Mannheim/Rhein-Neckar, 15. April 2013. (red/pm) Ein 43 Jahre alter Jugendtrainer eines Mannheimer Sportvereins soll sich über Jahre hinwweg in einer Vielzahl von Fällen des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen schuldig gemacht haben. Der Mann sitzt wegen eines „hinreichenden Tatverdachts“ seit Oktober 2012 in Untersuchungshaft. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben – der Verteidiger rechnet mit dem Prozessbeginn im Juni oder Juli.
Von Hardy Prothmann
Die Staatsanwaltschaft Mannheim ist bis heute nicht bereit, der Öffentlichkeit den Namen des Sportvereins mitzuteilen. Angeblich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes. Innerhalb des Vereins wissen längst alle „mehr oder weniger Bescheid“. Nur Eltern, die ihre Jungs erst in den vergangenen Monaten beim Verein angemeldet haben, wissen nichts von den Vorgängen und ob und wie der Verein in Zukunft sicher stellen will, dass sich ein sexueller Übergriff auf Jugendliche und Kinder nicht wiederholen kann.
Ob der sexuelle Missbrauch stattgefunden hat, muss die Staatsanwaltschaft beweisen und die Jugendschutzkammer wird über Schuld oder Unschuld des Tatverdächtigen entscheiden. Grundsätzlich gilt wie immer die Unschuldsvermutung.
Dass die Staatsanwaltschaft aber den Namen des Vereins – der spätestens bei der Verhandlung bekannt werden wird – bis heute verschweigt, ist nicht vorbildlich, sondern fahrlässig. Eltern, die zwischen Oktober 2012 bis zum Prozessbeginn ihre Kinder bei dem Verein angemeldet haben, haben ebenfalls ein Schutzinteresse – für ihre Kinder. Angeklagt ist ein Mann. Doch hatte er Komplizen? Wurde er gedeckt? Was sagt der Verein dazu? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um sexuelle Übergriffe künftig zu verhindern? Geht es um den Persönlichkeitsschutz der Opfer alleine oder eventuell auch um den Schutz des Vereins, damit dieser keinen „Imageschaden“ erleidet?
Wenn die letzte Frage positiv beantwortet werden muss, dann hat dieser Verein einen tatsächlich den größten Imageschaden und steht auf der Stufe mit der katholischen Kirche, die nicht wirklich zur Aufklärung der Missbrauchsfälle durch Pfarrer beigetragen hat. Man muss von dem Verein erwarten können, dass sich die Vereinsverantwortlichen der Öffentlichkeit erklären. Und es muss schonungslos gefragt werden müssen, ob es Hinweise für einen sexuellen Missbrauch gab oder ob viele oder einige das wie so häufig „nicht so genau wissen wollten“ oder „sich nicht vorstellen konnten“. Insbesondere erste Reaktionen im Verein deuten genau auf diese alten Muster hin: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Das ist – mit Verlaub – verweiflich. Das ist feige und vor allem den Opfern gegenüber beschämend. (Siehe hierzu unsere Berichterstattung zum 121-fachen Missbrauch an Jugendlichen in Ludwigshafen.)
Klar ist – die mutmaßlichen Opfer dürfen nicht ein zweites Mal Opfer werden. Um das zu verhindern, gibt es viele Mittel. Eins ist garantiert ungeeignet: Verschämtes Schweigen.
Beim Kachelmann-Prozess waren Gericht und Staatsanwaltschaft so löchrig wie ein Sieb. Wo hatte man da „Persönlichkeitsrechte“ im Blick? Dieser Prozess war ein Fanal – für Staatsanwaltschaft und Gericht. Das bedeutet aber nicht, dass man nun nichts mehr weitergibt, woran die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse hat.
Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Mannheim:
„Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat gegen einen 43-jährigen Jugendtrainer eines Mannheimer Sportvereins Anklage wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen erhoben.
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, als Trainer von männlichen Kinder- und Jugendmannschaften im Zeitraum 2004 bis 2012 eine Vielzahl von sexuellen Übergriffen an mehreren Spielern verübt zu haben. Die mutmaßlichen Opfer waren bei Begehung der Taten 10 bis 15 Jahre alt.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen nutzte der im Verein als sehr engagiert geltende Mann seine Stellung dazu aus, ein intensives Näheverhältnis zu den Spielern aufzubauen und auch private Kontakte zu ihnen zu pflegen – letztlich mit dem Ziel der Verwirklichung seiner sexuellen Interessen. Die Taten sollen sich insbesondere bei gemeinsamen Freizeitfahrten und bei regelmäßig stattfindenden Besuchen in der Wohnung des Verdächtigen in Mannheim ereignet haben.
Im Oktober vergangenen Jahres stellte die Mutter eines Spielers fest, dass ihr Sohn sich mit dem Beschuldigten über sexuelle Themen austauschte. Daraufhin kamen die Ermittlungen in Gang. Diese führten kurz darauf zum Erlass eines Haftbefehls. Der sich nach wie vor in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte hat die Vorwürfe bestritten. Nach Auffassung der Ermittler besteht jedoch vor allem unter Berücksichtigung zahlreicher übereinstimmender Zeugenaussagen hinreichender Tatverdacht.
Ein Termin bei der zuständigen Jugendschutzkammer des Landgerichts Mannheim ist noch nicht bekannt.“