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Weinheim/Karlsruhe, 15. November 2011. Schlechte Nachrichten für die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Schützt die Weinheimer Breitwiesen“: Auf Anfrage zeigte sich das Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde skeptisch, ob das Bürgerbegehren gesetzlich noch möglich ist.
Von Hardy Prothmann
Zwischen 1.100 und 1.500 Unterschriften sind durch die Initiative schon gesammelt worden – für eine genaue Angabe fehlt noch die Prüfung, die am Wochenende erfolgen soll, sagt Elisabeth Kramer, Stadträtin der GAL und einer der Mitinitiatorinnen des Bürgerbegehrens. Das macht Mühe, aber das Engagement der Gegner der Breitwiesen-Bebauung ist sehr hoch.
Weinheim=Rheinstetten?
Vielleicht ist die ganze Mühe umsonst – denn die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Karlsruhe, zeigt sich auf unsere Nachfrage skeptisch, wie uns ein Sprecher mitteilt:
„Nach dem VGH-Urteil zum Fall Rheinstetten, ist die Negativliste bestätigt. Danach kann es kein Bürgerbegehren gegen eine Bauleitplanung geben. Ob der Weinheimer Fall darunter fällt, muss man im Einzelfall prüfen.“
Das Regierungspräsidium scheint aber zu dieser Auffassung zu tendieren – es gibt einen Verweis auf das Baugesetzbuch.
Darin heißt es:
§ 1
Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung
(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
Und hier ist der Flächennutzungsplan eindeutig benannt. Das von der Initiative geplante „kassierende Bürgerbegehren“ will den Aufstellungsbeschluss zum Flächentausch „Hammelsbrunnen gegen Breitwiesen“ widersprechen, also den Beschluss des Gemeinderats aufheben lassen. Der Tausch der Flächen ist aber möglicherweise schon als ein „vorbereitender Bauleitplan“ zu sehen.
„Rheinstetten war anders“, sagt die GAL-Stadträtin Kramer. Damit hat sie sicherlich Recht – das Projekt zum Bau des Edeka-Fleischwerks in Rheinstetten war zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung schon fortgeschrittener. Die entscheidende Frage wird sein, wann die Bauleitplanung begonnen hat.
Im „Rheinstetten“-Urteil ist nachzulesen:
2. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 6 GemO findet ein Bürgerentscheid u.a. nicht statt über Bauleitpläne. Bauleitpläne sind zwar nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 BauGB der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan). Die Ausschlussregelung ist aber über den Wortlaut hinaus auszulegen und erfasst bereits die Bauleitplanung im Sinne des § 1 BauGB und damit die wesentlichen Verfahrensabschnitte, die in dem Aufstellungsverfahren nach dem BauGB zu durchlaufen sind.
Mitwirkung ist nach dem Baugesetzbuch nicht vorgesehen.
Konkret bedeutet das die Aushöhlung jeglicher Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene – sobald Beschlüsse gefasst werden, bleibt der Bürger außen vor und hat keine Chance der Mitwirkung mehr.
Eine Bürgerbeteiligung ist aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim dazu:
11. Dies schließt nicht aus, dass Grundsatzentscheidungen zur Gemeindeentwicklung im Vorfeld eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zum Gegenstand eines Bürgerentscheids gemacht werden können (vgl. LT-Drs. 13/4385, wonach Grundsatzentscheidungen im Vorfeld eines bauplanungsrechtlichen Verfahrens zur Gemeindeentwicklung davon nicht berührt sind (siehe auch Antwort des Landesregierung auf eine Große Anfrage der Fraktion GRÜNE, LT-Drs. 14/2311, S. 8). Diese der Bauleitplanung vorgelagerte Phase dürfte aber durch den Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 BauGB beendet sein, denn spätestens mit diesem Beschluss wird das förmliche Bauleitplanverfahren eingeleitet (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 2 RdNr. 26). Danach kommt ab dem Zeitpunkt (der Bekanntgabe) des Aufstellungsbeschlusses nach § 2 Abs. 1 BauGB ein Bürgerentscheid nicht mehr in Betracht.
Das heißt: Der Oberbürgermeister und der Gemeinderat hätten die Möglichkeit gehabt, die Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen – vor dem Aufstellungsbeschluss. (siehe unseren Kommentar dazu)
Druck auf den Gemeinderat ausgeübt?
Das aber war politisch nicht gewünscht. OB Heiner Bernhard hatte es erkennbar sehr eilig, den Aufstellungsbeschluss herbeizuführen. Man hört, dass sich einige Stadträte „unter Druck gesetzt gefühlt haben“ – trotzdem haben sie die Hand gehoben.
Die Initiative gibt sich hoffnungsvoll und deutet an, dass auch eine Klage vorstellbar sei, wenn der Gemeinderat das Bürgerbegehren ablehnt und das Regierungspräsidium den Fall geprüft und eine Ablehnung bestätigt haben wird.
Oberbürgermeister Heiner Bernhard sagte mehrfach in der Gemeinderatssitzung vom 19. Oktober 2011:
„Noch ist nichts entschieden.“
Man darf gespannt sein, ob er bei dieser Aussage bleibt oder irgendwann sagt, ihm sein nicht klar gewesen, dass eine Entscheidung herbeigeführt worden ist. Ersteres wäre eine Aussage wider besseres Wissen – zweiteres eine inkompetente Peinlichkeit.
Falschinformation des Gemeinderats durch den OB?
Beides steht der Haltung, die Bürgerinnen und Bürger wirklich beteiligen zu wollen klar entgegen. Und es stellt sich die Frage, ob der OB Heiner Bernhard den Gemeinderat falsch informiert hat. Das wäre ein echtes Politikum.
Obwohl das Regierungspräsidium, das von der Sache erst durch unsere Anfrage erfahren hat, sich nicht verbindlich äußern mochte, ist die Richtung der Auffassung klar:
„Sobald die der Bauleitplanung vorgelagerte Planung beendet ist, das scheint hier der Fall zu sein, sind ein Bürgerbegehren und ein Bürgerentscheid nicht mehr zulässig.“
Einen Ausweg gäbe es dann doch noch: Niemand zwingt den Gemeinderat, die Bauleitplanung weiter zu verfolgen. Man könnte das Ansinnen einer Breitwiesen-Bebauung auch einfach fallen lassen.
Doch das ist wenig wahrscheinlich, da der Oberbürgermeister, der erste Bürgermeister und die Mehrheit im Gemeinderat ihre Entscheidung für eine Bebauung getroffen haben.