Mannheim, 13. März 2013. (red/ld) Der Protest von zwei Mannheimer Müttern in der gestrigen Gemeinderatssitzung war kurz – und knapp war die Antwort von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Die Mütter protestierten gegen einen Beschluss des Gemeinderats, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht als Ziel in den Bildungsbericht der Stadt aufzunehmen. Ihr Vorwurf: Die Stadt tue zu wenig für junge Familien mit Kindern. Ob der Protest angebracht ist, ist fraglich.
Von Lydia Dartsch
Wir haben hier eine Sitzungsordnung. Es ist nicht zulässig, Transparente hier aufzuhängen. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen,
sagte Dr. Peter Kurz mitten in der Debatte um die Erhöhung der Sondernutzungsgebühren auf öffentlichen Straßen. Zwei Mannheimer Mütter und ein Vater waren mit ihren Kleinkindern in den Ratssaal des Stadthauses gekommen und hatten auf der Empore Pappschilder aufgestellt.
Ihr Vorwurf: Die Stadt tue zu wenig für Kinderbetreuung und dafür, dass Eltern wieder Vollzeit arbeiten können:
Mein Arbeitgeber hat ganz schön die Augen verdreht, als ich ihm gesagt habe, wie lange ich arbeiten kann,
sagte Isabel Dehmelt, eine der protestierenden Eltern, gestern vor dem Ratssaal. Von den paar tausend, die sie mit einer Email an verschiedenen Verteiler mobilisieren wollte, waren nur drei ihrem Aufruf gefolgt.
Die Öffnungszeiten der Krippen sind ihrer Meinung nach zu kurz. Deswegen seien höchstens drei Stunden am Tag drin, auch bei Krippen mit verlängerten Betreuungszeiten. Viel zu wenig, sagt sie. Am liebsten hätte sie eine Ganztagesstätte für ihre eineinhalb Jahre alte Tochter Pippa. Doch die Wartelisten sind überfüllt und den Vorzug bekämen vor allem alleinerziehende Mütter wegen der Sozialpunkte.
Auch Manuela Langkath ist verzweifelt. Sie möchte ihre acht Monate alten Zwillinge mit einem Jahr in die Krippe geben und sucht dafür noch zwei Plätze – am liebsten in der gleichen Einrichtung:
Man muss echt Glück haben, damit die Kinder überhaupt in die gleiche Krippe gehen können.
sagte sie.
Sie mache sich im Stadtrat keine Freunde, sei Isabel Dehmelt auf der Empore erklärt worden. Die junge Frau zeigte sich ratlos, dass sie in der Sitzung nicht demonstrieren dürfe. Stadträtin Marianne Bade (SPD) kam nach der Sitzung auf die besorgten Mütter zu:
Wir schaffen es nicht, im Haushaltsjahr 2014/15 genug Betreuungsplätze für alle Schulkinder bereitzustellen. Deshalb wollten wir das in diesem Bildungsbericht nicht beschließen.
sagte sie. Ein Ziel zu beschließen, von dem man wisse, dass man es nicht einhalten könne, sei keine ehrliche Politik, erklärte sie. Das Problem sei, dass die Ausbildung neuer Erzieherinnen und Erzieher noch andauere. Beschlossen sei im zweiten Mannheimer Bildungsbericht daher vorerst die Betreuung von Kindern bis zum Ende des Grundschulalters.
Wir schauen in der Stadt, was wir noch machen können, besuchen einen runden Tisch nach dem anderen. Manchmal sind wir im Stadtrat einfach die falschen Ansprechpartner,
sagte Stadträtin Marianne Bade. Isabel Dehmelt freute sich dennoch über das unverhoffte Statement.
Es ist schön, dass man das so kontrovers diskutieren kann. Nur Leute zu ärgern ist ja nicht unser Ziel.
Die Mütter machen sich vor allem Sorgen und scheinen verunsichert über die Zukunft ihrer Familie. Erst Ende April soll entschieden werden, wer einen Betreuungsplatz bekommt und wo. Der Protest der Mütter sieht vor diesem Hintergrund mehr wie ein Ausdruck ihrer Ratlosigkeit aus. So hatte die Stadt bereits Ende des vergangenen Jahres ein neues Meldesystem für Kinderbetreuungsplätze „Meki“ ins Leben gerufen sowie eine Kinderkrippensuchmaschine eingerichtet.
Die Anmeldefrist zwischen vergangenem November und Ende Januar sei aber zu kurz gewesen. Es sei zu knapp, um sich alle Kinderkrippen anzusehen:
Viele Krippen haben in der Weihnachtszeit keine Kennenlerntermine angeboten.
Bis Ende Januar habe man sich aber für drei Krippen entscheiden müssen, die man als Prioritäten angeben konnte. Dieses System ist zu unflexibel, findet Rita Böhmer, die mit ihrem sieben Monate alten Mika zur Gemeinderatssitzung gekommen ist. Sie fühlt sich durch das System gezwungen, genau festzulegen, wann sie ihren Sohn in Betreuung geben will:
Das möchte ich ganz individuell entscheiden, je nachdem, wie er sich entwickelt.
Es könne schließlich auch sein, dass man einen neuen Job in einer neuen Stadt finde. Dass man sich gut ein Jahr vorher schon um einen Platz kümmern müsse, empfinde sie als „Panikmache.“ Der habe sie sich nicht unterwerfen wollen.