Mannheim, 13. Oktober 2015. (red/ms) Die Bevölkerung vor Kriminalität und Verbrechen zu schützen, ist eine Aufgabe der Polizei – was macht eigentlich der Fachbereich „Sicherheit und Ordnung“ der Stadt Mannheim? Die Verwaltung hat heute einen Jahresbericht für 2014 vorgestellt. Erster Bürgermeister Christian Specht redete in diesem Zusammenhang auch über die Situation in der Neckarstadt West – diese bereitet der Stadtverwaltung zunehmend Sorge: Wie lässt sich vermeiden, dass eine Parallelgesellschaft entsteht.
Von Minh Schredle
Beim Thema Sicherheit und Ordnung geht es um sehr viel mehr als nur um Kontrollen und Bußgelder. Es geht in erster Linie um Lebensqualität und ein positives Zusammenleben.
Erster Bürgermeister und Kämmerer Christian Specht (CDU) ist nicht nur für die Finanzen der Stadt Mannheim zuständig, sondern auch Dezernent für den Fachbereich Sicherheit und Ordnung. Gemeinsam mit dem Fachbereichsleiter Klaus Eberle hat er am Montag auf einer Pressekonferenz den Jahresbericht für 2014 vorgestellt.
Das ist ein Novum: Noch nie zuvor hat der Fachbereich mit etwa 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Jahresbericht angefertigt. Wie von Seiten der Stadt zu hören ist, sei damit „der Grundstein für eine künftige jährliche Berichterstattung“ gelegt.
Insgesamt umfasst der Bericht 39 Seiten und fällt damit verhältnismäßig kompakt, aber im Gegenzug sehr übersichtlich aus. Er soll nicht nur dem Gemeinderat als Grundlage für Entscheidungen dienen, sondern auch der Bevölkerung Mannheims zeigen, welche Aufgaben die Stadt zu bewältigen hat – und was außerhalb ihrer Möglichkeiten liegt.
Umfangreiche Aufgaben
Der Fachbereich wolle – allgemein ausgedrückt – ein geordnetes Miteinander, Rücksicht auf Andere und ein sauberes sowie attraktives Stadtbild sorgen, sagt Bürgermeister Specht.
Konkret umfassen die Aufgaben unter anderem Tierschutz, Lebensmittelkontrollen und die Verkehrsüberwachung und noch vieles mehr.
An einige Aufgaben, die in unsere Zuständigkeit fallen, denkt man nicht unbedingt direkt. Das bedeutet aber nicht, dass sie keinen Aufwand verursachen.
Als Beispiel nennt Herr Specht die Überwachung und Sicherung von Baustellen. Kaum jemand habe eine Vorstellung davon, wie viele Details es hier zu beachten gebe.
Laut Herrn Eberle führe man als untere Behörde überwiegend Pflichtaufgaben durch, die durch Festsetzungen des Landes Baden-Württemberg vorgegeben wären.
Theoretisch müssten Bundesländer sämtliche Kosten für Aufgaben übernehmen, die Kommunen umsetzen müssen, wenn diese Aufgaben erst durch die Gesetzgebung des Bundeslands entstehen – in der Praxis werden allerdings selten wirklich alle 100 Prozent vollumfänglich erstattet.
Kommunen brauchen höhere Zuweisungen
Beispiel Lebensmittelkontrollen: Nach Angaben von Bürgermeister Specht werde vom Land festgelegt, wie viele Kontrollen pro Jahr durchgeführt werden müssen – die Mittel, um die Kontrollen durchzuführen, müsse die Stadt aber aus der eigenen Kasse finanzieren.
Nach Argumentation des Landes würden sich die Kommunen ohnehin um diese Kontrollen kümmern müssen – auch ohne dass eine feste Mindestzahl vom Land festgeschrieben wird. Es handle sich somit also nicht gar nicht um eine neu geschaffene Pflichtaufgabe und es müssten daher auch keine Kosten übernommen werden.
Allerdings entstehen durch die festgeschriebene Mindestzahl Verbindlichkeiten – die Kommunen sind in die Pflicht genommen. Und viele werden allmählich an den Rand der Handlungsunfähigkeit gedrängt.
Das liegt selbstverständlich nicht nur an Lebensmittelkontrollen, die sie durchzuführen haben – aber es ergibt sich aus der ständig zunehmenden Summe an Pflichtaufgaben, die für viele Städte und Gemeinde immer schwieriger zu finanzieren wird. Kaum eine Kommune im Umkreis kann ihrer mittelfristigen Finanzplanung sorglos entgegenblicken – Mannheim erst recht nicht.
Angespannte Haushaltslage
Spannend wird vor diesem Hintergrund, wie sich die Ausgaben der Stadt für freiwillige Ausgaben entwickeln werden – denn die Stadtverwaltung will den Haushalt bis 2019 um 55 Millionen Euro entlasten, indem man „strukturell spart“. Im Klartext heißt es: Es muss massive Streichungen geben.
In den Haushaltsberatungen könnte auch die Zukunft des Kommunalen Ordnungsdiensts (KOD) kontrovers diskutiert werden. Denn bei diesem handelt es sich um ein freiwilliges Angebot der Stadt – auch wenn viele Stadträte ihn als notwendig ansehen.
Der KOD verbessert in erster Linie das subjektive Sicherheitsempfinden: Er sorgt für Sauberkeit in den Straßen, ahndet Ordnungswidrigkeiten und verhängt Bußgelder. Er zeigt Präsenz in Uniform – aber er bekämpft keine Kriminalität oder Schwerverbrechen. Das ist und bleibt Hoheitsaufgabe der Polizei.
Maßvolle Personalaufstockung beim KOD denkbar
Die Haushaltslage ist angespannt und die Personalkosten der Stadt steigen kontinuierlich. Daher müsse man sich laut Bürgermeister Specht die Frage stellen, in wie weit weitere Stellen beim KOD zu verantworten wären:
Über eine maßvolle Aufstockung können wir gerne diskutieren.
Man könne es sich allerdings bei der aktuellen Haushaltslage sicher nicht leisten, in der ganzen Stadt dauerhafte Präsenz zu zeigen, sondern müsse sich entscheiden, wo Prioritäten gesetzt werden sollen – beispielsweise in der Neckarstadt West.
Bedenkliche Entwicklung
Der Stadtteil habe sich in der Vergangenheit nicht besonders positiv entwickelt, sagt Herr Specht sorgenvoll. Er verliert noch ein paar weitere Worte über Lage in der Neckarstadt-West – und die lassen tief blicken. Offenbar befürchtet die Stadtverwaltung, dass dort mittelfristig eine „Parallelgesellschaft“ entwickeln könnte. Und anscheinend ist man ziemlich ratlos, wie sich das vermeiden lässt:
Es gibt eine bedenkliche Fluktuation in der Neckarstadt: Immer mehr Anwohner ziehen weg und Zuzüge gibt es fast nur noch aus Südosteuropa.
Außerdem würden immer mehr Immobilien herunterkommen. Dadurch leide die Attraktivität des Standorts und potenzielle Investoren würden abgeschreckt. Herr Specht macht einen etwas gequälten Eindruck:
Die Möglichkeiten der Stadt sind hier sehr begrenzt.
Die Stadt habe bereits zwei „Problemimmobilien“ aufgekauft, um diese zu sanieren. Man könne es sich aber unmöglich leisten, alle sanierungsbedürftigen Gebäude auf Vordermann zu bringen.
Keine falschen Signale senden
Dies könne zudem ein falsches Signal aussenden, das Eigentümer womöglich ermutigen würde, Immobilien bewusst verkommen zu lassen, bis die Stadt das übernimmt:
Es kann aber nicht sein, dass wir im großen Stil Steuergelder verwenden, um Häuser teuer aufzukaufen und zu sanieren, die Privatinvestoren verkommen lassen haben.
Man sei daher auf die Bereitschaft der Eigentümer angewiesen, in ihr Eigentum zu investieren – diese Bereitschaft würde aber geringer werden, je heruntergekommener das Umfeld ist. Ein Teufelskreis. Herr Specht sagt dazu:
Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, wird langfristig keine Durchmischung der Bevölkerung mehr stattfinden. Dann kann der Stadtteil kippen – das wäre ein Desaster.
Es gebe bereits Förderprogramme für Hauseigentümer in der Neckarstadt. Die würde aber kaum jemand in Anspruch nehmen, sagt der Bürgermeister.
Daher wolle die Stadt weiterhin darauf setzen, gezielt Problemimmobilien herauszusuchen, diese aufzuwerten und dadurch gezielt Akzente zu setzen, die das Umfeld wieder attraktiver werden lassen.
Im Endeffekt sei die Stadt aber darauf angewiesen, dass Hauseigentümer ihren Verpflichtungen nachkämen und ihre Immobilien in Stand halten.