
Suzan (Belçim Bilgin) und Muzzaffer (Kivanç Tatlitug) kommen sich näher. Foto: Türkfilmfestivali Mannheim
Mannheim/Heidelberg, 14. Oktober 2013. (red/ld) Sind die noch ganz dicht? Nein. Sie sind Dichter. Sie sind Träumer. Der Eröffnungsfilm des 22. Türkfilmfestivali “Kelebegin Rüyasi/Der Traum des Schmetterlings” von Yilmaz Erdogan kommt als selbstverliebtes Drama daher – es hat neben einem alten Plot nur schöne Bilder zu bieten.
Von Lydia Dartsch
Rational betrachtet, kann das einfach nicht gut gehen: Europa im Jahr 1941 – es tobt der zweite Weltkrieg. Die türkischen Männer zwischen 15 und 65 Jahren wurden zur Zwangsarbeit im Bergwerk verpflichtet und werden regelmäßig an Ketten – wie Hunde – durch eine Kleinstadt am Schwarzen Meer getrieben, in der die Protagonisten Rüstü und Muzzaffer leben. Der Alltag der Zwangsarbeiter ist hart und grau.
Muzzaffer (Kivanç Tatlitug) und Rüstü (Mert Firat) wollen als Schriftsteller und Dichter berühmt werden. Sehnsüchtig warten sie auf die Postboote, die ihnen die Literaturzeitschrift bringt, bei der sie regelmäßig ihre Gedichte einreichen. In einem gemeinsamen Wettstreit, wessen Gedicht es schafft, verwetten sie ihre imaginären Reichtümer:
Wenn sie Deins gedruckt haben, bekommst Du meine goldene Taschenuhr.
Eines Tages kommt die schöne Suzan (Belçim Bilgin) mit dem Schiff in die Stadt. Die Betteldichter verlieben sich auf den ersten Blick in die Tochter reicher Eltern und treten in einen neuen Wettstreit: Wessen Gedicht ihr am besten gefällt, darf sie heiraten.
Die unerfüllte und unerfüllbare Liebe dreier Menschen, die die Realität partout nicht annehmen wollen, ist der Plot dieses von Anfang an lyrischen Films. Die Realität ist die harte Trennung der sozialen Klassen und deren unterschiedlicher Aussichten im Leben: Die einen reich und gesund. Die anderen bettelarm und todkrank. Sie kommen nicht zusammen. Sie können nicht. Sie dürfen nicht. Soweit die Poesie der Geschichte.

Foto: Türkfilmfestivali Mannheim
Die Anfangszene zeigt in weichgezeichneten grauen Bildern graue Männer in Einheitskleidung und in Ketten, die unter Tage Kohle fördern. Ihre Gesichter sind schwarz. Ihre Lungen auch. Die Männer im Hintergrund sind sauber. Sie stecken in Anzügen und besprechen die Förderpläne des Bergwerks. Einer davon ist Suzans Vater.
Erst als die Kamera auf Rüstü schwenkt, wird das Bild weichgezeichnet bunt und hell – strahlend wie Rüstüs Lächeln. Er und sein Freund passen nicht in die Welt. Sie gehören weder zu den Bergmännern, noch zur Oberschicht. Sie wollen nicht dazugehören. Sie wollen träumen und glücklich werden. Sie sind bei all dem Elend um sich herum schmerzvoll optimistisch.
Ermüdender Plot, malerische Bilder
Worin ihr Glück überhaupt liegt, wissen sie nicht: Gesundheit? Sie brechen aus dem Sanatorium aus, in dem sie von der Tuberkulose genesen sollen. Suzan? Rüstü verliebt sich in eine Mitpatientin im Sanatorium und heiratet sie. Dichten? Das sei ihre Ausrede für den Schmerz ihres Lebens, sagen sie.
Wie Schmetterlinge flattern die beiden Männer vom einen Ziel zum nächsten. Der Film flattert mit – spielt mal in der Heimatstadt der Protagonisten, mal in Istanbul, auf einem Schiff, im Bergwerk, im Sanatorium. Dabei besticht die hollywoodeske Bildästhetik wie aus “Titanic”. Das zur Poesie der Bilder.
Denn die Figuren und Sets wirken bei aller Härte des historischen Hintergrunds wie aus dem Bilderbuch. Dafür sprechen auch die vielen Kostümwechsel der Hauptdarstellerin Belçim Bilgin, die mal schneewittchenhaft in Kleidern, mal im Tennis-Dress und mal mit schwarzem Gesicht in Bergmannskluft zu sehen ist. Mehr als diese Bilder hat der Film auch nicht zu bieten. Beim Abspann ist man froh und erinnert sich nur daran – an diesen schmetterlingshaften Filmtraum.