Mannheim, 15. Juni 2015. (red/pro) Damit hat niemand gerechnet und gerade doch: Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) hat im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit erreicht. Damit ist die Oberbürgermeisterwahl weiter offen und in drei Wochen gewinnt der Kandidat, der die einfache Mehrheit erreicht. Einfache Erklärungen gibt es keine. Die Gemengelage ist komplex.
Von Hardy Prothmann
„Journalisten wissen immer alles besser“, ist falsch. Verantwortliche Journalisten wissen, dass ihre Informationen stimmen müssen. Wenn es Zweifel an den Informationen oder dem Standpunkt gibt, müssen Sie das deutlich machen. Diese Transparenz sind sie ihren Leser/innen schuldig.
![peter kurz wahlparty oberbürgermeisterwahl mannheim-14. Juni 2015-IMG_4971](https://www.rheinneckarblog.de/files/2015/06/peter-kurz-wahlparty-oberbürgermeisterwahl-mannheim-14.-Juni-2015-IMG_4971.jpg)
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz muss in den zweiten Wahlgang. Ist er dafür verantwortlich oder andere?
Objektiv steht das Ergebnis fest: Der Amtsinhaber Dr. Peter Kurz (SPD) ist im ersten Wahlgang nicht wiedergewählt worden, weil er mit 46,8 Prozent die notwendige absolute Mehrheit von mindestens 50 Prozent plus einer Stimme nicht erreicht hat. Peter Rosenberger (CDU) hat 33,8 Prozent erreicht, Christopher Probst (Mannheimer Liste), 15,9 Prozent und Christian Sommer (Die Partei) 3,3 Prozent.
„Wahlsieger“ ist – subjektiv betrachtet – Christopher Probst. Knapp 16 Prozent im „roten Mannheim“ für eine bürgerliche Wählervereinigung. Das ist ein historischer Höchstwert und ein hervorragender Erfolg für den Mannheimer Stadtrat der Mannheimer Liste.
![christopher probst wahlparty oberbürgermeisterwahl mannheim-14. Juni 2015-IMG_5036](https://www.rheinneckarblog.de/files/2015/06/christopher-probst-wahlparty-oberbürgermeisterwahl-mannheim-14.-Juni-2015-IMG_5036.jpg)
Er weiß es, alle wissen es: Christopher Probst ist der „eigentliche“ Wahlsieger. Knapp 16 Prozent für den ML-Stadtrat sind ein sensationelles Ergebnis. Er hat entscheidenden Einfluss darauf, wer Oberbürgermeister wird.
Und auch Peter Rosenberger und mit ihm sein Wahlkampfmanager Nikolas Löbel dürfen sich freuen: Mit 33,8 Prozent hat der CDU-Kandidat zwar nicht ansatzweise das fulminante Ergebnis des „Fast-Wahlsiegs“ von Sven-Joachim Otto 1999 erreicht, aber immerhin liegt er über der dürftigen Niederlage eines Ingo Wellenreuther 2007, der mit 32,07 Prozent unterlegen war. Auch wir haben Herrn Rosenberger unterhalb der 30-Prozentmarke gesehen.
Wir haben vor der Wahl in der Redaktion hin und her gerechnet, unsere und andere Informationen ausgewertet und sind zu dem Schluss gekommen, dass es knapp für den Amtsinhaber werden würde. Wir hatten 28 Prozent für Herrn Rosenberger gerechnet, 18 Prozent für Herrn Probst und 5 Prozent für Herrn Sommer.
Was wir nicht auf dem Schirm hatten, ist, was die Zahlen nach erster Durchsicht sagen. Wir betonen die „erste Durchsicht“, weil wir noch genau analysieren müssen: Aber offenbar hat der Amtsinhaber Dr. Kurz die Wahl vor allem durch die SPD verloren. Sehr viele sehr „klassische“ SPD-Wahlbezirke zeigen einen gnadenlosen Rückgang der Wahlbeteiligung und massive Verluste für den amtierenden Oberbürgermeister. Insbesondere in der Kernstadt und im Norden. Und gerade in eher „bürgerlichen“ Stadtteilen verliert er entweder wenig oder gewinnt sogar dazu. Waren es 2007 noch 36,64 Prozent, die wählten, sind es aktuell nur noch 30,7 Prozent.
![peter rosenberger wahlparty oberbürgermeisterwahl mannheim-14. Juni 2015-IMG_5050](https://www.rheinneckarblog.de/files/2015/06/peter-rosenberger-wahlparty-oberbürgermeisterwahl-mannheim-14.-Juni-2015-IMG_5050.jpg)
Peter Rosenberger mit Ehefrau und „Einklatscher“ Nikolas Löbel – Rosenbergers Ergebnis ist ordentlich und er kann dem Amtsinhaber am 05. Juli tatsächlich gefährlich werden.
Der Kandidat Peter Rosenberger gewinnt nur seinen „Heimatbezirk“ Rheinau und die Vogelstang – hier verliert Herr Dr. Kurz über 15 Prozentpunkte und konkret rund 800 Stimmen. Und auch auf der Rheinau rund 600 Stimmen. Die niedrige Wahlbeteiligung war 2007 nicht das Problem für Herrn Dr. Kurz – aktuell sind es überall in „roten“ Stadtteilen massive Verluste.
Wie gesagt – wir müssen uns die Zahlen genau anschauen und lange prüfen. Aber der erste Eindruck ist, dass es einen fulminanten Erfolg für Christopher Probst gegeben hat – ein wenig durch die Buga getrieben, die aber bei weitem nicht „das Thema“ war, sonst hätte Herr Probst als eindeutigster Buga-Gegner locker über 30 Prozent erreichen müssen oder sogar die Mehrheit. Wenn es nach gewissen Pressepostillen in der Stadt geht.
Tatsächlich scheint es so zu sein, dass die „bürgerlichen Lager“ sehr geschlossen zur Wahl gegangen sind – für alle drei Kandidaten, denn Herr Dr. Kurz hat beispielsweise in Neuostheim/Neuhermsheim kaum verloren und in Schwetzingerstadt/Oststadt sogar deutlich (hinzu-)gewonnen.
Tatsächlich haben also Herr Probst und Herr Rosenberger von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitiert und der „Titelverteidiger“ Dr. Kurz nicht nur dadurch, sondern durch Nichtwähler aus der Kernwählerschaft dramatisch verloren – obwohl es 18.000 Wähler mehr gab, hat Dr. Kurz rund 6.000 Wähler verloren. Hinzu kommt, dass er von manchen Grünen und Linken im Stich gelassen worden ist – nicht in Seckenheim, dort haben Raufelder-Wähler ihre Stimmen an Peter Kurz weitergereicht, was vor allem für Herrn Raufelder spricht.
Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen unsere Analysen vorstellen – objektiv in den Zahlen und subjektiv in der Einordnung, weil es keine objektive Einordnung gibt. Und wir werden beleuchten, was für Dr. Kurz, den wir für einen sehr kompetenten Oberbürgermeister halten, aktuell schief läuft. Was er und seine Partei SPD übersehen und was sich nicht mehr übersehen lässt.
![wahlparty oberbürgermeisterwahl mannheim-14. Juni 2015-IMG_4974](https://www.rheinneckarblog.de/files/2015/06/wahlparty-oberbürgermeisterwahl-mannheim-14.-Juni-2015-IMG_4974.jpg)
Wahlparty – viel Partei aus allen Richtungen. Kaum „einfache“ Bürger – fast 70 Prozent der Wahlberechtigten haben nicht gewählt und waren auch nicht auf der Wahlparty.
Soviel steht jetzt schon fest: In einer Wahl mit einfacher Mehrheit hätte der „Favorit“ Dr. Peter Kurz heute klar gewonnen und wird „vermutlich“ am 05. Juli klar gewinnen. Christopher Probst ist aber der „Königsmacher“. Tritt er nochmal an, wird er dem CDU-Kandidaten wichtige Stimmen nehmen, die dieser bräuchte, um Herrn Kurz gefährlich werden zu können. Tut er das nicht, wird es eng für den SPD-Oberbürgermeister.
Es gibt schon „Einschätzungen“, dass Herr Probst „verantwortlich“ sein wird, „wenn die SPD-Herrschaft“ auf weitere acht Jahre besteht. Diese „subjektive Interpretation“ klammert aus, dass Herr Dr. Kurz gerade bei SPD-Wählern massiv verloren hat und bei „bürgerlichen“ gut dasteht.
Tatsache ist, dass der SPD-Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz ein Realo ist, der nicht durch „Wohltaten“ gegenüber dem Volk aufgefallen ist, sondern durch solides Management und Wohltaten gegenüber der „Stadtgesellschaft“. Intellektuell hat er Recht – faktisch nicht. Das Volk hat ihm am Sonntag mehrheitlich die Stimme verweigert, die Bürgerlichen haben ihn mäßig bestätigt. Denn dem Volk geht es immer schlechter und die Bürgerlichen haben Sorge. Dr. Peter Kurz ist für prekäre Verhältnisse oder der Angst davor nicht verantwortlich – aber wurde voll dafür abgestraft.
Und er muss große Sorge haben, dass er verliert, wenn Herr Probst und die Mannheimer Liste empfehlen sollten, dass man Herrn Rosenberger wählen soll – denn faktisch gibt es eine bürgerliche fast absolute Mehrheit von 49,77 Prozent gegen die SPD mit Unterstützung der Grünen und von Die Linke und einem Ergebnis von 46,78 Prozent für den Amtsinhaber.
Hoffnung darf der Amtsinhaber schöpfen, dass der Kandidat Christopher Probst nicht als Gemeinschaftskandidat mit CDU-Unterstützung antreten wollte, sondern für sich und seine parteiunabhängige Liste steht und – nimmt man ihn ernst – dies auch so fortführen wird.
Doch das sind Spekulationen – wir wissen erst, was ist, wenn es ist. Wer tritt an? Was passiert in den kommenden drei Wochen? Wir wissen es nicht. Es bleibt spannend.