Mannheim, 14. Oktober 2017. (red/pm) Für das Theaterfestival Schwindelfrei sind die diesjährigen regionalen Theatergruppen ausgewählt worden. Die vier Künstlergruppen werden zum Thema „Performing Privilege“ auftreten.
Information der Stadt Mannheim:
„Für das Theaterfestival Schwindelfrei 2018 stehen die vier regionalen Künstlergruppen fest: Aus zahlreichen Bewerbungen von Künstlern der Metropolregion zum Thema „Performing Privilege“ wurden durch Kuratorin Sophia Stepf vier Konzepte aus den Bereichen Performance, Tanz, Installation und Theater für jeweils zwanzigminütige Inszenierungen ausgewählt: Das vom 28. Juni bis 1. Juli 2018 stattfindende Uraufführungsfestival werden Michelle Cheung und Julie Pécard aus Mannheim, Lea Aderjan und Karolin Vogt aus Mannheim, Anna Julia Amaral und Nina Weber aus Weinheim sowie Golnaz Hourmazdi und Fides Schopp aus Mannheim und Heidelberg gemeinsam mit zwei weiteren, internationalen Gruppen gestalten.
„Mit dem Theaterfestival Schwindelfrei ist es uns gelungen, ein sowohl finanzielles als auch inhaltliches Förderinstrument für die freie Theaterszene fest zu etablieren“, sagt Kulturbürgermeister Michael Grötsch. „Wir sind überzeugt, dass auch die sechste Ausgabe mit einem weiterentwickelten Konzept an neuen Spielstätten gleichermaßen großen Zuspruch bei Kunstschaffenden wie Zuschauern finden wird“, so Grötsch weiter. Insgesamt werden sechs kleine Premieren in zwei Theaterparcours ihr Publikum durch die Innenstadt und den Jungbusch führen sowie in Häuser der Freien Szene wie dem EinTanzHaus, theater/haus G 7 oder zeitraumexit.
„Schwindelfrei stellt als produzierendes Festival die Vernetzung und den intensiven Austausch der Künstlerinnen und Künstler in den Mittelpunkt“, erläutert Sabine Schirra, Leiterin des Kulturamtes Mannheim, das das Festival alle zwei Jahre ausrichtet. „Zu den Besonderheiten des Theaterfestivals Schwindelfrei gehört, dass Kunstschaffende im Rahmen einer Residency neue Arbeiten entwickeln können. Zudem bringt es lokale mit internationalen Künstlern zusammen und verschreibt sich neuesten zeitgenössischen Theater- und Performancerichtungen“, unterstreicht Schirra das einzigartige Schwindelfrei-Konzept.
Sechs Perspektiven auf Privilegien
Das Theaterfestival Schwindelfrei – „Performing Privilege“ ist ein multiperspektivisches Kaleidoskop. Es zeigt in sechs kurzen Stücken verschiedene Perspektiven auf das Festivalthema und macht sich auf die Suche nach der analytischen Nabelschau, dem kritischen Weiß-Sein, den heutigen Hochstaplern, der unmöglichen Augenhöhe, den Mode-Codes des sozialen Aufstiegs und der Frage, ob wir wirklich bereit wären, die eigenen Privilegien zu teilen. „Uns haben insbesondere Bewerbungen aus den Bereichen Tanz und Performance erreicht“, ist Kuratorin Sophia Stepf mit den eingesendeten Konzepten zufrieden. „Besonders interessant war in diesem Jahr, dass das Thema vorwiegend jüngere Künstlerinnen und Künstler angesprochen hat, die Qualität der Bewerbungen war dabei durchweg auf hohem Niveau“, betont die Kuratorin.
Die regionalen Schwindelfrei-Künstler greifen dabei Fragen auf wie: Welche Rolle spielt die Kunst bei der Verfestigung von Rollenbildern und Strukturen? Wie ist der Blick auf Privilegien aus der Sicht der Anderen? Welche Machtstrukturen haben Poser-Autofahrer im urbanen Raum? Wie kann ich „Blackness“ behaupten? Daraus entstanden vier Projektideen:
„CIRCO“
von Michelle Cheung und Julie Pécard / Mannheim
Die Mannheimer Choreographinnen und Tänzerinnen Michelle Cheung und Julie Pécard schaffen das Setting einer Gameshow und experimentieren mit Machtverhältnissen und Privilegien zwischen Darstellerinnen und Publikum. Darf man als Darstellerin die Macht ausnutzen, das Publikum zu manipulieren? Rollenbilder werden hinterfragt, die das Theater mit jeder Vorstellung neu aufbaut. Welche Rolle spielt die Kunst bei der Verfestigung von Rollenbildern und Strukturen? Und wer hat hier eigentlich Macht über wen?
„Nur mein Leben“
von Lea Aderjan und Karolin Vogt / Mannheim
„Nur mein Leben“ ist ein Projekt, das sich zwischen Schauspiel und Bürgerbühne bewegt und von der Mannheimer Regisseurin Lea Aderjan sowie der Musikerin Karolin Vogt für das Festival umgesetzt wird. In Kooperation mit dem Versperkirchenchor Mannheim soll das Festivalthema Privilegien aus einem besonderen Blickwinkel betrachtet werden: Ein inszeniertes Wechselspiel, das Verschwimmen der Grenzen zwischen Individuen, soll sich am Ende auch auf das Publikum ausweiten.
„How to be black? – Heutiges Beispiel: Rachel Dolezal“
von Anna Julia Amaral und Nina Weber / Weinheim
2015 machte der Fall Rachel Dozela Schlagzeilen. Eine Weiße Frau gibt sich über Jahre als Schwarze Person aus und war in Kämpfe Schwarzer Communities in den USA verwickelt. Ist es möglich, Schwarz-Sein zu behaupten? Das Künstlerinnenduo Amaral/Weber aus Weinheim werden dieser Frage nachgehen. Dabei werden sie körperlichen Privilegien wie der Hautfarbe nachspüren und sich bewusst in unwegsames Gelände aufmachen.
„You Drive Me Crazy“ (Arbeitstitel)
von Golnaz Hourmazdi und Fides Schopp / Mannheim & Heidelberg
Das Duo Golnaz Hourmazdi (Filmemacherin) und Fides Schopp (Medienkünstlerin/Szenographin) untersucht Machtstrukturen im urbanen Raum. Dabei nehmen sie das Phänomen von sogenannten Poser-Autofahrern in den Focus und thematisieren den Stadtraum als umkämpften Ort – zwischen Privilegien, Mobilität und Handlungsmacht. Um der Frage nachzugehen, wer das Recht besitzt, seine Privilegien zur Schau zu stellen, nutzt das Projekt „You Drive Me Crazy“ den Luxus „Auto“ als Diskursraum.
Die regionalen Produktionen werden vom Kulturamt der Stadt Mannheim mit jeweils 6.000 Euro finanziert und von der Kuratorin wie auch dem Team inhaltlich und organisatorisch unterstützt.
Kuratiert wird das Festival von Sophia Stepf, die als Dramaturgin die ausgewählten Gruppen auch während der anschließenden Probenphase begleiten wird. Stepf arbeitet seit ihrem Studium der Dramaturgie international mit dem Schwerpunkt Indien. Sie ist selbst als Regisseurin und Dramaturgin in der Freien Szene aktiv und produziert Stücke in Berlin, Kassel oder etwa Bangalore. Sie hat die kuratorische Praxis als Assistentin und Dramaturgin für internationale Theaterfestivals wie den Wiener Festwochen, Theater der Welt oder die Bonner Biennale gelernt und bringt ein kritisches Verständnis zum Theateraustausch, internationalen Kooperationen und der Präsentation internationaler Künstler im deutschsprachigen Raum mit.“