Mannheim, 14. Juni 2016. (red/ms) 15 Jahre sind die Tore von Franklin für die Öffentlichkeit verschlossen geblieben – seit dem vergangenen Samstag ist ein Teil des Areals wieder frei zugänglich. Die größte Baustelle Mannheims füllt sich mit Leben. Die etwa 14 Hektar große Fläche „Franklin Field“ kann nun jederzeit besucht werden.
Von Minh Schredle
Fast 50 Jahre lang waren die US-amerikanischen Militär-Kasernen im Mannheimer Norden öffentlich zugänglich. Dann, nach den Anschlägen vom 11. September 2001, wurde das Benjamin Franklin Village abgeriegelt. Fast 15 Jahre lang wurde der Zugang nur in seltenen Ausnahmefällen gewährt. Seit vergangenem Samstag ist ein Teil des Areals wieder frei begehbar: Das Franklin Field.
Mit einer Gesamtfläche von 144 Hektar ist das Benjamin Franklin nicht nur beinahe so groß wie die Mannheimer Innenstadt – sondern auch die größte Wohnsiedlung, die amerikanische Streitkräfte je in Deutschland errichtet haben. In Spitzenzeiten haben hier nach Angaben der Stadt Mannheim gut 8.000 Menschen gelebt.
Erhalten und Verändern
Die Siedlung war mehr als eine Aneinanderreihung von Kasernen – sie ist ein Stadtteil mit eigener Infrastruktur und Wohlfahrt gewesen: Neben Schulen, Kindergärten und Spielplätzen, Supermärkten, einer Kirche und einem Kino spielte auch der Sport eine große Rolle: Dieser fand geballt auf dem Franklin Field statt – das mit etwa 14 Hektar einen beachtlichen Anteil der Gesamtfläche einnimmt.
Erst 2014 wurden die letzten Gebäude durch die US-Amerikaner geräumt – trotz dieser vermeintlich kurzen Zeitspanne können Wohngebäude und Infrastruktur nicht ohne Weiteres wieder genutzt werden. Dr. Konrad Hummel, Konversionsbeauftragter der Stadt Mannheim, erläutert dazu:
Oft wird unterschätzt, wie schnell der Verfall voranschreitet, wenn Gebäude und Infrastruktur nicht mehr genutzt werden . Nach etwa einem Jahr sind beispielsweise die Wasserleitungen auf dem Gelände vollständig verkeimt.
Dr. Hummel ist außerdem Geschäftsführer der städtischen MWSP, die mit dem Planungsprozess für die Entwicklung von Franklin beauftragt ist. Der Druck ist gewaltig – denn es geht um nicht weniger als das wichtigste Stadtentwicklungsprojekt Mannheims für die kommenden Jahrzehnte. Das Investitionsvolumen bewegt sich im Milliardenbereich.
„Wir wollen gleichzeitig erhalten und verändern,“ sagt Dr. Konrad Hummel. Ziel sei es, dass der originale, amerikanische Charakter der Siedlung an vielen Stellen ersichtlich bleibe – gleichzeitig wolle man Motive „verfremden“ und anpassen.
Ein Beispiel für dieses Konzept ist die ehemalige Elementary School neben der denkmalgeschützten Sportsarena: Hier habe man eine „Entkernung“ vorgenommen. Das heißt in diesem Fall: Das Erscheinungsbild des Baus bleibt nach außen hin weitgehend unverändert – im Inneren wurde er dagegen von einigen Trennwänden befreit, um den Raum „mit Licht zu fluten“.
Für gewöhnlich wächst eine Stadt mit der Zeit und entwickelt sich ständig weiter – es ist ein dynamischer Prozess, in dem es immer wieder zu Umwälzungen kommt: Üblicherweise ist das Budget einer Kommune stark begrenzt und bei jeder Stadtplanung müssen Kompromisse eingegangen werden. Wenn der Stadtkasse Geld für Investitionen zu Verfügung steht, wird gegebenenfalls abgerissen und nachgebessert.
Stadtteil nach Maß
Auf Franklin ist die Lage völlig verschieden – denn das Ziel ist ein moderner Stadtteil nach Maß, der in nur wenigen Jahren verwirklich werden soll. Angestrebt sind weitläufige, parkähnliche Grünflächen, klimafreundliche Mobilität und eine bunt gemischte Bevölkerung: Wohnen für jung und alt, arm und reich, zur Miete und zum Eigentumserwerb.
Die Herausforderung ist riesig: Bei der Planung muss eine Unmenge an Details berücksichtigt werden. Das Konzept soll haargenau ineinandergreifen. Wenn dabei Fehler gemacht werden, wird das nicht nur richtig teuer – Korrekturen im Nachhinein werden sich auch als außergewöhnlich aufwändig gestalten.
Wichtig ist vor allem eine durchmischte Bevölkerungsstruktur. Es müssen attraktive Angebote für alle Altersklassen vorhanden sein,
sagt Dr. Konrad Hummel. In vielen Planstädten drohe beispielsweise eine Überalterung der Bevölkerung, etwa weil zu wenige junge Familien nachziehen. Demnach müsse von Anfang an genau abgestimmt werden, welche Interessen man berücksichtigen will und muss.
Stadtentwicklung erleben
Daher lege man von Beginn an viel wert darauf, die Stadtgesellschaft in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen:
Wir wollen eine lebendige Baustelle.
Die Mannheimerinnen und Mannheimer sollen nicht abrupt vor einen vollendeten Stadtteil gestellt werden – sondern mitverfolgen können, wie sich die Architektur wandelt. Dabei dürften einige Gebäude laut Dr. Hummel „gerne noch etwas brach aussehen“:
Man soll die Veränderung erleben können.
So haben etwa die US-amerikanischen Wohngebäude auf Franklin derzeit allesamt die gleiche Höhe. Hier soll durch Neubauten variiert werden. Bestandsgebäude werden zum Teil erhalten und modernisiert – auch hierbei gilt das Konzept „erhalten und verändern“.
Die Baustellen selbst dürfen aus versicherungstechnischen Gründen nicht ohne Aufsicht betreten werden – das Sportareal „Franklin Field“ hingegen schon. Seit vergangenem Samstag kann jeder Interessierte sich selbst ein Bild vor Ort machen. Der „verbotene Bereich“ ist durch einen Bauzaun abgetrennt.
Zur Eröffnung wurden einige Baustellenführungen angeboten. Das Publikum war bunt durchmischt. Auffällig dabei: Viele Familien hatten ihre Kinder dabei. Außerdem gab es live-Musik und einige gastronomische Angebote – das wird allerdings vorläufig die Ausnahme bleiben. Abseits von Veranstaltungen müssen sich Gäste vorerst selbst um ihre Verpflegung kümmern.