Rhein-Neckar, 14. April 2016. (red/pro) Rüdiger Klos hat im Mannheimer Norden das Direktmandat für die AfD gewonnen. Dieses Ergebnis ist eine Sensation, galt der Wahlkreis Mannheim I doch als traditionell “rot”. Die SPD verlor ihr letztes Direktmandat an einen, von dem es heißt, er sei im Norden völlig unbekannt. Rüdiger Klos hat uns exklusiv ein Interview gegeben – er erzählt von der Wahl, was ihn ausmacht und was man von ihm zu erwarten hat.
Interview: Hardy Prothmann
Sie haben als „großer Unbekannter“ das Direktmandat im ehemals roten Mannheimer Norden geholt. Wann sind Sie in die AfD eingetreten?
Rüdiger Klos: Ich war schon immer ein politischer Mensch, aber nie in einer Partei. Aber als dann 2011/12 die Griechenlandproblematik aufkam, haben mich einige Maßnahmen der deutschen Regierung wirklich schockiert. Ich war ein Gründungsmitglied der AfD hier in Baden-Württemberg Hätten Sie mir damals gesagt, dass mich die Bürger aktuell in den Landtag wählen, hätte ich das für einen sehr lustigen Scherz gehalten. Das hatte ich überhaupt nicht auf dem Radar.
Wie haben Sie den Wahlabend erlebt, als Sie feststellten, das könnte was werden?
Klos: Ich war viereinhalb Monate auf der Straße unterwegs – wir haben ja keine Räume bekommen. Es hieß, die Antifa wolle die Wahlen manipulieren. Ich hatte hier in Baden-Württemberg überhaupt keine Bedenken, dass es zu Manipulationen kommen könnte, weil die Wahlhelfer das professionell umsetzen. Aber ich war trotzdem im Wahllokal, weil ich sehen wollte, wie dieser demokratische Prozess abläuft. Denn dort findet der wahre demokratische Akt statt, nicht vor dem Fernseher. Respekt: Die Menschen, die das machen, sind sehr engagiert. Und als ich da im Wahlraum auf der Vogelstang war, habe ich gemerkt, wie der Stapel der AfD höher und höher wurde…, da habe ich mir gedacht, was ist denn hier los? Auf der Straße habe ich das oft erlebt: „Ach, Sie wähle ich sowieso, überzeugen Sie mit dem Flyer jemand anderen.“. Ich habe mir teilweise gedacht, ob das 15 Prozent oder sogar 20 Prozent werden könnten? Der Zuspruch war enorm. Aber dann kam der Zweifel: Das kann gar nicht sein, ausgeschlossen.
Ich gewinne schon gern, aber man sagt im Italienischen gerne „non stravincere“: Man soll den Erfolg nicht überreizen.
Der Straßenwahlkampf hat für Sie die Wahl entschieden?
Klos: Auch. Die AfD hat ja aus dem Stand 15,1 Prozent geschafft – das ist ein toller Erfolg. Meine zusätzlichen Prozent habe ich mir vermutlich auf der Straße erlaufen. Als am Wahlabend ein Freund anrief und meinte: „Rüdiger, du hast das Direktmandat geholt!“, da dachte ich erst, er veräppelt mich. Das war wirklich irreal. Mit dem Direktmandat habe ich nicht gerechnet. Ich gewinne schon gern, aber man sagt im Italienischen gerne „non stravincere“: Man soll den Erfolg nicht überreizen.
Und dann?
Klos: Ist mir schnell klar geworden, welche Verantwortung ich von den Leuten bekommen habe. Jetzt muss ich erst recht was für diese Leute machen. Ich habe da auch schon einige Ideen. Aber es ist schwierig.
Was?
Klos: Wir haben versucht, Bürgertreffs zu organisieren, aber da ist nichts zu machen. Entweder hört man, dass die SPD das nicht gerne sehen würde, die begreift den Norden exklusiv als ihr Revier. Ich will jetzt mal mit sämtlichen Pfarrgemeinden reden und will wissen, wo die sozialen Brennpunkte sind. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, wo im Mannheimer Norden die Kinderspielplätze sind. Und dann will ich auch mit den Sozialarbeitern reden, wo es mangelt und was man machen kann.
Als Landtagsabgeordneter haben Sie keinen Einfluss auf Kinderspielplätze oder kommunale Sozialarbeit.
Klos: Das ist richtig. Aber man muss den Menschen lokal zuhören und überlegen, was man übers Land dazu machen kann. Über das Miteinander-Reden erfährt man die emotionale Ebene, die ich dann auf die Sachebene holen will. Ich stehe nicht gerne im Rampenlicht, deswegen gab es keine Rüdiger Klos-Plakate. Mein Ding ist die Sachebene.
Dann wurde also doch weniger Rüdiger Klos gewählt worden, sondern die AfD?
Klos: Meine Haltung war: Wenn sie uns aus Räumlichkeiten verbannen, dann mache ich eben Straßenwahlkampf. Ich war praktisch jeden Tag sieben, acht Stunden unterwegs. Und da treffen Sie Leute und kommen mit denen ins Gespräch. Wenn das bei 90 Tagen jeden Tag 100 Menschen waren, haben mich viele kennengelernt. Da haben die Menschen wohl gemerkt, der Klos ist normal, spricht mit jedem und hat gute Ideen. Das erzählen die natürlich auch zu Hause. Das war das Konzept, das ich mir gebaut hatte. Von Anfang an draußen bei den Leuten zu stehen. Ich denke, das Direktmandat habe ich am Ende deshalb geholt.
Diese Nazi-Nummer lief einfach nicht. Ich glaube, dass hat viele Nichtwähler mobilisiert, weil sie gesagt haben: Jetzt habe ich mal die Alternative.
Klingt wie Friede-Freude-Eierkuchen. Aus Sicht anderer Parteien ist die AfD rechtsradikal.
Klos: Diese Nazi-Nummer lief einfach nicht. Ich glaube, dass hat viele Nichtwähler mobilisiert, weil sie gesagt haben: Jetzt habe ich mal die Alternative. Denn was hat denn die SPD vor Ort für uns gemacht? Gar nichts! Da kamen auch Sprüche wie: „Sie können ja gar nicht schlimmer sein, als die!“ Wir haben in Deutschland keine Politikverdrossenheit, sondern eine Berufspolitikerverdrossenheit. Oder wenn Sie hören, dass die anderen Fraktionen jetzt da sitzen und sich beraten über den Umgang mit der AfD. Da frage ich mich: Wo bin ich hier eigentlich? Wir sind demokratisch gewählt. Wir müssen das Land voran treiben und den Bürgern helfen und die andern überlegen, wie sie mit uns umgehen sollen? Da kann ich nur den Kopf schütteln. Ich werde niemals persönlich jemanden angreifen. Wir müssen saubere Arbeit abliefern, transparent sein und ganz klar für die Menschen eintreten in diesem Land. Gegen die verkrusteten Strukturen.
Zur Person:
Rüdiger Klos (54) lebt mit seiner Familie in Eppelheim. Der Unternehmensberater hatte BWL in Mannheim studiert, sich aber vor einem Abschluss selbständig gemacht. Sein Vater kommt aus Schlesien, seine Mutter ist Italienerin. Klos selbst spricht fließend italienisch und unterhält geschäftliche Kontakte nach Norditalien. 2013 gründete er die AfD Baden-Württemberg mit. Bei der Landtagswahl am 13. März 2016 gewann er das Direktmandat im Wahlkreis Mannheim I. Bislang galt der Wahlkreis als uneinnehmbar “rot”. Die SPD verlor mit dem Wahlkreis das letzte Direktmandat in Baden-Württemberg.
Wie löst man diese Probleme, dass man einerseits gegen den Parteienstaat vorgehen will und andererseits selbst Vertreter einer Partei ist?
Klos: Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben ein Parteiengesetz in Deutschland. Jede politische Bewegung, die mitwirken will, ist verpflichtet, eine politische Organisationsform zu gründen und das ist die der politischen Partei. Natürlich wird der Druck, uns dem System anzupassen, stark sein. Trotzdem kann man ja versuchen bestimmte Dinge durchzudrücken, damit man etwas erreichen kann. Uns stände jetzt im Landtag eine Vizelandtagspräsidentenstelle zu, den man uns nicht geben will. Wir hätten auch aus Kostengründen verzichtet, aber in den Vorgesprächen wurde deutlich, dass aus Gründen der Organisation und des Arbeitsumfangs auf die Stelle eines 2. Vizelandtagspräsidenten nicht verzichtet werden kann. Daher werden wir dem Parlament einen Kandidaten vorschlagen. Ansonsten bleibt für mich die Aufgabe zu schauen, wo eingespart werden kann, um Schulden abzubauen.
Wir brauchen Bargeld als Zahlungsmittel.
Die Schulden ärgern Sie?
Klos: Mehr noch, die regen mich auf. Ich rege mich auf, wenn eine Frau Nahles im Fernsehen sagt, regt euch nicht auf wegen diesen sechs, sieben hundert Millionen Euro. Wie bitte? Oder was würde es bedeuten, wenn wir kein Bargeld in Baden-Württemberg oder Deutschland mehr hätten? Wir brauchen ein Zahlungsmittel und das wäre dann in digitaler Form. Das heißt, jedes Kaugummi, das jemand kauft, kann nachverfolgt werden mit Ort- und Zeitpunkt. Wenn Sie das auch noch mit ihren Hand-Daten koppeln, haben Sie ein lückenloses 24-Stunden-Überwachungssystem. Wenn Sie dann eine Lebensversicherung abschließen wollen, sagen die Versicherungen: „Der hat jetzt aber sehr oft in einem bestimmten Lokal Torte mit viel Zucker gegessen, das können wir zusätzlich berechnen.“ Das ist doch Wahnsinn!
Sie sind stellvertretender Landessprecher, wie ist Ihr Verhältnis zu Herrn Meuthen?
Klos: Wunderbar! Ich bin heilfroh, dass wir ihn haben und er sich in den Wahlkreis eingebracht hat. Für ihn war das ja eine enorme Belastung. Er ist Bundessprecher und Landessprecher. Wobei er gleich gesagt hat, dass er ein drei-Sprecher-Modell vorschlägt. Das wurde dann auch auf dem Landesparteitag von den Mitgliedern im Juli 2015 so beschlossen. Er kam auf mich zu und es hieß: „Wir haben große Probleme in Mannheim. Da ging einiges durcheinander.“ Er meinte: „Wir brauchen dort einen Notvorstand, der laut Satzung Mitglied im Landesvorstand sein muss, bringen Sie den Kreisverband wieder zum Laufen.“ Ich habe die Aufgabe angenommen und wir hatten vor Ort wieder einen handlungsfähigen Vorstand. Das hat einigen Mitgliedern gut gefallen. Ich habe gesagt, wenn ihr was braucht, ich bin schnell da. Durch den Abgang der ALFA-Leute war die Struktur auch in Mannheim ziemlich zerbrochen. Ich habe mich hier eingebracht. Und dann kamen einige Mitglieder und fragten nach der Landtagswahl, da sie keine Kandidaten hatten: „Wie wäre es mit Ihnen, Herr Klos?“ Dann habe ich gesagt, okay, wenn ihr das wollt, selbstverständlich, das gehört zu meinen Aufgaben. Danach ging alles sehr flott. Auch die Unterschriften hatten wir relativ schnell zusammen. Und dann kam auch schon die Wahl.
Ich will Leuten helfen, die sozial links liegen geblieben sind.
Wir stehen Sie denn zum Herrn Frohnmeier?
Klos: Das ist ein wunder Punkt. Es gibt ja diese Aufnahme im Internet von ihm. Da braucht man ja nicht mehr drüber reden.
Herr Frohnmeier will „aufräumen“ – was wollen Sie?
Klos: Ich will, dass sich Dinge ändern, die schief gelaufen sind. Und ich will Leuten helfen, die sozial links liegen geblieben sind. Ich erzähle Ihnen mal konkrete Erlebnisse: Ich war Unterschriften sammeln. Einmal machte mir eine Dame auf, mit einem Bademantel bekleidet, sehr ungepflegt, rauchend, Alkoholfahne und im Hintergrund schreit ein Baby. So etwas geht mir an die Nieren…
Warum?
Klos: Weil Kinder schwach sind und unseren Schutz brauchen. Und da würde ich gerne was machen! Da brauchen wir niemanden, der sich vorne hinstellt und groß was erzählt. Ich möchte den Leuten direkt helfen. Und das ist auch bei den Flüchtlingsbildern so. Was macht Frau Merkel? Selfies in eigener Sache. Aber jetzt kommen diese Bilder – aus Indomeni: Ich kann das fast nicht aushalten. Da packt mich die Wut. Wieso hilft man den Familien mit Kindern dort nicht, um das Chaos zu beenden? Hätte man die nicht schnell und unbürokratisch holen können? Ein- oder zweitausend mehr Menschen, das juckt doch keinen mehr. Aber nein, das war nicht mehr opportun.
Sie reden irgendwie nicht so, wie gewisse andere AfD-Politiker. Mit wem haben Sie es lieber zu tun? Mit Herrn Meuthen oder Frau Petry? Wer von beiden stellt sich in der Öffentlichkeit besser dar?
Klos: Ich bin froh, dass beide in der Partei Bundessprecher sind. Frauke macht einen tollen Job und Jörg auch. Das sind Leute, die haben überhaupt keine Politikerfahrung und dann gehen die nach draußen und halten im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf hin. Davor habe ich Achtung. Vor allem bei den gegebenen Ressourcen.
Die Alternative für Deutschland ist eine Erfolgsstory.
AfD Baden-Württemberg:
Der AfD gelang aus dem Stand heraus ein fulminantes Ergebnis bei der 16. Landtagswahl am 13. März 2016 in Baden-Württemberg. Mit 15,1 Prozent ist sie im Landtag drittstärkste Fraktion nach Bündnis90/Die Grünen (30,3 Prozent, 47 Abgeordnete), CDU (27 Prozent, 42 Abgeordnete) und liegt vor der SPD (12,7 Prozent, 19 Abgeordnete) und FDP (8,3 Prozent, 12 Abgeordnete). Alle 23 AfD-Abgeordneten haben keine politische Laufbahn hinter sich, sondern sind “Neulinge” im politischen Geschäft. Die AfD konnte zwei Direktmandate gewinnen – in Mannheim und Pforzheim. Der Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Jörg Meuthen ist Landes- und Bundessprecher der rechtskonservativen Partei.
Was meinen Sie damit?
Klos: Ganz einfach. Die AfD ist eine Erfolgsstory. Trotzdem haben wir im Vergleich zu anderen Parteien nur wenig Leute, die Basisarbeit machen. Als Herr Meuthen beispielsweise bei Frau Illner war, habe ich mich hingesetzt und alles transkribiert, wer was gesagt hatte und ihm das geschickt. Damit konnte er sich am nächsten Tag auf Presseanfragen vorbereiten – in anderen Parteien machen das nicht die Kandidaten und stellvertretenden Landessprecher. Wir helfen uns, so gut es geht.
Ihnen fehlt der Unterbau?
Klos: Uns fehlt nicht nur der Unterbau, uns fehlen auch die ganzen Profis. Nach der Wahl gab es viele Presseanfragen und dabei lief einiges schief, weil klare Handlungsabläufe bei uns naturgegeben noch nicht eingeschliffen sind. Bei den „etablierten“ Parteien läuft das glatter.
Wie arbeiten Sie dann die kommenden fünf Jahre?
Klos: Wir bauen uns auf. Stück für Stück und mit Plan. Problematisch wird es weiter sein, Räume in Mannheim zu finden, weil die linke Politik uns alles abschneiden will. Die SPD hat schon angekündigt, um jeden Preis zu verhindern, dass ich im Norden Erfolg habe. Ein Beispiel ist die verbreitete Legende, niemand würde mich kennen, ich sei ja nicht „aufgetreten“. Ja wie denn, wenn die jeden unter Druck gesetzt haben, der Räume an uns vermieten wollte?
Wir werden massiv von vielen hassgetriebenen behindert. Das ist komplett irre!
Sie reden gerade drüber – also wird das öffentlich.
Klos: Herr Prothmann, ich bin zum Interview gekommen mit der klaren Einstellung, dass ich Ihnen auf jede Frage offen antworte. Aber der Haken ist: Wenn das Rheinneckarblog öffentlich macht, was wir planen, wir das sofort torpediert. Das ist komplett irre! Und es geht noch irrer – die sind komplett gegen mich, behaupten aber, ich sei ein Phantom. Keiner kennt mich also, aber viele sind hassgetrieben. Das ist nur noch ideologisch motiviertes Besitzdenken – sogar nach dem Wahlverlust des letzten verbliebenen roten Direktmandats.
Wie sieht es denn mit Räumlichkeiten in Stuttgart aus?
Klos: Ich gehe davon aus, dass wir Büros bekommen werden. Vor Ort ist alles ein wenig durcheinander, weil der Landtag ja umgebaut wurde. Wir müssen jetzt erst einmal sehen, dass wir unsere internen Strukturen hinbekommen. Wir müssen möglichst schnell arbeitsfähig werden. Das heißt, wir müssen uns in die Organisationsform speziell des Landtags eindenken. Das heißt, wir haben intern Arbeitsgruppen in der Fraktion.. Im Moment gibt es zwölf verschiedene Abteilungen, die dann wieder Arbeitskreise bilden. Das heißt, wir haben aktuell relativ viel Arbeit mit den nötigen bürokratischen Strukturen.
Die AfD, die Medien und der “Schießbefehl”
Die AfD hat es schwer mit den Medien – die allermeisten skandalisieren ausschließlich Soundbytes prominenter Vertreter wie Dr. Frauke Petry und vor allem Björn Höcke, der immer wieder mit rechtspopulistischen Aussagen provoziert. Dabei werden wenige Vertreter als pars pro toto für die gesamte Partei stilisiert. Leisere Stimmen wie die von Jörg Meuthen wurden lange überwiegend ignoriert. Die erst 2013 gegründete AfD ist aktuell in den Landtagen von Sachsen, Brandenburg, Thüringen (2014) vertreten, 2015 schaffte sie den Einzug in Hamburg und Bremen und 2016 in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz sowie Sachsen-Anhalt. Die rechtskonservative Partei konnte aus dem Stand heraus bedeutende Wahlergebnisse erzielen.
Viele Medien versuchten die AfD ausschließlich zu skandalisieren – so auch eine Mannheimer Lokalzeitung, die ein knapp 40-minütiges Gespräch mit Frau Dr. Petry mehr oder weniger auf die Aussage zu reduzieren, die AfD fordere an der Grenze einen “Schießbefehl”. Angeblich soll dies der Partei geschadet haben, was im Umkehrschluss heißt, dass die AfD noch bessere Ergebnisse hätte erzielen können. Tatsächlich wird seit einige Tagen an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien auf Flüchtlinge geschossen – nicht mit scharfer Munition, aber mit Tränengasgranaten und Gummigeschossen – eine mediale Empörung ist kaum wahrnehmbar.
Ende April wird die AfD ihr Parteiprogramm beraten und beschließen.
Ist schon klar, wer welche Funktionen übernimmt?
Klos: Hier hat auch die Zeit die Entwicklung überrollt. Die Fraktion ist jetzt offiziell konstituiert, ebenso Positionen, wie Fraktionsvorsitz, Parlamentarischer Geschäftsführer, Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden, Fraktionsgeschäftsführer. Intern sind die Positionen für die ständigen Mitglieder der verschiedenen Ausschüsse und die entsprechenden Stellvertreter benannt worden. Wir brauchen jetzt Personal, Referenten, Pressesprecher, es wird Ausschreibungen geben.
Solange sich die Zeitung für braune Soße nicht entschuldigt, gibt es keine Interviews mit mir.
Sie brauchen Pressesprecher? Wofür? Mit uns reden Sie, aber mit der größten lokalen Zeitung am Ort nicht.
Klos: Diese lokale Zeitung hat uns als „braune Soße“ bezeichnet. Damit beleidigt diese Zeitung alle Mitglieder der AfD, alle Kandidaten und im Endeffekt auch die Wähler, die uns die Stimmen gegeben haben. So lange diese Zeitung sich dafür nicht entschuldigt, gibt es mit mir auch keine Interviews.
Halten Sie dieses Basta tatsächlich durch?
Klos: Warum nicht? Ich brauche diese Zeitung doch nicht – ich bin doch für die Leute da. Die haben mich gewählt, wenn es nach der Zeitung gegangen wäre, hätte das Ergebnis anders ausgesehen. Ich hab die Leute gefragt, was die wollen und was die brauchen und wo der Schuh drückt. Und da waren unglaublich viele interessante Gespräche dabei. Ich rede mit den Leuten und verkünde nichts über Zeitungen. Wollen Sie wissen, was die Menschen interessiert?
Ungerechte Einkommen machen mich wütend.
Klar.
Klos: Reden Sie mal mit Azubis. Die bekommen so wenig Geld, dass sie Ihren Lebensunterhalt z.B. die Miete nicht komplett bezahlen können, ober das ÖPNV-Ticket. Wenn ich dann lese, dass ein Herr Oettinger, der keinen vernünftigen Satz zustande bekommt, 35.000 Euro im Monat „verdient“, dann werde ich wütend. Oder der Vorsitzende der EU-Kommission Jean-Claude Juncker: 53.000 Euro im Monat? Wo sind wir denn? 100.000 Mark für jemanden, der sich hinstellt und sagt „wenn es ernst wird, müssen wir lügen, lügen, lügen.“
-Anzeige- |
Sie werden als Landtagsabgeordneter auch nicht schlecht verdienen.
Klos: Die Aufwandsentschädigung beträgt 7.448 Euro im Monat. Die ist voll zu versteuern, es gibt kein 13. Monatsgehalt . Der Landtag ist ein so genanntes „Arbeitsparlament“, also werde ich dafür hart arbeiten. Ich möchte wieder einen effizienteren Umgang mit Steuergeldern. Und dafür braucht es Transparenz. Das wird schwer, weil der Filz versucht, Sie durch die schiere Masse an Material zu erschlagen. Der Haushalt hat mehrere tausend Seiten. Alleine bewältigt das niemand. Wir müssen versuchen, uns sehr gut zu organisieren, um hier zwischen den Zeilen die Kostenfresser zu entdecken. Beispiel Gleichstellungsbeauftragte: Die schlucken im Land richtig viel Geld. Dieser Gender-Blödsinn versteckt sich irgendwo auf 4.000 Seite in irgendwelchen Positionen.
Ah. Wir sind beim Parteiprogramm. Darüber gab es ja schon viel Aufregung. Beispielsweise zum Mindestlohn, den die AfD abschaffen will oder wollte?
Klos: Da ist irgendwas durchgestochen worden und das wird dann schön skandalös aufbereitet. Der Entwurf war ein Entwurf. Ganz ehrlich, als das damals durch die Presse ging, hatte selbst ich den noch gar nicht lesen können.
Sie wissen also nicht, was für Ziele Ihre eigene Partei verfolgt?
Klos: Herr Prothmann. Es handelte sich um einen Entwurf. Der wurde dann angepasst und der wird wieder angepasst werden und dann kommt der Parteitag und dort wird dann über das festgelegte Programm entschieden. Wenn Sie jetzt von mir wissen wollen, was da am Ende drin steht, fragen Sie mich doch bitte gleich nach den Lottozahlen am Wochenende. Der Mindestlohn wird nicht angegriffen.
Vater-Mutter-Kinder ist weltweit das klassische Modell.
Ok. Lassen Sie uns über das Familienmodell der AfD reden. Vater-Mutter-Kinder.
Klos: Das ist in überwiegender Mehrheit weltweit das klassische Modell. Und es ist mit Sicherheit auch ein Modell, hinter dem ich stehe. Es ist ein wünschenswertes Modell. Jetzt muss man eins sehen: Die Scheidungsraten gehen hoch – ich wüsste aber ehrlich gesagt gerne warum? Gibt es hier „Anreize“? Ein klassischer Notfall ist: Einer stirbt. Dann haben sie zwangsweise den Alleinerziehenden-Fall. Da muss der Staat helfen, damit niemand in Not kommt. Der klassischere Fall dürfte sein, dass sich zwei nicht verstehen. Und dann trennen die sich. Meine Hoffnung ist immer, dass die sich trotzdem zum Wohl der Kinder zusammenraufen. Und alle Handlungen sollten dem Kindeswohl untergeordnet werden. Das finde ich wünschenswert. Da bin ich konservativ. Sich ausprobieren, voreheliches Zusammenleben wird lange praktiziert – was bringt das? Findet man damit idealerweise den Partner fürs Leben? Nein – die Scheidungsrate steigt schneller als damals, als das Vater-Mutter-Kind-Modell noch mehr der Standard war.
Der AfD wird Fremdenfeindlichkeit vorgeworfen. Ihr Wahlkreis hatte eine sehr hohe Belastung durch Flüchtlinge, die aktuell durch die geschlossene Balkanroute nicht mehr so drängend ist. Wie stehen Sie zur Flüchtlingsfrage?
Klos: Zuallerst mal – ich habe mit hohem Interesse die Artikel hier auf dem Rheinneckarblog gelesen. Wie viele andere auch. „Uns liegen Fotos vor, aber wir können sie nicht verifizieren“, wurde berichtet, weil die Presse ausgesperrt wird. Nur das Rheinneckarblog hat das so klar berichtet. Ich finde, das ist ein Skandal. Die Presse darf nicht in die Lager rein, um sich unabhängig ein Bild zu machen. Das gefällt mir überhaupt nicht.
Wenn Kinder in Panzerbaracken nächtigen müssen, dann ist hier die Situation außer Kontrolle.
Naja, es durchaus Termine für Medien, die dann schöne Berichte gefertigt haben.
Klos: Auch das habe nicht nur ich bemerkt, sondern auch andere. Ich habe zudem Informationen von Leuten, die nicht offen reden dürfen, mir aber von Parallelgesellschaften, Schutzgelderpressung, Bordellen und lauter miesen Dingen berichten. Mitten in Deutschland! Und dann erfahre ich, die Kinder, die hergekommen, sind häufig vergewaltigt worden auf dem Weg hierher – also ich bete zu Gott, dass das nicht stimmt. Die Situation ist katastrophal. Wenn Kinder in Panzerbaracken nächtigen müssen, dann ist hier die Situation außer Kontrolle. Die deutsche Regierung hatte keine Kontrolle mehr: Wir wussten nicht, wer kommt, wir wussten nicht, was er macht. Und wenn ich aktuell in den Medien verfolge, dass ausgebildete Terroristen, die keine Skrupel, keine Moral und nichts haben, auch hier in Deutschland sind, dann sage ich: Dazu hätte es niemals kommen dürfen.
Die allermeisten sind definitiv keine Terroristen. Und die Flüchtlingszahlen sinken. Trotzdem gibt es über 100.000 Menschen, die erst einmal in Baden-Württemberg bleiben. Welche Position haben Sie dazu?
Klos: Ich hätte gerne erst einmal eine Bestandsaufnahme. Wer ist da, wie viele sind da, wer hat Bleibeperspektive? Und ehrlich? Diese klare Information ist auch wichtig für alle, die keine Perspektive haben. Es gibt doch nichts Grausameres, als die Leute eine ganze Weile hier zu lassen und dann packt man sie und schiebt sie ab.
In Deutschland haben wir immer den Blick auf Deutschland – Sie schauen mit italienischen Wurzeln auch nach Italien. Wie denkt man dort über Flüchtlinge?
Klos: Auch da gibt es ein großes Meinungsspektrum. Ich kann ihnen sagen, was die Italiener von den Deutschen halten: Die halten uns für verrückt. Das kriegen sie klipp und klar gesagt: „Ihr seid nützliche Idioten.“ Und das meinen nicht nur die Italiener, sondern viele Staaten, die die Magnetwirkung der deutschen Bundesregierung nicht nachvollziehen konnten.
Man kann diesen Menschen keinen Vorwurf machen, die glauben, sie würden in Deutschland das Paradies auf Erden finden.
Das ist ja aktuell nicht mehr das Problem. Es kommen ja so gut wie keine Flüchtlinge mehr.
Klos: Da widerspreche ich. Das bleibt ein Problem, weil es zu einer Neiddebatte gekommen ist. So viele Deutsche haben Probleme und Leistungen wurden gekürzt. Für Flüchtlinge waren plötzlich Milliarden Euro da, die es vorher für Deutsche mit Problemen nicht gab. Die Flüchtlinge sind hier und verursachen weiter Kosten. Man kann diesen Menschen keinen Vorwurf machen, die glauben, sie würden in Deutschland das Paradies auf Erden finden. Aber ich mache den Leuten, die den Magneten angestellt haben, den Vorwurf. Und da habe ich doch meine Zweifel, ob das mit der nötigen Ernsthaftigkeit erfolgt ist. Und das gilt auch für die Frage, ob keine Flüchtlinge mehr kommen werden. Da habe ich erhebliche Zweifel.
Transparenz
Das Interview mit Herrn Klos wurde Ende März in der Redaktion geführt und dauerte rund 1,5 Stunden. Herr Klos erläuterte dabei Hintergründe und äußerte sich auch zu seinem Privatleben, das er aber nicht in der Öffentlichkeit sehen will. Verabredungsgemäß wurde das rund 30 Manuskriptseiten umfassende Gespräch auf die wesentlichen Fragen und Antworten auf insgesamt 7 Seiten gekürzt. Wir wenden bei der Autorisierung von Gesprächen folgende Methode an: Wir vereinbaren ein Gespräch und behalten uns vor, dieses anzupassen. Dabei achten wir auf eine möglichst chronologische Darstellung des Gesprächsverlaufs. Antworten werden häufig “verdichtet”, weil sie sonst zu lang sind und wie das beim Reden häufig vorkommt, Redundanzen vermieden werden. Das Recht am eigenen Wort beachten wir dabei mit großem Respekt – tatsächlich haben Gesprächspartner kein Recht auf eine Wort für Wort Wiedergabe (damit müssten auch alle “ähs” mit rein), wohl aber auf eine korrekte inhaltliche Wiedergabe (“Wahrhaftigkeit”) der Aussage.
Wir versuchen beim jedem Gesprächspartner dessen “Sound” beizubehalten. Diese Vorgehensweise macht viel Arbeit. Allein das Abschreiben der Audio-Aufnahme dauert 3-4 Mal so lange wie das Gespräch. Danach folgt die Textarbeit. Das Manuskript wird dann “zur Kenntnis” an den Gesprächspartner mit der Bitte “um Freigabe” geschickt. Die Gesprächspartner haben dann Gelegenheit, offensichtliche Fehler (falsche Zahlen, missverständliche Ausdrücke) zu korrigieren. Das Umschreiben oder streichen von Passagen erlauben wir dabei nicht – außer, es hat sich zwischen Gespräch und Veröffentlichungsdatum eine Veränderung ergeben, die eine Aussage überholt oder unsinnig macht. Dies war in diesem Gespräch an zwei Stellen der Fall: Erstens war die Fraktion noch nicht gegründet und zweitens war unklar, ob die AfD einen Kandidaten für den stellvertretende Landtagspräsidenten vorschlagen würde.
Herr Klos hat uns das Manuskript an diesen Stellen auf den neusten Stand gebracht und ansonsten nur marginale Korrekturen vorgenommen, die der Präzision dienten.
Insgesamt machen wir die Erfahrung, dass unsere Interviews bis auf kleine Korrekturen immer akzeptiert werden. Seit wir da Rheinneckarblog betreiben (2011) ist nur ein Interview nicht erschienen – die damalige Bundestagsabgeordnete Dr. Birgit Reinemund (FDP) wollte massiv in das Manuskript eingreifen und weite Passagen umschreiben. Daraufhin haben wir auf eine Veröffentlichung verzichtet.
Hinweis: Am 2. Juni ist Chefredakteur Hardy Prothmann Teilnehmer eines Workshops beim Reporterforum des Spiegel. Dort trifft er auf den Chefredakteur des MM – Dirk Lübke sowie Heinrich Maria Löbbers von der Sächsischen Zeitung. Das Thema: Wie über Pegida und AfD berichten?
Gefällt Ihnen unsere Arbeit?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Die Arbeit an diesem Text hat uns zwei Stunden Vorbereitung gekostet (die alltägliche Arbeit und viele Termine nicht gerechnet), eineinhalb Stunden Gespräch, fünf Stunden Transkription, zwei Stunden Bearbeitung des Manuskripts sowie gut eineinhalb Stunden Produktion. In Summe also gut 12 Stunden Arbeit. Wir finanzieren uns überwiegend aus Werbeeinnahmen, benötigen aber auch dringend die finanzielle Unterstützung unserer Leser, um eine solch aufwändige Arbeit weiterhin anbieten zu können. Besten Dank, wenn Sie uns nutzen und uns unterstützen. Hier geht es zum Förderkreis.