Rhein-Neckar, 13. Juni 2016. (red/pro) Unser Montagsgedanken greifen Themen der Zeit auf, die nicht an einen Termin gekoppelt sind. Wir probieren heute mal etwas Neues aus – nämlich das, was man „kuratierenden Journalismus“ nennt, wir geben Ihnen Lesetipps und fordern zur Debatte auf. Was sollen wir tun? Wenig Geld mit kritischem Journalismus verdienen oder ordentlich Kasse mit Content-Marketing machen?
Von Hardy Prothmann
Eine dramatische Liebesgeschichte in einem Kurzvideo, das 17,5 Millionen Mal angeklickt wird. Ein Technikportal zu mobiler Kommunikation, das scheinbar seriöse Produkttests anbietet. Eine Ratgeberseite für Gesundheit: Der Schwarzkopf-Clip, das Magazin eines Telefonanbieters Curved.de sowie das Webangebot gesundheit.de des Pharmahändlers Alliance Healthcare sind Beispiele für professionelles Content Marketing, das aussehen will wie Journalismus. Der Verbraucher soll aber nicht gleich merken, dass dahinter Unternehmen und nicht etwa unabhängige Medienhäuser stehen. Bei Curved.de muss man sich schon bis zum Impressum durchklicken, um den Anbieter zu finden: E-Plus – und die Agentur SinnerSchrader.
Das schreibt die geschätzte Kollegin Petra Sorge beim Magazin Cicero. Merken Sie sich den Namen. Also Petra Sorge. Ich kenne die Kollegin persönlich, leider haben wir bis auf unsere gemeinsame Mitgliedschaft bei der INA noch nie inhaltlich zusammen gearbeitet. Aber die Kollegin ist klug, hat Biss und macht eine sehr ordentliche Arbeit, auch, wenn ich manchmal mit ihren Texten nicht einverstanden bin und mit ihr im Chat oder am Telefon diskutiere. Oder gerade deswegen – ich schätze den Austausch sehr.
Sie hat ein Thema aufgegriffen, dass ich mir für die Montagsgedanken vorgenommen hatte – deswegen empfehle ich ihren Text und wünsche mir ein wenig Debatte mit Ihnen, den Leserinnen und Lesern. Und auch mit der Kollegin.
Sie wissen nicht Bescheid und wollen gerne mehr wissen?
Möglicherweise können Sie nicht debattieren, weil Sie nicht gut genug Bescheid wissen. Sie erwarten also, dass wir Ihnen vermitteln, um was es geht? Ja gerne. Dafür sind wir kritischen Journalisten da.
Ach so, bezahlen wollen Sie dafür nicht? Naja, die Leute, die Content-Marketing geil finden, bezahlen sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr gut. Kurzum – die bezahlen so viel, dass das locker unsere bisherigen Einnahmen aus Förder- und Spendengeldern toppt. Nur für eine Story. Klingt sehr verlockend, oder?
Bei der Otto-Brenner-Stiftung liest sich das so:
(Frankfurt/Main) Deutsche Großunternehmen produzieren im großen Stil eigene „journalistische“ Publikationen und versuchen, ihre Kunden und Konsumenten verstärkt besonders online direkt zu erreichen. Mit ihren medialen Produkten beeinflussen sie die öffentliche Meinung und gefährden den unabhängigen Journalismus. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS). Verfasst hat sie der Würzburger Kommunikationsforscher Prof. Dr. Lutz Frühbrodt.
Sie finden das interessant? Wir auch – denn wir folgen bei vielen Recherchen dem Prinzip: „Follow the money“, um herauszufinden, wer wem was gezahlt hat, damit irgendwas passiert, das jemandem gefällt, von Nutzen ist und so weiter.
Was, wenn wir auf die Idee kommen, selbst dem Money zu folgen? Ui, sagen Sie:
Skandal, das wäre doch verwerflich. Das wäre ja kein unabhängiger Journalismus mehr.
Richtig, sagen wir, das wäre ein Skandal und verwerflich. Aber eine verlockende Möglichkeit, die Miete zu bezahlen und die Honorare und insgesamt ein gutes Einkommen, das uns Informationsarbeitern zusteht. Dass es keine unabhängigen Journalisten mehr gibt, die darüber berichten würden? Come on, vielleicht gibt es ein paar ideologische Hungerleider – aber wer nimmt die Bitte-schön den ernst? Kritische Aufklärung? Haha.
Aber nein – dann weiß man ja gar nicht mehr, wem man trauen kann,
sagen Sie ganz verdattert.
Daraufhin könnten wir sagen:
Das hätten Sie sich mal vorher überlegen sollen, als Sie volle Leistung zum Nulltarif wollten.
Wir haben teilweise bis weit über 10.000 Leserinnen und Leser am Tag. Rund 250 haben uns in diesem Jahr bislang Geld für unsere Leistung, ob per Förderbeitrag oder Einzelspende, gegeben. Insgesamt können wir damit knapp zwei Monate die Honorare unserer Mitarbeiter bezahlen, die im Branchenvergleich ok sind, aber nicht fürstlich. Die anderen Kosten nicht.
Und wir haben sehr lukrative Anfragen für Content-Marketing. Da bekommt man wirklich große Augen. Wir versichern: Jede Werbung ist bei uns als Werbung gekennzeichnet. Schleichwerbung finden Sie bei uns nicht – im Gegensatz zu anderen Medien der Region.
Große Verlagshäuser haben wenig Skrupel und verdienen damit schon sattes Geld – warum sollen wir als Start-up das nicht auch tun? Weil wir so ehrlich und anständig sind? Was können wir uns davon kaufen? Was bezahlen?
Was würden Sie uns raten, dass wir tun sollen?
Ich freue mich auf Ihre Antworten.
Ihr
Schätzen Sie diese Art von Artikeln? Die Transparenz? Die Analyse? Die Haltung?
Dann machen Sie andere Menschen auf unser Angebot aufmerksam. Und unterstützen Sie uns als Mitglied im Förderkreis – Sie spenden für unabhängigen, informativen, hintergründigen Journalismus. Der kostet Geld und ist ohne Geld nicht leistbar. 2016 wird für uns existenziell ein entscheidendes Jahr. Wenn Sie künftig weitere Artikel von uns lesen wollen, dann honorieren Sie bitte unsere Arbeit. Hier geht es zum Förderkreis.“ Sie können auch per Paypal spenden. Wenn Sie eine Überweisung tätigen wollen, nutzen Sie das Förderkreis-Formular (erleichtert uns die Verwaltung). Dort können Sie einen Haken setzen, dass Sie nur überweisen wollen. Alle Spender erhalten eine Rechnung. Übrigens: Wir machen kein „Content-Marketing“, weil wir eine journalistische Redaktion sind.
Unsere Kolumne Montagsgedanken greift Themen außerhalb des Terminkalenders auf – ob Kultur oder Politik, Wirtschaft oder Bildung, Weltweites oder Regionales, Sport oder Verkehr. Kurz gesagt: Alle Themen, die bewegen, sind erwünscht. Teils kommen die Texte aus der Redaktion – aber auch sehr gerne von Ihnen. Wenn Sie einen Vorschlag für Montagsgedanken haben, schreiben Sie bitte an redaktion (at) rheinneckarblog.de, Betreff: Montagsgedanken und umreißen uns kurz, wozu Sie einen Text in der Reihe veröffentlichen möchten. Natürlich fragen wir auch Persönlichkeiten und Experten an, ob sie nicht mal was für uns schreiben würden….