Ilvesheim/Rhein-Neckar, 13. August 2013. (red/ch) Tierwirt Nikolaos Xanthopoulos züchtet im Ilvesheimer Naturschutzgebiet seit vielen Jahren besondere Schafe und Rinder. Zu seinen Tieren pflegt er ein inniges Verhältnis. Denn Xanthopoulos ist „in der Natur zuhause“. Seine Schaf- und seine Rinderherde sind so etwas wie eine zweite Familie.
Von Christopher Horn
Naomi, Omar, Wupi und Dinis chillen in der Sonne. Der Bauch ist voll, das Lüftchen lau, das Leben schön. Es ist kurz vor zehn Uhr in der Früh. Die Sonne strahlt. Nikolaos Xanthopoulos (42) hat schon früh seine Wohnung verlassen und ist in seinem zweiten Zuhause angekommen – das Naturschutzgebiet in Ilvesheim. Hier ist er jeden Tag. Hier fühlt er sich wohl. Vor einigen Jahren hat ihm die Gemeinde Ilvesheim das Gebiet zur Pflege übertragen. Auf dem fast sieben Hektar großen Gelände hält der gelernte Tierpfleger und Tierwirt insgesamt 36 Schafe und zwölf Rinder.
Omar ist der Bulle, ein zutraulicher Kerl mit gewaltigen Hörnern. Mir wird ein wenig mulmig, als der 850-Kilo-Koloss gemächlich auf mich zutrottet und neugierig an der Kamera schnüffelt. Er hat mich genau im Blick und ich ihn – von den Hörnern möchte keiner aufgespießt werden:
Nur die Ruhe, Omar ist der Chef hier und solange ihm das keiner streitig macht, ist alles in Ordnung.
„Xanthopoulos Kindergarten“
Von frischen Kälbern sollte man sich allerdings verhalten – da können die Beschützerinstikte zu Problemen führen. Seine Damen haben zur Zeit Jungtiere, die schon einige Monate alt sind. Also darf ich mich entspannen.
Die Kälber und Lämmer nennt Xanthopoulos liebevoll „meinen Kindergarten“. In der Tat behandelt der vierfache Familienvater seine Tiere wie sein eigen Fleisch und Blut. Mit gewöhnlichen Schafen und Kühen gibt er sich dabei aber nicht zufrieden. Neben den schottischen Hochlandrindern zählt er Walliser Schwarznasen und ostfriesischen Milchschafen zu seiner Herde. Im Seckenheimer Stall hält er dazu noch einige Ziegen.
Die Rindviecher sind lustig anzuschauen. Zottelig, Meist braun. Manchmal schwarz und selten auch weiß. Die Kühe haben keine großen Euter wie die hochgezüchteten Milchkühe. Die alte Rasse ist besonders widerstandsfähig und kann bei fast jeder Witterung im Freien bleiben. Und Xanthopoulos sieht ein bisschen aus wie ein Cowboy in Jeans, Weste und mit Hut:
Mir machen Hitze und Kälte nicht besonders viel aus.
Das gilt für die Walliser Schwarznasen nur bedingt. Ab minus 5 Grad Celsius bekommen sie kalte Hufe und Xanthopoulos bringt die Schafe in die Stallungen im nahegelegenen Seckenheim. Doch im Moment ist ja zum Glück Sommer und es herrschen ideale Bedingungen. Nikolaos Xanthopoulos ruft nach seinen Schafen, was die aktuell wenig interessiert. Die Tiere liegen an ihrer Lieblingsstelle unter einem großes, schattenspendenden Baum und käuen wieder:
Sie haben den ganzen Vormittag über gefressen und sind daher jetzt etwas träge.
Mit der Viehzucht groß geworden
Mit dem Verhalten der Schafe und Rinder kennt sich Nikolaos Xanthopoulos aus wie wenig andere hier in der Gegend. Von Kindesbeinen an ist er mit diesem Metier vertraut. Schon sein Großvater pflegte in Griechenland die Tradition der Schaf-und Rinderzucht. In Deutschland geboren, hat er als Kind die Ferien in Griechenland in einem kleinen Örtchen nahe der albanischen Grenze verbracht, der früheren Heimat seiner Eltern. Bereits mit sechs Jahren beschließt er, es seinem Großvater gleich zu tun. Mit 20 Jahren beginnt er den Aufbau seiner Herde.
Das war 1991. Nikolaos Xanthopoulos hält seine Tiere zunächst in Seckenheim. Seit xx im Ilvesheimer Naturschutzgebiet Schwarznasenschafe und Hochlandrinder. „Die Gemeinde Ilvesheim suchte jemanden, der das Naturschutzgebiet bewirtschaftet und über eine guten Bekannten haben sie dann mit mir Kontakt aufgenommen. In wenigen Tagen war alles klar“, erinnert sich Xanthopoulos. Für ihn ging damit ein Traum in Erfüllung:
Die Natur ist mein zu Hause. Und das hier ist eines der landschaftlich schönsten Gebiete am Neckar.
Seine Leidenschaft ist auch sein Beruf: Er arbeitet als Tierpfleger im Mannheimer Herzogenriedpark. Doch bevor er dort seinen Dienst gegen 9 Uhr morgens beginnt, ist Herr Xanthopoulos schon lange auf den Beinen. Um kurz vor 7 Uhr in der Früh steht er auf den Wiesen im Ilvesheimer Naturschutzgebiet und schaut nach dem Rechten. Oft geht da gerade die Sonne auf und die letzten Nebelschwaden lichten sich.
Momentan kann er es langsamer angehen als sonst. Nikolaos Xanthopoulos hat gerade vier Wochen Urlaub. Während andere in dieser Zeit die Füße hochlegen oder in die Ferien fahren, verbringt er seinen Urlaub im Naturschutzgebiet. Nun hat er Zeit für Arbeiten, die liegen geblieben sind.
Von Naomi bis Omar
Jeden Tag bringt er den Schafen morgens frisches Wasser, das er aus einem Brunnen in der Nähe fördert. Rund sechs bis sieben Liter braucht jedes Schafe an einem so heißen Tag wie heute. Die rund 300 Liter Wasser bringt er mit seinem Pickup an die Weide.
Die Rinder sind da pflegeleichter. Sie können mit der Schnauze eine Pumpvorrichtung bedienen und so selbst an frisches Wasser aus der Quelle im Gebiet gelangen. Während die Tiere saufen, schaut Xanthopoulos, ob sie in guter Verfassung sind. Er kennt seine Pappenheimer und baut zu jedem Tier einen besonderen Bezug auf. Naomi, Omar, Wupi oder auch Dinis, jedes Tier hat einen Namen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, den sie begleiten ihn viele Jahre seines Lebens. Und er sie:
Die Schafe werden so zwölf, die Rinder können bis zu 28 Jahre alt werden.
Nur zu den Tieren, die zum Schlachten ausgewählt werden, versucht er keine so enge Beziehung aufzubauen. Einige Lämmer lässt er pro Jahr im Schlachthofschlachten -wie viele genau variert von Jahr zu Jahr und hängt auch davon ab wieviele männliche Tiere er in seiner Herde hat. Denn nur die Männer müssen dran glauben. Das Fleisch dient vor allem der Eigenversorgung wird aber auch verkauft.
Trotzdem behandle er alle Tiere gleich gut, macht Xanthopoulos deutlich. Stirbt eines seiner Tiere aus Alters- oder Krankheitsgründen, ist es für ihn immer wieder ein sehr trauriger Moment bei dem er „einige Tränen vergießt.“
Seine Tiere zahlen ihm dieses Fürsorge mit Zutraulichkeit zurück. Die Rinder lieben es, wenn er sie mit einem großen Kamm am Rücken krault. Ab und an gibt es als „Leckerli“ Äpfel. Die fressen sie ihm aus der Hand. Diese vertrauensvolle Nähe ist für Xanthopoulos die schönste Bestätigung für den großen Arbeitsaufwand. Wegen Geldes brauche man diesen Job nicht zu machen, sagt er: „Ich bin der Gemeinde Ilvesheim unglaublich dankbar, dass ich dieses Gebiet bewirtschaften kann.“
Er genießt die Abgeschiedenheit – doch alleine ist hier nie. Seine Border Collie Hündin Bonny begleitet ihn immer.
Er hat sie speziell für den Umgang mit den Schafen ausgebildet – sie ist sowas wie seine rechte Hand. Wenn ein Tier mal ausbüchst, ist auf Bonny Verlass. Der lebhafte Hund macht die Arbeit mit Freude. „Ohne sie wäre das alles nicht möglich“, betont der 42-jährige. Allerdings darf der Hund nur zu den Schafen – die Rinder würde er nervös machen und sich und sein Herrchen in Gefahr bringen. Dazu kommt: „Ein Tritt könnte für sie tödlich sein und selbst wenn nicht – dann wäre sie so eingeschüchtert, dass sie als Hütehund nicht mehr taugen würde.“
Bonny hat aber auch so schon nachgelassen. Sie ist jetzt neun Jahre alt und hört nicht mehr so gut wie früher. Aus dem letzten Wurf hat Nikolaos Xanthopoulos Bessy behalten. Sie wird er langsam an seine zukünftigen Aufgaben heranführen. die Ausbildung dauert etwa vier Jahre, dann ist ein Hütehund vier bis fünf Jahre im Einsatz. Irgendwann danach geht es in den Ruhestand.
Alles in allem ist die Tierhaltung im Naturschutzgebiet Ilvesheim fast ein Fulltime-Job. Wenn es darum geht die Schafe im März und September zu scheren oder die Rinder mit Ohrmarken auszustatten, unterstützen ihn seine Frau und Kinder tatkräftig. Die Wolle verschenkt er im Bekanntenkreis oder tauscht sie bei einem befreundeten Türken gegen Obst. Eine Art „natürlicher Kreislauf“.
Viele gehen verantwortlungslos mit der Natur um
Das Gelände ist ein Idyll – schön gelegen, ruhig, natürlich. Natur, Züchter, Tiere bilden eine harmonische Einheit. Nikolaos Xanthopoulos ist insgesamt ein sehr ruhiger, ausgeglichener und sehr freundlicher Mensch. Er redet bereitwillig über seine Arbeit und die Tiere. Schulklassen oder Kindergartenkindern zeigt er gelegentlich diesen schönen Flecken Erde und macht die Kinder mit den Schafen und Kühen vertraut.
Traurig machen ihn nur die Menschen, die dieses Stück pure Natur nicht so zu schätzen wissen wie er. Jeden Tag ist er einige Zeit damit beschäftigt, den Müll zu entfernen, den andere hier hinterlassen haben. „Viele grillen hier am Ufer des Neckars und lassen dann ihren Abfall einfach zurück, das macht mich manchmal sogar wütend.“ Auch heute sammelt er wieder Tüten, Dosen und anderes Zeugs auf, das andere achtlos wegwerfen.
Er hegt das Gelände – wie das jeder mit seinem Zuhause so macht, damit sich die Familie wohl fühlt. Wenn es irgendwo auf der Welt glückliche Kühe und zufriedene Schafe gibt, dann ganz sicher hier im Ilvesheimer Naturschutzgebiet unter der Obhut von Nikolaos Xanthopoulos. Er macht mir nach unserem Termin die Zufahrtsschranke auf, wünscht mir ein fröhliches Schreiben und sagt:
Ich hab hier noch ein bisschen was zu tun.