Mannheim/Rhein-Neckar, 15. April 2018. (red/pro) Der von uns am 25. März veröffentlichte, angebliche Terroranschlag in Mannheim enthält einen “Hinweis” auf die Täter: Bärtige Männer, die sich mit einer Botschaft zu dem (fiktionalen Anschlag bekennen) und dahin “Allahu al Akbar” sagen sollen. Im Nachgang gab es gegenüber uns Vorwürfe, wir würden “Rassismus” fördern. Das Gegenteil und etwas viel Wichtigeres ist richtig: Wir fördern Nachdenken.
Von Hardy Prothmann
In unserem fiktionalen Text über einen angeblichen Terroranschlag, dem mit der angeblich größten Opferzahl in Westeuropa stehen folgende Zeilen.
“Im Internet ist ein Video aufgetaucht. Darin sagt ein bärtiger Mann:
Not only the capitals are our goal. We will find our enemies everywhere and we will kill them. Allahu al Akbar.
Frei übersetzt: Nicht nur die Hauptstädte sind unsere Ziele. Wir finden unsere Feinde überall und werden sie töten. Allah ist groß.”
Mal abgesehen davon, dass zu den meisten Terroranschlägen in Europa der jüngeren Vergangenheit keine Bekennervideos aufgetaucht sind, schon gar nicht unmittelbar nach den Anschlägen, würden diese kaum von “englischsprechenden” Bekennern veröffentlicht. Auch das eine absurde Information, eines insgesamt voller Absurditäten strotzenden Textes.
Wer nun meint, wir würden mit einem fiktionalen Stück Rassismus befördern, hat leider nicht von hier nach da gedacht.
Wen soll der angebliche Rassismus treffen? Bärtige Männer? Oder Englischsprachige? Oder alle, die Allahu al Akbar sagen?
Wir haben diese Story veröffentlicht, um festzustellen, welche Kreise sie ziehen würde. Sie ist erkennbar Fakenews, wurde aber angeblich von vielen als “real” empfunden, obwohl der Text nur so von Absurditäten strotzt, wie man nachlesen kann.
Wir liefern in den oben genannten Zeilen drei Informationen: Ein bärtiger Mann bekennt sich angeblich, er sagt angeblich Allahu al Akbar und spricht angeblich von Feinden, die man töten wolle.
Wo genau steht, dass der Text Muslime meint? Nirgendwo.
Der absolut allergrößte Teil der Muslime in Deutschland und der Muslime weltweit ist nicht darauf aus, “Ungläubige” zu töten. Richtig ist vielmehr, dass verschiedene Terroristen, ob als feste Einheiten wie Daesh (IS) in Irak und Syrien, Boko Haram in Nigeria oder kleine Zellen oder Einzeltäter sonstwo angeblich im Namen Allahs Verfolgung, Tod und Zerstörung über andere Menschen bringen – die meisten Opfer weltweit sind übrigens ihrerseits Muslime.
Wir haben sogar massive Probleme vom “islamitischen Terror” zu sprechen, weil man damit Terror mit dem Islam als absolut gegeben hinstellt. Im März 2016 (sic!) hatten wir unter der Überschrift “Der medial verstärkte Terror” berichtet:
Wir haben noch keine Lösung für “islamistischer Terror” – wie sollen wir zutreffend Mörder und Kriminelle bezeichnen, die im selbsternannten Auftrag für eine von ihnen verhaftete Religion Leid über Menschen bringen. Haben Sie eine Idee? Helfen Sie uns! Kommentieren Sie, emailen Sie uns. Rufen Sie an. Wenn Sie konkrete Vorschläge haben.
Wir haben bis heute keine brauchbaren Hinweise erhalten und auch keine Lösung. Landauf, landab wird aber medial immer wieder von “islamistischem Terror” berichtet, der alle Muslime “verhaftet”, auch die überwiegend gewaltfreien und friedlichen Gläubigen dieser Religion.
Tatsächlich können leider Muslime nicht einfach nur sagen, wir haben damit nichts zu tun. Genausowenig wie alle Deutschen, die in der Nazizeit noch Kinder waren oder nach 1945 geboren wurden, nicht einfach sagen können: “Nazis? Hab ich nichts mit zu tun.” (Anm. d. Red.: Wir vergleichen sicherlich nicht die Verbrechen der Nazis mit denen von Terroristen. Jedes Verbrechen ist schrecklich.)
Tatsächlich können andere, ob “Christen” oder einfach nur Bürger in Deutschland und auch Medien, nicht nach jedem Anschlag, der mit irgendeiner Terrorgruppe zu tun hat, von “Islamismus” sprechen. Und umgekehrt können andere nicht einfach verleugnen, dass es Kriminelle und Mörder sind, die sich auf diese Religion berufen.
Nach unseren Informationen sind viele Attentäter und Mörder auf einer angeblichen Basis des Islam radikalisiert worden. Doch welcher Basis? Ist der Islam an sich tatsächlich ausschlaggebend für die Radikalisierung oder wirken eine Vielzahl anderer Faktoren mit? Selbstverständlich bietet der politische Islam Möglichkeiten der Radikalisierung, das verhält sich aber mit allen “Glaubensgemeinschaften” so, mit politischen Weltbilder und sogar “der Wissenschaft”, wenn sie als Basis für eine Radikalisierung verwendet werden sollen und werden.
Das Prinzip ist ein “Wir gegen die”, wer auch immer “wir” ist und wer auch immer “die” sind.
Denken Sie mal drüber nach: Wer sind Sie? Zu wem fühlen Sie sich als “Wir” zugehörig? Wer sind “die” anderen? Stellen Sie Vorurteile bei sich gegenüber anderen fest? Worin unterscheiden Sie sich von anderen, die Vorurteile haben? Trennen Sie zwischen Mördern und Gläubigen? Wie gehen Sie mit Kritikern um, die etwas äußern, was Ihnen spontan nicht gefällt? Sind Sie im Besitz der Wahrheit? Sind Sie besser als andere? Wie würden Sie sich unter anderen Umstände verhalten?
Die Reflexe auf unseren fiktionalen Text, die uns “Rassismus” unterstellen, waren zu erwarten. Durch einfache Triggerwörter, die nur “angedeutet” haben.
Schade, dass meist erst reagiert und dann leider nicht mehr nachgedacht wird.
Wir zählen auf RNB-Leser – und zwar nicht die, die mal vorbeisurfen, sondern regelmäßig dabei sind. Darunter gibt es sehr viele Muslime, die wir als Leser und persönlich als Freunde schätzen.