Mannheim, 13. Dezember 2017. (red/pro) Der Gemeinderat hat die Anträge von Grünen und SPD zu einem Frauennachttaxi mit Mehrheit beschlossen. Anders als von anderen Medien berichtet, wird dieses Angebot vermutlich aber erst 2019 eingeführt, da es zuvor noch konzeptioniert werden soll. Dafür werden 15.000 Euro im kommenden Jahr ausgegeben, ab 2019 sind 25.000 Euro im Haushalt vorgesehen. Das Frauennachttaxi soll das subjektive Sicherheitsgefühl stärken.
Von Hardy Prothmann
Die Einführung eines vergünstigten Einheitstarif für Taxifahrten von Frauen zwischen 22:00 und 6:00 Uhr kann man als geeignete Maßnahme sehen, um das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken. Man muss das aber nicht so sehen, sondern kann es auch ganz anders sehen.
Warum nur Frauen?
Ich habe seit Montag jede Frau, mit der ich Kontakt hatte, danach gefragt, was sie davon halten. Einige finden so ein Angebot gut, die allermeisten aber nicht. Die häufigste Aussage war eine Frage: “Warum nur für Frauen?” Ergänzt mit: “Da wird ständig und überall über Gleichberechtigung geredet und gestritten und dann bringt die Politik uns wieder in eine Sonderfallstellung. Geht gar nicht.”
Andere meinten, sie könnten ihr Taxi ohne Vergünstigung bezahlen und sagten: “Ich brauche das nicht, aber es gibt sicher Leute, die auf den Euro gucken müssen, beispielsweise jüngere Leute, also auch junge Männer. Und wieder andere, hier ausnahmslos Frauen unter 25 Jahren, sagten: Ich habe keine Angst und lasse mir auch keine machen.”
Wenn man sich dann noch journalistisch kundig macht und sich mit der Kriminalitätsstatistik beschäftigt, hat man es mit Fakten zu tun: Mit großem Abstand werden am häufigsten junge Männer Opfer von Straßenkriminalität – weil diese am wenigsten Angst vor Kriminalität haben und sich auch zu nächtlichen Zeiten allein dort bewegen, wo man sich vielleicht nicht allein bewegen sollte und auch zu zweit eher zum Opfer wird.
Interessantes Eingeständnis
Interessant ist, das Grüne und SPD den Antrag gestellt haben. Das kann man auch als Eingeständnis werten, dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl sehr verschlechtert hat. Die SPD bezieht sich sogar explizit auf die jüngste Sicherheitsumfrage. Sie schreibt im Antrag allerdings, das “subjektive Sicherheitsgefühl werden positiv beeinflusst”. Das ist eine Umformulierung von “das subjektive Sicherheitsgefühl ist zunehmend negativ beeinflusst”.
Die Einrichtung eines Frauennachttaxis wird auch die Ausgaben negativer beeinflussen als beantragt – denn die ab 2019 nur 25.000 Euro werden überhaupt nicht reichen, schaut man nach Heidelberg auf die Zuschüsse der vergangenen fünf Jahre:
2013: Zuschuss der Stadt rd. 20.800 (Rest Eigenanteil / Zuschuss Taxizentrale)
2014: Zuschuss der Stadt rd. 17.400 (Rest Eigenanteil / Zuschuss Taxizentrale)
2015: Zuschuss der Stadt rd. 28.000 (Rest Eigenanteil / Zuschuss Taxizentrale)
2016: Zuschuss der Stadt rd. 53.000 (Rest Eigenanteil / Zuschuss Taxizentrale)
2017: es gibt noch keine Endabrechnung (Rest Eigenanteil / Zuschuss Taxizentrale)
Die Stadt Heidelberg hatte immer ausreichend Mittel veranschlagt, weswegen ein “Ausgehen” der vergünstigten Fahrscheine zum Einheitstarif nicht zu befürchten war. 2015 gab es eine Änderung. Bis dahin hatte der Gemeinderat eine Splittung von 6 Euro für Menschen mit Heidelbergpass und 9 Euro Normalpreis veranschlagt, seitdem kostet eine Fahrt einheitlich 7 Euro im Stadtgebiet.
Für 2017 gibt es noch keine Endabrechnung, klar ist aber, dass es wieder eine deutliche Steigerung geben wird, schaut man auf die Zahlen der Fahrten in Heidelberg.
2013 – 3.850
2014 – 3.227
2015 – 3.908
2016 – 6.087
2017 – es liegt noch keine Endabrechnung vor (es sind 8.950 Fahrscheine gekauft worden, was aber nicht heißt, dass die auch alle genutzt wurden bzw. werden.)
Kosten bis 300.000 Euro für Mannheim?
Nicht alle Taxen in Heidelberg habe sich dem Tarif angeschlossen. Die Stadt Heidelberg weist ausdrücklich darauf hin:
Bitte wägen Sie zunächst ab, ob Sie vielleicht auch auf andere Weise sicher nach Hause kommen oder sich mit anderen Frauen ein Taxi teilen können. So tragen Sie dazu bei, die Kosten zu reduzieren und den Fortbestand dieses wichtigen Projekts langfristig zu sichern.
Schaut man sich die Fahrten 2016 unter der Annahme an, dass diese Fahrten überwiegend von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag stattgefunden haben (wegen Ausgehen in der Stadt), sind das 104 Nächte im Jahr. Bis vier Frauen können in einer Fahrtrichtung ein Ticket nutzen. Gehen wir von ein bis zwei Frauen aus, also eineinhalb Frauen (statistisch gesehen natürlich) und davon, dass nicht an jedem Wochenende ausgegangen wird, sondern nur an zwei Wochenenden im Monat und auch nicht in jedem Monat, sondern nur in acht Monaten (Urlaub, krank, Winterzeit, zu wenig Geld) und auch nur ein Mal am Wochenende, (8x2x1,5), kommt man auf rund 250 Nutzerinnen, sofern es immer dieselben Frauen sind, die das Ticket nutzen.
Sollten die Frauen abgewägt und andere Wege für eine sichere Heimkehr gefunden haben, sind es mehr, also 500 oder 750 oder 1.000 Frauen, die das Frauennachttaxis (das in Heidelberg Frauen-Nachttaxi) heißt, genutzt haben. Pro Frau hätte Heidelberg das “subjektive Sicherheitsgefühl” also mit rund 50 Euro im Jahr 2016 bezuschusst, wenn es 1.000 Frauen gewesen sein sollten.
Vergleicht man die Zuschüsse 2013 zu 2016 stieg der Zuschussanteil der Stadt von 5,40 Euro auf 8,70 Euro. Multipliziert man angenommene 9 Euro mit den verkauften Fahrscheinen, wird der städtische Zuschuss 2017 80.550 Euro betragen.
Heidelberg hat nur rund die Hälfte der Einwohner von Mannheim und in Mannheim ist das subjektive Sicherheitsgefühl deutlich strapazierter als in Heidelberg. Pi mal Daumen sollte man also voraussichtlich 160.000-200.000 Euro jährliche Kosten für den städtischen Haushalt in Mannheim veranschlagen. Und Mannheim hat nicht nur mehr Einwohner, sondern auch deutlich mehr Fläche, also längere Fahrten, die die Taxiunternehmen abrechnen – ein Aufschlag von nochmals 25-50 Prozent ist also wahrscheinlich. Damit ist man dann bei 250.000-300.000 Euro. Jahr für Jahr.
Man stelle sich vor, Grüne und SPD hätten das “so” nicht gewollt und würden nach einem Monat “Bätschi” sagen: “Geld alle”. Das wäre politisch nicht “vermittelbar”. 2018 kostet das Frauennachttaxi 15.000 Euro ohne jeden Transport – für die Konzeption.
Die kommenden Kosten haben eine Dimension, die die Frage aufwerfen, was man mit so viel Geld machen kann, um objektiv die Sicherheit im öffentlichen Raum und im öffentlichen Personennahverkehr zu erhöhen und vielleicht sehr dringend, was denn die tatsächlichen Gründe sind, warum sich das “subjektive Sicherheitsgefühl” so enorm verschlechtert hat und möglicherweise noch weiter verschlechtern wird?
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