich tagt und Inhalte dem Datenschutz unterliegen. Herr Schmidlin hat es zurückgewiesen, es gibt jemanden, der es so behauptet, aber belegt ist diese Information nach aktuellem Stand nicht?
Dr. Ott: So ist es. Aber es gibt natürlich Indizien, die dafürsprechen, dass die Unterschrift tatsächlich erfolgt ist.
Welche Indizien?
Dr. Ott: Ich habe keine schriftlichen Belege. Aber die Reaktionen sprechen dafür, inklusive dem erfolgten Rückzug von Herrn Schmidlin von der Liste, sowie seine Erklärung, dass er, im Falle der Wahl, das Amt nicht antreten würde. Das ist meiner Meinung nach ein deutliches Indiz dafür, dass die Unterschrift erfolgt ist. Ich habe natürlich auch die Pressevertreter, die darüber berichtet haben, persönlich befragt, ob Ihnen eine Eidesstattliche Versicherung oder ähnliches vorliege. Die Antwort war Schweigen. Aber auch der Vorsitzende Holger Haring hat zuletzt bei der öffentlichen Kandidatenvorstellung seine Rede so formuliert, dass ich davon ausgehen muss, dass diese Unterschrift erfolgt ist.
CDU Weinheim mit „sehr“ weit auseinandergehenden Meinungen
Die Chancen, dass er gewählt wird sind angesichts des Listenplatzes 19 nicht sehr hoch.
Dr. Ott: Es ist keine aussichtslose Position, er ist durch sein ehrenamtliches Engagement eine bekannte Persönlichkeit in der Stadt.
Nach turbulenten Aufstellungswahlen bei der zwei Mitglieder, die sich eigentlich als gesetzt gesehen haben, nicht als Kandidaten durchkamen, gab es schon sehr viel Aufregung. Mit der Causa Schmidlin gibt es erneut sehr viel Aufregung. Auch in der Vergangenheit gibt es sehr häufig Aufregung innerhalb der CDU Weinheim. Was ist denn das grundlegende Problem? Warum gibt es keine Geschlossenheit dieses Stadtverbands?
Dr. Ott: Ich würde mal allgemein formulieren, dass es natürlich für eine kleine Partei sehr viel einfacher ist, eine geschlossene Linie zu fahren als für eine große Volkspartei, in der das Spektrum von Meinungen sehr viel weiter auseinander geht als bei einer kleinen geschlossenen Liste. Dazu kommt bei der CDU Weinheim, dass sie eine Vorgeschichte hat, die ich selbst nur gerüchteweise kenne. Dieser Gegensatz zwischen rechtskonservativem Lager versus Mitgliedern, die sich eher der Mitte der Parteienlandschaft zurechnen, den gibt es schon sehr viel länger als ich selbst Mitglied bin. Da werden immer noch alte Geschichten aufgewärmt und Dinge kolportiert, die vor vielen Jahren gewesen sein sollen. Aber ich selbst bin an diesen Dingen wenig interessiert. Ich bin in die Politik gegangen, um Sacharbeit zu leisten und die Partei ist im Grunde der vom Gesetz vorgegebene Weg, um überhaupt in der Politik tätig sein zu können. So wie ich sehen das eigentlich sehr viele Mitglieder. Aber natürlich muss man feststellen, dass diese alten Geschichten immer wieder hochkommen, wie jetzt gerade eben wieder. Es wurde von uns versäumt, da mal reinen Tisch zu machen und die Dinge aus der Vergangenheit sorgfältig aufzuarbeiten.
Wie kann man innerhalb der CDU Weinheim reinen Tisch machen?
Dr. Ott: Das ist eine sehr schwierige Frage. Wie ich es beschrieben habe, gibt es zwei Lager. Man muss einen Weg finden, der beide Lager versöhnt und das ist in der Vergangenheit mehrfach nicht gelungen. Das Pendel schwingt im gewissen Sinne hin und her. Wir haben ja jetzt eine Erklärung verfasst für die Causa Schmidlin, die den Leitfaden im gewissen Sinne vorgibt. Das ist zunächst einmal das Bekenntnis, dass eine solche Unterschrift oder eine anders gelagerte Unterstützung von extremistischen Kräften nicht mit den Grundsätzen der CDU vereinbar ist. In der CDU können gerne konservative Positionen ihren Platz haben, jedoch keinesfalls rechtsextreme.
Problemfall Ortsverband Kernstadt
Wenn ich es richtig sehe, handelt es sich vor allem um den Ortsverein Kernstadt der immer wieder für Probleme sorgt, während andere CDU-Ortsvereine eigentlich – wie man auch bei der Kandidatenwahl deutlich sehen konnte – eher die Mittellinie fahren.
Dr. Ott: Das sehen Sie richtig. Wobei ich denke, dass das Spektrum auch in diesem Ortsverband groß ist. Der aktuelle Vorstand ist von den eher konservativen Kräften geprägt. Davor waren es eher die Vertreter des anderen Flügels. Wie gesagt: Das Pendel schwingt hin und her. Es muss aus meiner Sicht gelingen, alle demokratischen Kräfte zu integrieren. Ich kann mir keine Lösung vorstellen, die einen Flügel ausklammert.
Zurück zur Causa Schmidlin: Herr Schmidlin kann nicht von der Liste zurücktreten, wie das teilweise in verschiedenen Presseorganen zu lesen war. Er kann höchstens die Wahl nicht annehmen. Wieso gehen Sie davon aus, dass er die Wahl nicht annehmen wird?
Dr. Ott: Die Begründung für seinen Rückzug waren unter anderem gesundheitliche Gründe, über die ich nicht öffentlich spekulieren will.
Unklare Auswirkungen auf die Kommunalwahl
Zwei Wochen vor der Kommunalwahl geht wieder eine solche negative Nachricht zur CDU in Weinheim durch die Medien. Was denken Sie, welche Auswirkungen das auf die Wahl haben wird?
Dr. Ott: Das ist aus meiner Sicht relativ schwer abzuschätzen. Es wird sicher Parteien geben, die davon profitieren. Ich denke, beispielsweise die Grünen, die sich sehr weit ins bürgerliche Lager geöffnet haben, die Freien Wähler auch. Andererseits haben wir die SPD, bei der es auch kriselt. Wir haben schon bei der letzten Wahl Probleme gehabt und zwei wichtige Mitglieder durch Nichtnominierung verloren. Das hat uns damals sehr viele Stimmen und auch Sitze gekostet. Deswegen ist es im Moment schwer abzuschätzen, wie sich das auf das Wahlergebnis auswirken wird. Klar ist natürlich, dass darüber in der Stadt gesprochen wird. Am Wahlstand sind manche Leute sehr kritisch mit uns. Andere Leute können sehr wohl differenzieren, dass das das Fehlverhalten eines Einzelnen war und man daraus nicht auf das Verhalten aller Kandidaten schließen kann. Das ist eine Botschaft, die man anerkennen muss. Es ist ganz klar, dass eine Unterschrift für Herrn Deckert, der ein mehrfach verurteilter Volksverhetzer ist, durch nichts zu rechtfertigen ist. Das ist völlig inakzeptabel. Dafür gibt es keine Ausrede und keine Rechtfertigung. Da muss mehr passieren als dieser Verzicht auf das Mandat. Aus meiner Sicht wäre eine glaubhafte Entschuldigung nötig. Herr Schmidlin selbst ist ja Kassierer im Ortsverband. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Vorgang wirklich mit einem Vorstandsamt vereinbar ist. Da ist aus meiner Sicht ein Rücktritt fällig. Wenn er nicht zurücktritt, dann darf er bei der nächsten Wahl nicht wiedergewählt werden. Das ist aus meiner Sicht ein dringend erforderlicher Schritt. Aber der Vorstand des Stadtverbandes hat da kein Durchgriffsrecht. Das ist eine Sache, die der Ortsverband entscheiden muss.
Es gab Andeutungen, dass das Ganze juristisch geprüft werden sollte. Nun ist die CDU nicht Träger irgendeiner Rechtsposition, die selbst Rechte einklagen könnte. Es liegt eher bei der Stadt genau zu prüfen, wie es zu dieser Indiskretion gekommen sein kann und möglicherweise bei Herrn Schmidlin als persönlich Betroffenem. Unabhängig davon: Diese Indiskretion ist eine Indiskretion. Es wird der Datenschutz verletzt, es werden Informationen in den öffentlichen Raum gegeben, die erhebliche Diskussionen ermöglichen. Aber es dürfte eigentlich gar nicht so sein. Was ist denn Ihre Meinung in diesem Hinblick auf die Sache?
Dr. Ott: Das ist in der Tat ein Dilemma. Ich sehe die CDU Weinheim auch nicht als Kläger in der Sache. Ich denke, das müssen die Behörden tun oder Herr Schmidlin bestenfalls. Ich an seiner Stelle würde davon Abstand nehmen und aus Scham darauf verzichten. Aber für die Behörden ist es, finde ich, ein großes Problem, das aufgearbeitet werden muss. Und es muss geprüft werden, wie der Datenschutz beachtet wird. Gleichwohl kann ich in bestimmten Grenzen nachvollziehen, dass ein Mitglied des Wahlausschusses so sehr über diese Sache erschrocken ist, dass er nicht wusste, wie man damit umgehen soll? Dass man das ausplaudert oder bekannt gibt, kann ich menschlich nachvollziehen, aber andererseits hat man sich an Vertraulichkeiten zu halten, alles andere beschädigt den Rechtsstaat. Und ich denke, auch die Medien muss man kritisch betrachten, die das ganze transportiert haben. Ich weiß nicht, was im Hintergrund gelaufen ist, welche Gespräche geführt wurden, welche Beweise vorliegen. Falls es aber keine Beweise gibt, dann ist Rufmord Tür und Tor geöffnet. Auch Medien haben die Pflicht, verantwortlich mit Informationen umzugehen.
Anm. d. Red.: Dr. Thomas Ott ist selbst Kandidat für die Kommunalwahl in Weinheim, er steht auf Listenplatz. Der promovierte Diplom-Geograph hat schon zu Zeiten des „Heddesheimblog“ den Kontakt zur Redaktion gesucht. Redaktionsleiter Hardy Prothmann schätzt den politischen Austausch mit Dr. Ott sehr, weil immer vernünftig und von hoher Kompetenz geprägt. Das Interview kam auf Anfrage der Redaktion zustande und wurde am vergangenen Montag telefonisch geführt.