Mannheim/Ludwigshafen, 15. August 2016. (red/ms) Die Bande hat offenbar Handel mit mehreren hundert Kilogramm Drogen betrieben. Cannabis, Kokain, MDMA – vor allem aber mit Amphetaminen, in der Szene auch „Speed“ oder „Pep“ genannt. Nach Angaben der Beklagten habe man sich dabei gefühlt wie in der Fernseh-Serie „Breaking Bad“. Die Gerichtsverfahren gegen die elf Angeklagten laufen seit insgesamt mehr als 100 Verhandlungstagen – doch es neigt sich dem Ende zu: Heute wurden vier weitere Urteile verkündet.
Von Minh Schredle
Der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz schnaubt leise auf, bevor er in der Urteilsbegründung fortfährt und einen Dialog zitiert, der zwischen den Angeklagten stattgefunden haben soll:
Das ist ja wie bei „Breaking Bad„.
Später sollen die Beschuldigten auch noch festgestellt haben:
Wir brauchen einen Heisenberg.
Da kann man leicht glauben, man sei im falschen Film: Bei den Straftaten, die in einem der aufwändigsten und komplexesten Verfahren, das je vor dem Landgericht Mannheim verhandelt wurde, ließ sich eine offenbar schwer kriminelle Drogenbande anscheinend nicht unwesentlich von einer fiktiven Fernsehserie inspirieren.
Zum Hintergrund:
„Breaking Bad“ handelt von dem Wissenschaftler und Chemielehrer Walter White, der an Lungenkrebs erkrankt und feststellt, dass er seiner Familie aufgrund seines geringen Einkommens nichts zurücklassen kann. Außerdem ist er unzufrieden mit seiner Arbeit, da er sich für überqualifiziert hält und ihm keine Wertschätzung zuteil wird.
Als er von den Summen erfährt, die sich auf dem Schwarzmarkt mit Drogenhandel verdienen lassen, wird er hellhörig, nutzt seine Kenntnisse als Chemiker, um die Droge Crystal Meth herzustellen und baut sich unter dem Pseudonym „Heisenberg“ – angelehnt an den Physiker und Nobelpreisträger – nach und nach ein gewaltiges Imperium auf, für das er mehrere Tote billigend in Kauf nimmt.
Es sei ein ausgesprochen ungewöhnliches Verfahren, sagt Richter Rackwitz. Bereits im Oktober 2013 beschlagnahmten Fahnder der Polizei nach monatelanger Observation der Verdächtigen mehrere Kilogramm verschiedener Drogen – darunter etwa 150 Kilogramm Amphetamin, eine der größten Mengen, die je in Deutschland auf einen Schlag festgestellt worden sind.
Doch die Vorgeschichte geht noch weit länger zurück: Es handelt sich nicht nur um Händler – sondern auch um Produzenten, die international agierten: An sich legale Chemikalien wurden in Deutschland erworben und für die Herstellung von Drogen in die Niederlande geschleust. Dort wurde das Amphetamin produziert. Allerdings nicht in der üblichen Konsumform als Sulfat, sondern als Base.
Die ölige Flüssigkeit ließe sich leichter über die Grenze schmuggeln als das weißliche Pulver, da sie in Flaschen abgefüllt kaum Aufmerksamkeit errege, gab ein Geständiger gegenüber dem Gericht an. So wurden regelmäßig mehrere Liter nach Deutschland geschleust, die in Kristallisationsanlagen aufbereitet und mit Koffein gestreckt worden sind.
Elf Tatverdächtige werden gemeinsam angeklagt, es kommt zum Verfahren. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm, denn das Gericht sieht eine Gefahrenladung – so gebe es Anzeichen und Hinweise, dass im Untergrund auf Zeugen und Angeklagte Kopfgelder ausgesetzt worden seien, teilt Richter Rackwitz mit.
Urteile gegen vier weitere Angeklagte
Nach etwa zwei Jahren Verhandlungsdauer zeichnet sich nun ein Ende des Prozess‘ ab. Mit Stand heute sind gegen acht der elf Angeklagten Urteile ausgesprochen worden. Drei Beschuldigte wurden heute vor allem wegen des „bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu langen Haftstrafen verurteilt: Zwei Angeklagte türkischer Herkunft wurden zu je neun Jahren und ein Grieche zu zwölf Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Bei einem weiteren Angeklagten konnte das Gericht nur die Beihilfe, nicht aber die Mitgliedschaft in der Bande nachweisen. Der nicht vorbestrafte Deutsche Christian S. wurde zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt, die auf Bewährung ausgesetzt wurden. Außerdem muss er ein Jahr lang Abstinenz durch Drogentests nachweisen.
Die Staatsanwaltschaft hatte zwischen 12 Jahren und vier Monaten und bis zu 13 Jahren und zwei Monaten sowie vier Jahre für den Gehilfen gefordert.
Laut Richterspruch tragen die Angeklagten die Kosten des Verfahrens – ob es dazu tatsächlich kommt, darf bezweifelt werden. Denn nach über hundert Verhandlungstagen in mehreren Verfahren dürften die Kosten für die Verurteilten auch bei Ratenzahlung bis an ihr Lebensende kaum zu finanzieren sein.
Vollständig unklar ist, wie viel Geld die Bande zuvor mit den Drogen „verdient“ hat. Im Fall dieser vier Angeklagten konnten nur 10.000 Euro „Vermögen“ eingefroren werden. Ob es weiteres Geld gibt, das irgendwo versteckt ist, ist unbekannt. Der „Handelswert“ der Drogen, die bei der Verhaftung gefunden worden sind, lag bei 1,5 Millionen Euro. Die Bande soll seit zwischen 2010 bis zur Verhaftung im Oktober 2013 tätig gewesen sein.