Mannheim, 14. November 2012. (red/ld) Der indonesische Film „Khalifah“ zählt zu den internationalen Entdeckungen des Filmfestivals Mannheim-Heidelberg. Er handelt von der Geschichte einer Frau, die sich zum Unverständnis ihres muslimischen Umfelds hinter dem schwarzen Vollschleier versteckt. Sie erlebt Zuspruch von anderen Frauen, aber auch offene Anfeindungen bis hin zu Terrorismusvorwürfen. Neue Perspektiven auf die Verschleierungsdebatte liefert diese Idee zu einem Film. Doch zu kurz kommen erzählerische Zusammenhänge oder der innere Konflikt der Protagonistin über ihren Schleier. Inwieweit die junge Frau der Bedeutung ihres Namens, Anführer, gerecht wird, muss der Zuschauer selbst herausfinden. Der Film liefert ihm dazu leider keine Anhaltspunkte.
Von Lydia Dartsch
Khalifah ist eine junge Frau, Mitte 20 in Jakarta. Seit sie die Highschool abgeschlossen hat, lebt sie mit ihrem Vater und Bruder. Das Haus, in dem sie leben, mussten sie verkaufen, um die Krankenhausrechnungen der Mutter zu bezahlen. Doch das Geld, das der Vater der jungen Indonesierin als Koranlehrer und Muezzin verdient, reicht nicht aus, um die Miete und das Schulgeld für ihren Bruder zu bezahlen. Khalifahs Job im Friseursalon ihrer Tante verbessert die Situation kaum. Also willigt die jungen Frau einer arrangierten Heirat mit einem jungen Geschäftsmann ein, der in Saudi-Arabien mit Waren handelt und kaum zu Hause ist.
Anführerin Verschleiert
Für die moderne junge Frau ändert sich erstmal nichts: Wortlos und schüchtern hängen die beiden frisch Verheirateten Wandteppiche in ihrer neuen Wohnung auf. Auf der Straße trägt Khalifah knielange Röcke und kurzärmelige Tops. Ihr langes schwarzes Haar trägt sie stolz offen oder zusammen gebunden. Wortlos schlägt ihr Mann ihr eines Morgens vor, ein Kopftuch – den Hijab – zu tragen. Ihre Freunde und Verwandten freuen sich und machen ihr Komplimente. Doch bald schon bittet ihr Mann sie, den schwarzen Vollschleier zu tragen. Schweren Herzens verschwindet sie hinter dem schwarzen Gewand, das ihr nur einen breiten Sehschlitz übrig lässt: Kinder erschrecken sich vor ihr und fangen an, zu weinen. Passanten belächeln sie peinlich berührt oder beschimpfen sie als Terroristin und Mörderin. Die Anfeindungen gipfeln in einer Befragung durch die Polizei, ob sie zu Al Quaida gehöre.
Erst als ihr Mann, wohl bei einer Razzia gegen Terroristen, getötet wird und sie hinter sein Doppelleben kommt, nimmt sie den Schleier ab. Als mache sie sich die Bedeutung ihres Namens bewusst, steht sie am Schluss vor dem Spiegel und verkündet dem Zuschauer: „Mein Name ist Khalifah – Anführerin.“
Innerer Konflikt hinter Schleiern
Doch Nurman Hakim zeigt in seinem Film die verschiedenen Seiten der Verschleierung: Die Würfelspieler, an denen sie auf ihrem Heimweg vorbei muss, lassen sie mit dem Schleier in Ruhe. Khalifahs Tante bekommt sogar mehr verschleierte Kundinnen, als sie ihren Salon nur für Frauen öffnet, und eine ihrer Kundinnen bestärkt sie sogar darin, den Schleier zu tragen. Sie ermahnt Kahlifah aber auch, ihn nur anzulegen, wenn sie es wirklich wolle.
Wirklich tragen will Khalifah den schwarzen Schleier nicht. Das sagt sie aber nie: Nicht ihrer Familie, nicht ihrer besten Freundin, die als Kontrastfigur angelegt ist. Selbst ihrem Vater vertraut sie sich nicht an. „Eines Tages wirst Du mich verstehen“, sagt sie nur und hüllt sich in Schweigen. Auch dem Zuschauer enthält sie ihren inneren Konflikt vor.
Idee zu einem Film
Überhaupt fallen die wenigen Dialoge in dem Film auf. Dadurch bleibt die meiste Arbeit der Erzählung beim Betrachter: Will Khalifah den Schleier tragen? Warum vertraut sie sich nicht wenigstens ihrer besten Freundin an? Hat ihr Mann sich ihren zweiten Schleier ausgeliehen, um damit einen terroristischen Anschlag zu verüben? Ist er derjenige, der von Sicherheitskräften bei einer Terrorrazzia im schwarzen Schleier erschossen wird, wie sie aus dem Fernseher erfährt?
Wo Sprache fehlt, erzählen Bilder die Geschichte. Aber das ist leider zu wenig der Fall. So bleibt auch die Abschlussszene unverständlich. Kalifah ist eine Anführerin – wofür? Für wen? Wollte man einen Film drehen über die verschiedenen Aspekte der Vollverschleierung von Frauen, wartet „Khalifah“ mit Ideen auf, setzt diese aber nicht wirklich um.