Ladenburg, 14. März 2012. (red) Ein Schüler, ein ehemaliger Schulleiter, ein Wirtschaftsvertreter und ein CDU-Landtagsabgeordneter diskutierten am vergangenen Freitag gemeinsam mit zahlreichen Besuchern über die Gemeinschaftsschule. Perfekt ist das Konzept hierfür (noch) nicht – darüber sind sich alle einig.
Von Julian Heck
Im Domhofsaal im Ladenburger Rathaus stehen vorne an je einem Stehtisch Männer aller Generationen. Der halbe Saal ist voll. Es geht um das so wichtige Thema Gemeinschaftsschule. Die CDU Ladenburg hat eingeladen. Der ehemalige Schulleiter Heinz Gindner am Carl-Benz-Gymnasium Ladenburg hat auch an der Integrierten Gesamtschule Mannheim-Herzogenried (IGMH) unterrichtet. Seine Erfahrungen spiegeln sich in einem langen Vortrag wieder, den er zu Beginn der öffentlichen Diskussionsrunde hält.
Gemeinschaftsschulen gibt es schon immer
Man müsse das Rad nicht immer neu erfinden, sondern Bestehendes weiterentwickeln, so Gindner.
Der Porsche ist nur deshalb ein Erfolgsmodell, weil er sich und seinem Stil treu bleibt.
Der Pensionär bekräftigt damit seine vorherige Aussage einer Weiterentwicklung statt Erneuerung, auch das Schulsystem betreffend.
Gemeinschaftsschulen habe es schon immer gegeben – die Grundschulen. Bloß würde es nicht weitergeführt werden, weil die Fähigkeiten der Kinder in dem Alter immer weiter auseinandergingen. Im Raum sind aber keine Grundschullehrerinnen, die diese Aussage bestätigen könnten.
Gindner äußert starke Kritik an der Auswahl der 34 Starterschulen. Alle ausgewählten Schulen haben nur eine kleine Schüleranzahl und kein Gymnasium. Im Prinzip sei es nur ein Namenstausch, mehr nicht.
Individuelle Förderung kostet Geld
Der ehemalige Schulleiter plädiert stattdessen dafür, einige weitere Gesamtschulen einzurichten, da dort die Schullaufbahnentscheidung hinausgeschoben werde. Im gleichen Atemzug betont er aber auch die hohen Kosten bei dieser Schulart aufgrund der Differenzierungskurse, die mehr Lehrpersonal erfordern.
Seiner Ansicht nach kann die Gemeinschaftsschule bei den momentanen Abschlüssen und dem vorhandenen Niveau wegen der unterschiedlichen Lernfähigkeit und -geschwindigkeit keinen Erfolg haben.
Die Werkrealschule – ein Auslaufmodell
Relativ zuversichtlich zeigt sich Julian Albrecht, Vorsitzender des Jugendgemeinderates und Schüler am Carl-Benz-Gymnasium in Ladenburg. Der Ansatz sei auf jeden Fall richtig. Jedoch möchte er, dass die anderen Schulformen unter der Einführung der Gemeinschaftsschule nicht leiden.
Er berichtet von seinem Besuch im Landtag. Ein Abgeordneter habe zu ihm gesagt, die Werkrealschule sei ein Auslaufmodell. “Ist dieser Abschluss also ein Auslaufmodell?”, fragt Julian Albrecht in die Runde. Mit Blick zu Harald Töltl, Leiter des Bereichs Berufsbildung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mannheim, fordert er die Wirtschaft auf, auch gut qualifizierte Werkrealschüler zu nehmen.
Hauptsache das Produkt stimmt
Harald Töltl betrachtet die Diskussion um die Einführung der Gemeinschaftsschule aus zwei Richtungen. Zum einen wünscht er sich besser qualifizierte Schulabsolventen. Viel zu viel Geld würde momentan noch in Übergangssysteme gesteckt, um die zukünftigen Auszubildenden ausbildungsreif zu übernehmen.
Zum Anderen bringt er das auf den Punkt, was wohl viele denken. Letztendlich komme es auf das Produkt an.
Liebe Politik, welche Schulform es werden soll, das dürft ihr selbst entscheiden. Nur entscheidet euch richtig!
Töltl und auch der Christdemokrat Georg Wacker zitieren Bildungsforscher, die zum Ergebnis kommen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Unterrichtsqualität und dem Schulsystem gibt.
Gemeinschaftsschule finanzpolitisch riskant
Die Baden-Württembergische CDU lehnt das Konzept der Gemeinschaftsschule strikt ab. Diese Meinung vertritt auch Georg Wacker, der für die CDU im Landtag sitzt. Er plädiert dafür, das bestehende dreigliedrige System weiterzuentwickeln statt eine komplette Umwälzung vorzunehmen und zählt eine Reihe von Nachteilen auf.
Die Lehrkräfte seien mit der Heterogenität der Schülerschaft überfordert. Die Umstrukturierung ist nicht von unten nach oben erfolgt, sondern von der Landesregierung auferlegt worden. Die Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Schulformen – bezüglich Personal, Klassenteiler und anderem – sei nicht akzeptabel.
Zudem hält Wacker das grün-rote Gemeinschaftsschulkonzept für “höchst riskant”. Die nötigen Ressourcen für eine individuelle Förderung seien finanziell nicht tragbar.
Georg Wacker ist der Ansicht, es gibt bessere Modelle als das von der Landesregierung vorgeschlagene.
Die IGMH ist wesentlich fortschrittlicher als das Konstrukt Gemeinschaftsschule.
Nur noch Reparaturbetrieb
Die Gäste verfolgten die Stellungsnahmen der Redner – eine hitzige Diskussion kam nicht wirklich zustande – und hielten sich eher zurück. Ein anderer Blickwinkel erfolgte dann doch durch einen Herren, der für sich festellt:
Man ist nur noch ein Reparaturbetrieb, anstatt präventiv zu handeln. Was ist mit Werten wie Teamfähigkeit, Ordnung, Pünktlichkeit und anderem?
Was nimmt man an Zuschauer nun aus dieser Veranstaltung mit? Das perfekte Schulsystem scheint es nicht zu geben. Egal, ob etwas Neues eingeführt wird oder nicht. Wichtig scheint zu sein, dass ständig darüber diskutiert und sich damit auseinandergesetzt wird – denn nur dann ist eine stetige Weiterentwicklung möglich.