Mannheim, 13. Januar 2015. (red/ld) Mein Beruf ist anspruchsvoll. Ich bin Journalistin: Ich recherchiere Informationen, bewerte ihre Glaubwürdigkeit und die Glaubwürdigkeit der Quellen, aus der sie stammen. Ich kommuniziere mit Menschen. Ich baue Vertrauen zu ihnen auf – zu Lesern wie zu Informanten. Ich achte ihre Rechte – auch wenn das manche bei kritischen Berichten anders sehen. Ich verwende Informationen, um Sachverhalte verständlich zu erklären. Und dabei lerne ich jeden Tag etwas Neues.
Von Lydia Dartsch

Redakteurin Lydia Dartsch: Journalist ist ein Vertrauens- und ein Lernberuf.
Als ich vor zehn Jahren anfing, als Journalistin zu arbeiten, schrieb ich zunächst Artikel für die Zeitung. Später produzierte ich Radiobeiträge und sogar kleine Fernsehbeiträge. Zwar unterschieden sich dabei die Präsentationsformen. Aber mein Anspruch war immer derselbe: Interessante Geschichten erzählen, Sachverhalte erklären und seien sie noch so komplex. Das ändert sich auch nicht im Medium Internet. Was sich ändert, sind die Erzählformen und die technischen Möglichkeiten. Am Ende des Tages ist die Arbeit die gleiche.
Journalist/in kann eigentlich jeder sein. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt. Denn ein Schutz würde in die Pressefreiheit eingreifen, die durch Artikel 5 Grundgesetz gewährleistet ist. Nach den Aufnahmerichtlinien des Deutschen Journalistenverbands (DJV) Fallen Menschen unter diese Berufsbezeichnung, die “für Printmedien, Rundfunk, digitale Medien, Nachrichtenagenturen, in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder im Bildjournalismus tätig” sind und “an der Erarbeitung beziehungsweise Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombination dieser Darstellungsmittel beteiligt ist.”
Man braucht Vertrauen von Lesern und Kontakten
Um Journalist zu sein, muss sich die Informations- und Meinungsverbreitung sowie die Unterhaltung auf Recherchen basieren, definiert es der DJV. Dazu zählt nicht einfach Informationen finden, sondern diese auch auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu prüfen. Im Internetzeitalter wird dies immer schwieriger – auch bei der Suche nach offiziellen Dokumenten: “Es sind so viele Fälschungen unterwegs”, sagte kürzlich ein Kollege bei einem Seminar. Man muss also nicht nur wissen, welche Suchbegriffe man bei Google eingeben muss. Man braucht vertrauenswürdige Quellen – ob als Website oder persönlicher Ansprechpartner. Man braucht Kontakte zu Menschen und man braucht Vertrauen.

Fotos von Demonstrationen stehen im Spannungsverhältnis zwischen Dokumentation und Persönlichkeitsrecht der Demonstrierenden. Foto: Archiv
Denn Journalismus ist ein Beruf, der auf Vertrauen basiert: Meine Leser erwarten von mir zutreffende Informationen, eine transparente Darstellung meiner Quellen und begründete subjektive Einordnungen. Meine Informanten erwarten von mir, dass ich verantwortungsvoll mit ihren Informationen umgehe und sie richtig zitiere. Und sie erwarten, dass ich sie als Quelle schütze, wenn sie negative Folgen für sich befürchten. Außerdem müssen Mitmenschen darauf vertrauen können, dass ich ihre Persönlichkeitsrechte achte, wie das Recht am eigenen Bild und das Recht am eigenen Wort. Dazu gebe ich mich als Journalist zu erkennen, wenn ich recherchiere. Einwände wie “bitte zitieren Sie mich nicht” und “ich möchte anonym bleiben” akzeptiere ich in der Regel, wie wir alle in der Redaktion. Unsere ersten beiden Redaktionsregeln hier heißen: 1. Traue keinem und 2. Ohne Vertrauen ist alles nichts.
Das Handwerk der Recherche und der Schutz der Quellen
Den Berufsethos, wie ihn der Deutsche Presserat in seinem Pressekodex festgeschrieben hat und dieses Handwerkszeug lernt man entweder als Quereinsteiger im Berufsalltag oder klassischerweise in der journalistischen Ausbildung: Durch Praktika, freie Mitarbeit, Studium und im Volontariat, das etwa zwei Jahre dauert. Meine Ausbildung verlief fast genauso: Ich lernte, wie man Informationen beschafft und wie man sicher gehen kann, dass diese auch der Wahrheit entsprechen – sei es durch zweite Quellen oder Originaldokumente. Und ich lernte wie wichtig dies ist. Denn Fehlinformationen können sich negativ auswirken – für den, dem sie zugeschrieben werden, wie dem Medium, das sie veröffentlicht.

Verlorenes Vertrauen ist schwer wiederherzustellen.
Zum journalistischen Geschäft gehört die Aufmerksamkeit: Jede Redaktion möchte natürlich so viele Menschen wie möglich erreichen. Doch nicht jedes Mittel, das man dafür einsetzen kann, sollte man auch nutzen. Inbesondere beim Boulevard werden Informationen verkürzt oder unvollständig wiedergegeben. In manchen Fällen werden sogar Unwahrheiten verbreitet. Leser, Zuschauer, Hörer und Informanten werden erst ge- und dann enttäuscht. Das Schlimme daran ist, dass es nicht bei Abmahnungen und Gegendarstellungen an die verantwortlichen Redaktionen bleibt. Die Rezipienten können den Eindruck bekommen, dass Journalisten “Geschichten zu Skandalen” aufbauschen. Das Vertrauen in andere verantwortungsvoll arbeitende Journalisten ist dann auch dahin und schwer wiederherzustellen. Heute wurde “Lügenpresse” zum Unwort des Jahres gekürt – zu Recht, denn und Journalisten wird damit pauschal unterstellt, wir würden systematisch lügen.
Erzählen von gestern und Erzählen von heute
Sich das journalistische Handwerkszeug zu erarbeiten, erfordert eine gute Anleitung sowie viel Zeit und Erfahrung. Denn meine Leser und Informanten erwarten, dass ich mich auskenne: Mit dem Ablauf eines kommunalen Bebauungsplanverfahrens beispielsweise oder mit komplexen Zusammenhängen, für die andere Menschen ein mehrjähriges Studium absolvieren, um zum Spezialisten zu werden. Vor allem im Lokaljournalismus ist man angesichts der vielen verschiedenen Themen eher Allrounder als Spezialist. Im redaktionellen Alltag muss diese Expertise in wenigen Stunden erreicht sein. Und damit nicht genug: Die Leser sollen die Zusammenhänge und Vorgänge am Ende auch verstehen.

Wie läuft ein Bebauungsplanverfahren? Wofür andere studieren, müssen Journalisten oft in kurzer Zeit begreifen und erklären können. Foto: Archivbild/konstituierende Sitzung des Mannheimer Gemeinderats 2014.
Dazu lernt man in der Ausbildung und im Redaktionsalltag wie man die Informationen vermittelt: War dies vor rund 30 Jahren noch durch die Unterscheidung von Print-, Fernsehen und Radio stark voneinander abgegrenzt, so fließen die Darstellungsformen Bild, Ton, Film und Text im Internet ineinander: Bilder und Videos werden in Texte eingebunden. Tondokumente sind auf Webseiten abrufbar. Text ist veränderbar, wird verlinkt und führt zu mehr Informationen.
Und bei diesem bleibt es nicht. Immer wieder gibt es neue Erzählformen und Software, mit denen sich die Stories begreifbar machen lassen: Beispielsweise lassen sich mit dem Tool ThingLink Bilder mit interaktiven Inhalten aufwerten. Daten lassen sich mit Tools wie Datawrapper begreifbar machen. Mit Google-Maps lässt sich beispielsweise erklären, wie die kommunale Wasserversorgung vernetzt ist. Sogar Aktionen und Reaktionen von Nutzern sozialer Medien wie Facebook, Twitter und Instagram lassen sich mit Tools wie Storify in die Berichterstattung einbinden.
Lebenslanger Lernberuf

Soziale Medien wie Facebook bieten alles, was das Journalistenherz begehrt, aber auch Risiken.
Alle diese sozialen Netzwerke gab es zu Beginn meines Berufs noch nicht – ich muss wie andere auch den Umgang damit lernen. Sie werden für die journalistische Arbeit als “Sendestationen” wichtig, sie bieten neue Informationen, sie bieten Kontakte – also alles, was das Journalistenherz begehrt. Aber den richtigen Umgang zu lernen, alle möglichen Rechte zu beachten kostet ebenfalls wieder Zeit. Und: Man ist selbst mit einem Mal selbst viel stärker im Fokus – die Rückmeldungen reichen von Lob, über harte Kritik bis manchmal zur hasserfüllten Schmähung. Auch damit muss man umgehen lernen.
Die tägliche Herausforderung ist, keine Routine aufkommen zu lassen, immer neugierig zu sein, immer aufmerksam zu bleiben, Lust an den Themen zu erhalten, auch wenn man sie schon oft gemacht hat – und man braucht die Bereitschaft, immer wieder neue Dinge zu lernen. Nur eins bleibt gleich: Fragen stellen. Wer oder was war wann wo was wieso warum? – die W-Fragen können beliebig verlängert werden.