Mannheim, 16. Juni 2012. (red) Die Lobbyisten der Presseverlagshäuser haben ein Etappenziel erreicht. Am 13. Juni 2012 wurde ein “Referentenentwurf” für ein neues Leistungsschutzrecht vorgelegt, das katastrophale Folgen haben könnte – absurderweise auch für die Verlagshäuser selbst. Kritiker befürchten Abmahnwellen und gravierende Beschränkungen der Meinungs- und Informationsfreiheit. Und das nur, weil das Monopolgeschäft der Presseverlage bedroht ist und durch neue Monopole ersetzt werden soll. Der gesamtgesellschaftliche Schaden könnte enorm sein.
Von Hardy Prothmann
Man muss kein Jurist sein, um zu verstehen, dass selbst Juristen nicht genau wissen, welche negativen Folgen das geplante Leistungsschutzrecht (LSR) für die Gesellschaft mit sich bringen wird. Denn der Referentenentwurf ist zu schwammig formuliert – kritisieren zahlreiche und nahmhafte Experten. Und eine Folge dieser Ungenauigkeiten würde vermutlich eine gigantische Abmahnwelle sein, weil erst über Prozesse die “Deutung” gerichtlich geklärt werden müsste.
Der auf Urheber-, Marken-, Datenschutz- und Persönlichkeitsrecht spezialisierte Dr. Till Kreutzer hat sich bei iRights.info, einem Informationsangebot zum Urheberrecht in der digitalen Welt, in einem umfassenden Beitrag zum Thema geäußert. Er stellt fest:
Der Referentenentwurf lässt offen, durch welche Arten von Nutzungshandlungen in das neue LSR eingegriffen werden soll. Hier heißt es nur, dass der Presseverleger vor ungenehmigten „öffentlichen Zugänglichmachungen“ von Presseerzeugnissen oder Teilen derselben geschützt wird.
Der Jurist und Grimme-Preisträger Udo Vetter sieht wie andere Juristen auch eine absehbare Folge:
Das Papier ist ein Konjunkturprogramm für Rechtsanwälte.
Doch eigentlich sollte das Leistungsschutzrecht ein Konjunkturprogramm für Verlage sein. Die behaupten, über das Internet würden deren verlegerische Leistungen zigfach unentgeltlich von anderen verwertet und damit entstehe den Verlagen ein immenser Schaden. Valide Belege für diese Aussage gibt es keine. Ein Argumentation hingegen schon am Beispiel von Suchmaschinen wie Google: Diese Suchmaschinen indexieren Links. Auch zu Verlagsangeboten wie Artikeln beispielsweise und bieten zur Orientierung kleine Auszüge, so genannte “Snippets”, also Textauszüge (Schnipsel) an, damit man die angezeigten Links einordnen kann.
Sollte dieser Entwurf zum Gesetz werden, müssen alle, die irgendwie gewerblich tätig sind, künftig sehr genau aufpassen, was sie “der Presse entnehmen”. Kleinste Wortschnipsel, eventuell sogar nur Links könnten teure juristische Abmahnungen zur Folge haben. Geschäftsleute könnten nicht ohne Risiko beispielsweise bei Facebook einen Link zu einem Presseartikel posten.
Google würde vermutlich die Indexierung von Zeitungen und presseähnlichen Erzeugnissen (wie dieses Blog) abschalten – die Folge: Viele Informationen könnten nicht mehr gefunden werden.
Zum Hintergrund: Die Digitalisierung der Medien setzt den Zeitungshäusern extrem zu. Mit Entstehung des Internets wurden hier durchgängig massive Fehler gemacht. Die Zeitungen haben die “Kostenlos-Kultur” erst mit geschaffen, in dem sie Informationen kostenfrei ins Netz gestellt haben. Später lamentierte man, dass jedermann kostenlos zugreift. Die Lösung ist ganz einfach: Per einfachem Code können Verlagshäuser ihre Angebote gegenüber Suchmaschinen unsichtbar machen – doch kein Verlag nutzt das. Die Angebote können hinter so genannten “Pay-Walls” verschwinden. Man müsste dann erst zahlen, bevor man die Inhalte nutzen kann. Kaum ein Verlag tut das, weil man massive Einbrücke bei den Zugriffszahlen fürchtet.
Die Verlage wollen also, dass man die Angebote nutzt und nun gesetzlich eine Art “Zwangslizenz” erwirken – der Einfluss des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger auf die Bundesregierung ist groß. Stehen doch immerhin sehr viele mächtige Zeitungen dahinter, die gut oder schlecht über die Bundesregierung und einzelne Abgeordnete berichten können.
Zahlreiche Experten warnen dringend vor diesem angestrebten Gesetz – nun ist dieses einen offiziellen Schritt weiter.
Einen ausführlicheren Artikel lesen Sie dazu beim lokaljournalistischen Netzwerk-Portal istlokal.de.