Weinheim, 13. November 2015. (red/ms) Schon zum dritten Mal in Folge wird die NPD ihren Bundesparteitag in Weinheim abhalten. Die ersten Male waren die Proteste und Gegendemos eher überschaubar. Dieses Mal will die Stadt ein starkes Zeichen setzen, dass die NPD in Weinheim nicht willkommen ist: Zeitgleich zum Bundesparteitag wird ein „buntes Kulturfestival“ stattfinden, dass das „wahre Weinheim“ zeigen soll. Mehrere tausend Teilnehmer werden erwartet. Die Initiatoren stellen unmissverständlich klar: Demokratischer Protest muss gewaltfrei ablaufen.
Von Minh Schredle
Das überregionale Image von Weinheim hat in den vergangenen Jahren Schäden davon tragen müssen: Wenn bundesweit Schlagzeilen gemacht wurden, hing das in aller Regel mit der NPD und ihren Bundesparteitagen zusammen, die hier seit 2013 abgehalten werden.
Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) hat versucht, die rechtsradikale Partei aus der Stadt fernzuhalten, indem er versuchte, Gerichte zu täuschen. Doch der Staatsgerichtshof überprüfte die Angaben des Oberbürgermeisters und gab der NPD Recht: Sie konnte 2014 ihren Parteitag in der Weinheimer Stadthalle abhalten und hat nun Urteil des Landesverfassunggerichts, das ihr weitere Veranstaltungen in der Stadthalle garantiert, solange sich an der Rechtslage nichts verändert.
Das Urteil des Staatsgerichtshofs wurde an einem Donnerstagnachmittag gefällt. Am kommenden Samstagmorgen begann der NPD-Parteitag. Durch die knappe Zeitspanne von nicht einmal zwei Tagen, konnten nur etwa 400 Gegendemonstranten mobilisiert werden, der Protest blieb eher überschaubar. Dass der NPD-Bundesparteitag auch 2015 in Weinheim stattfinden würde, steht bereits seit Monaten fest – diesmal hatte die Stadt also deutlich mehr Vorlauf, um sich vorzubereiten:
Und diese Zeit haben wir gut genutzt,
sagt Roland Kern, Pressesprecher der Stadt. Weinheim sei gut gewappnet, um der NPD entschlossen entgegen zu treten – friedlich und im Rahmen des Rechtsstaat. Herr Kern ist ebenfalls Sprecher im Bündnis „Weinheim bleibt bunt“. Für den 21. November ist ein „buntes Kulturfest“ geplant, das zeitgleich zum Parteitag stattfinden soll:
Wir hoffen, dass wir mit unserem Fest die mediale Aufmerksamkeit weg vom Parteitag und auf unsere bunte Stadtgesellschaft lenken können.
Mehr als zehn Stunden Programm sind an diesem Tag angedacht, laut Herrn Kern würden sich „alle wesentlichen Kulturschaffenden der Stadt“ beteiligen – ehrenamtlich, Gagen würden nicht gezahlt. Außerdem werde ab 10:00 Uhr eine politische Kundgebung stattfinden, bei der – mit Ausnahme der Weinheimer Liste – Vertreter aus allen Fraktionen im Gemeinderat zu Wort kommen sollen.
„Gewaltfrei und friedlich“
Weitere Sprecher von „Weinheim bleibt bunt“ sind unter anderem die Stadträte Stella Kirgiane-Efrimidis (SPD) und MdL Hans Ulrich Sckerl (Grüne). Beide behaupten:
Noch nie gab es in der jüngeren Geschichte Weinheims ein so breites Bündnis, das für ein gemeinsames Ziel eingetreten ist.
Jeder sei willkommen, sich anzuschließen, der bereit sei, gewaltfrei und friedlich ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und für Offenheit und Toleranz zu setzen. „Gewaltfrei und friedlich“ betonen sie dabei wiederholt und mit Nachdruck. Herr Sckerl sagt dazu:
Der Staatsgerichtshof hat entschieden, dass wir der NPD unsere Stadthalle zur Verfügung stellen müssen. Wir Grüne sind schon seit Gründung der Ansicht, dass die NPD verboten werden muss und hoffentlich geschieht das auch bald. Aber solange es sich um eine zugelassene Partei handelt, genießt sie – so bitter das sein mag – die gleichen Rechte wie alle anderen Parteien auch.
Natürlich dürfe man sich in aller Deutlichkeit gegen Fremdenhass, Menschenfeindlichkeit und Extremismus posititionieren – aber als aufrechter Demokrat habe man sich an die Regeln des Rechtsstaats zu halten.
Wie viele Tausend Gegendemonstranten werden „friedlich“ teilnehmen?
Wie viele Menschen am 21. November zusammenkommen werden, ist nach aktuellem Stand unklar. Laut Herrn Sckerl rechne man mit „deutlich über 1.000 Menschen“. Herr Kern geht von 2.000 bis 4.000 Personen aus, die am Kulturfest teilnehmen werden.
Darüber hinaus mobilisieren diverse linke und antifaschistische Organisationen seit Wochen und Monaten bundesweit zum Widerstand – dass deren Gesinnung ebenfalls friedlich ist, darf bezweifelt werden. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Wie viele Kräfte im Einsatz werden, ist unklar und wird sich nach den Anfordernissen der Lage richten.
Zu welchen Maßnahmen die Polizei genau greifen wird, um die Sicherheit der Beteiligten zu gewährleisten, ist ebenfalls noch unklar. Fest steht: Die B3 wird weiträumig abgesperrt, ein direkter Zugang zur Stadthalle wird demnach nicht möglich sein. Wer plant, am Kulturfest teilzunehmen, dem wird empfohlen, auf den öffentlichen Nahverkehr zu setzen.
Dilemma der Polizei
Darüber hinaus steckt die Polizei vor einem großen Dilemma: Sie ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die NPD ihren Bundesparteitag durchführen kann, zu dem sie als zugelassene Partei rechtlich verpflichtet ist. Wenn es zu Sitzblockaden kommt – und das ist so gut wie sicher – muss die Polizei durchsetzen, dass die NPD-Deligierten unversehrt in die Stadthalle gelangen. Andernfalls begeht sie einen Rechtsbruch und riskiert eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg.
Anzunehmen, dass die Gegendemonstranten ihre Blockaden freiwillig und ohne Widerstand nach ein paar netten Worten auflösen werden, ist allerdings naiv. Wie friedlich und gewaltfrei es am kommenden Wochenende werden wird, bleibt also abzuwarten. Wenn die Polizei durchgreifen muss, geschieht das nicht im Dienste der NPD, sondern des Rechtsstaats, der allen die gleichen Privilegien zusichert.
Zu diesem NPD-Bundesparteitag werden bundesweit die Medien berichten – die Frage wird sein, ob das Image der „Zwei-Burgen-Stadt“ davon profitiert oder nicht.
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